Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Southside

"Ich war in einer Songschreiber-Session mit Luke Laird und er spielte mir diesen Ausschnitt vor und kaum hatte ich ihn gehört, wusste ich: das war es! Dabei hatte ich noch keine Idee für einen Song. Es war nur der Gesang von Webb Pierce und dann das Schlagzeug und ich sagte: gib mir etwas Zeit, damit mir etwas einfällt, wir müssen diesen Song schreiben."
(Sam Hunt / Gayle Thompson / popculture.com, 24. 3. 2020)

1955 erreichte Webb Pierce mit dem Song 'In the Jailhouse Now' die Spitze der Country Charts - und blieb damit ganze 21 Wochen lang auf Platz 1. Das Lied, das Jimmie Rodgers 1928 erstmals aufgenommen hatte, wurde in Folge von unzähligen Künstlern aufgenommen. Keine Version war jedoch so erfolgreich, wie die von Webb Pierce, die ihm damit den größten Hit seiner fast 40-jährigen Karriere bescherte.

Schon 2 Jahre zuvor, im Herbst 1953 veröffentlichte der damals 32-jährige Webb Pierce den Song 'There Stands the Glass'. In 3 knappen Strophen singt er darin über den Verlust einer geliebten Person und die Hoffnung, dass der Alkohol den Schmerz über den Verlust ertränken möge. Ein Schmