2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

2020

"Am 11. November kam Charley Pride bei den 2020 Country Music Association Awards auf die Bühne, um den "Willie Nelson Lifetime Achievement Award" entgegenzunehmen, ein Preis, den die Organisation an epochale Künstler vergibt, die sich den höchsten Grad an Anerkennung in der Country Music erworben haben."
(Patrick Doyle / Rolling Stone Country, 12. Dezember 2020)

Gemeinsam mit dem ebenfalls schwarzen Nachwuchskünstler Jimmy Allen spielte Charley Pride, der erste schwarze Superstar des Genres, seinen größten Hit aus dem Jahre 1971: 'Kiss an Angel Good Mornin'. Nur 4 Wochen später gab eine Presseaussendung bekannt, dass Charley Pride am 12. Dezember 2020 im Alter von 86 Jahren in Dallas, Texas an COVID-19 Komplikationen verstorben war.

Es war der unerwartet düstere Schlusspunkt für ein Jahr, das eine Pandemie überschattet hat, die neben Charley Pride auch John Prine (73), Joe Diffie (61) und K.T. Oslin (78) aus dem Leben gerissen hatte. Abseits von COVID-19 verlor die Country Music 2020 aber noch weitere große Künstler, darunter Kenny Rogers, Charlie Daniels, Mac Davis, Hal Ketchum, Billy Joe Shaver und Jerry Jeff Walker.

Zum Erliegen kam die Live-Musik-Szene im heurigen Jahr bereits frühzeitig und zwang viele Künstler dazu, sich nach alternativen Verdienstmöglichkeiten umzusehen. Speziell weniger bekannte Musiker verloren dadurch den Hauptteil ihres Einkommens. Aber auch Mega-Star Garth Brooks verschwand zunehmends aus den Schlagzeilen, waren seine Konzerte doch das zentrale Thema, das ihn im Gespräch gehalten hatte. So werden es viele gar nicht mitbekommen haben, dass im November 2020 endlich sein seit bereits 2018 angekündigtes Album "FUN" erschienen ist.


Nur rund die Hälfte der 14 Songs darauf waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch neu, der Rest bereits über die vergangenen beiden Jahre erschienen. Durch seinen gar nicht mehr zeitgemäßen Exklusiv-Vertrag mit Amazon, bleibt seine Musik für Nicht-Amazon-Kunden unerreichbar und findet damit auch in praktisch allen Bestenlisten des Jahres nicht einmal eine Erwähnung. Seine Facebook-Fanplattform Inside Studio G, auf der er nach wie vor regelmäßig mit seinen Fans kommuniziert, weist zwar für jede Episode zwischen 300.000 und 500.000 Aufrufe aus, aber ob er damit wirklich neues Publikum gewinnen kann, sei dahingestellt. Denn die Mehrheit des Musikgeschäftes spielt sich inzwischen längst irgendwo zwischen Spotify und YouTube ab, Plattformen, die Garth Brooks gar nicht kennen.

Das führt dazu, dass er trotz neuer Musik keine Rolle in den Charts mehr spielt. Abgesehen davon, dass ihm damit viel Geschäft entgeht (auf das er zwar längst nicht mehr angewiesen ist), fallen konsequenterweise aber auch alle Künstler, die an seiner Musik mitwirken, darum um. Ganz besonders zu einem Zeitpunkt, wenn das Country Genre als eines der letzten im Jahr 2020 mit großen Zuwachsraten auf Streaming Plattformen schwenkte.

So spielt der Streaming-Erfolg auch eine maßgebliche Rolle bei den kommerziell erfolgreichsten Country Künstlern des Jahres 2020. Dort war in Fortführung zum vergangenen Jahr erneut Luke Combs dominierend. Er ist nicht nur der erfolgreichste Künstler des Jahres, sondern er belegt gem. Billboard auch noch Platz 1 und 2 der Album Jahresend-Chart mit seinen beiden Alben "What You See Is What You Get" und "This One's For You". Auch in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts, sowie den Billboard Hot Country Songs Charts bleibt er der erfolgreichste Künstler des Jahres.

Neben ihm gibt es nur mehr eine Handvoll Interpreten, die in den übrigen Kategorien ganz oben mitspielen. Da ist Morgan Wallen, der mit 'Chasin' You' zum zweiten Mal in Folge den erfolgreichsten Song des Jahres in den Radio Charts hat. 2019 war es 'Whiskey Glasses', nun ist es 'Chasin' You'. Den erfolgreichsten Song in den Billboard Hot Country Songs Charts darf sich Newcomerin Gabby Barrett mit 'I Hope' auf die Fahne heften. Gefolgt von Maren Morris, deren 'The Bones' (ebenso wie 'I Hope') zu einem überraschenden Pop-Hit wurde.

In den subjektiven Bestenlisten der Alben des Jahres findet sich eine erstaunliche Konsistenz. Es sind fast durchwegs die gleichen Projekte, die dort Eingang finden. Chris Stapleton ist mit seinem ersten neuen Album seit 2017 überall dabei. Auch wenn ich die unpopuläre Meinung äußern muss, dass mich das Album "Starting Over" nicht umgerissen hat, kommt man nicht umhin dem Künstler zuzugestehen, dass er mit seiner einmaligen Stimme wohl jedes Lied zu veredeln vermag.


Auch das zweite Album von Newcomerin Ashley McBryde "Never Will" erhält große Anerkennung, obwohl sie bis dato noch keinen großen kommerziellen Hit landen konnte. Dem am nächsten kommt die erste Single aus dem aktuellen Album ('One Night Standards'), welche Platz 11 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts erreichte. Nun steigt sie mit der Nachfolge-Single 'Martha Devine' in die Charts ein. Eine Mörder-Geschichte, die auf einer alten Legende aus Kentucky basiert und in der die Tochter die Geliebte ihres Vaters um die Ecke bringt.


Hoffnungsvoll hatte 2020 nicht zuletzt für Little Big Town mit der Veröffentlichung ihres 8. Studioalbums ("Nightfall") im Jänner begonnen. Aber trotz positiver Kritiken bleibt es kommerziell eine Enttäuschung. Die aktuelle (dritte) Single 'Wine, Beer, Whiskey', der mehr oder weniger einzige Uptempo-Song aus dem Projekt, hält aktuell nur Platz 40 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts. Er bringt zwar frischen Wind in ein melancholisch-nachdenkliches Projekt, bleibt damit aber nicht repräsentativ dafür.


Erfolgreicher hat sich Sam Hunt mit seinem Album "Southside" geschlagen. Die Single 'Kinfolks' ist die dritt-erfolgreichste des Jahres in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts, in denen er auch die zweite Single 'Hard to Forget' an die Spitze führen konnte. Nun steht er mit dem textlich interessanten 'Breaking Up Was Easy in the 90's' auf Platz 28 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts. Erzählt das Lied doch davon, wie viel einfacher es war, in den 1990er Jahren eine Beziehung zu beenden, weil es damals kein Social Media und keine elektronischen Medien gab, die einen unaufhörlich an die andere Person erinnerten. Lediglich das Video zum Song bringt eine ambitionierte Themenverfehlung.


Im Oktober 2020 veröffentlichten die Brothers Osborne ihr drittes Studio-Album "Skeleton". Damit bleiben sie ihrem rock-lastigen Sound und ihrer offen propagierten liberalen Gesinnung treu, ohne sich für mehr Radio-Erfolg zu verbiegen. Eine markante Lead-Stimme, ein nicht weniger markanter Gitarren-Sound und eine gewagte Gradwanderung zwischen Country und herkömmlichen Genres (Rock, Blues, Gospel) prägen somit weiterhin den Sound von Brothers Osborne, die auf das aktuelle Album sogar eine Instrumental-Nummer ('Muskrat Greene') gepackt haben.

Zu den Überraschungen des Jahres zählt zweifellos Songwriter HARDY mit seinem ersten Album "Rock". Klevere Texte und eingängige Refrains lassen sein Rock-Album zurecht auf vielen Bestenlisten auftauchen. Mit der Single 'One Beer' aus dem Projekt kann er inzwischen auch seinen ersten Nummer-1 Hit in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts vorweisen.


Ebenfalls durchwegs positive Kritik haben meine beiden Favoriten des Jahres geerntet - beide ein wenig zu sehr abseits des Mainstream Country, um in den Charts ganz oben mitzuspielen. So hat die erste Single 'Danielle' aus dem großartigen Album "Sunday Drive" von Brett Eldredge nur Platz 27 in den Radio Charts erreicht. Das ändert nichts daran, dass der Titelsong ein Lied für die Ewigkeit ist. Und was für ein unvergleichlich emotionaler Sänger Brett Eldredge selbst ist, bweist er erneut mit der Cover-Version des Billie Eilish Songs 'When The Party's Over'.

Etwas besser erging es bis dato Kip Moore mit 'She's Mine' aus dem aktuellen Album "Wild World", das immerhin Platz 17 erreichte. Zwar lässt sich das Album problemlos auch als Rock-Album klassifizieren, aber die konsequente Umsetzung in Kombination mit der unverkennbaren Stimme von Kip Moore machen es zu einem der besten des Jahres im erweiterten Country Genre.

Hinzufügen möchte ich auch das erst 2020 veröffentlichte "The Lost Album" des 2019 verstorbenen Earl Thomas Conley. Ist es doch ein Projekt, das sich in den 20 Jahren seit seiner ursprünglichen Aufnahme erstaunlich gut gehalten hat und damit aus einem schwierigen Jahr einen nostalgischen Blickwinkel auf eine etwas einfachere Zeit zurück erlaubt. Möge 2021 wieder leichter und freier werden.

Und als Post Skriptum sei noch erwähnt, die Auszeichnung für den größten Hit des Jahres, der keiner wurde, steht aus meiner Sicht A Thousand Horses zu! Denn auch knapp ein halbes Jahr nach Veröffentlichung von 'A Song to Remember' habe ich mich an der eingängigen Melodie immer noch nicht satt-gehört ...



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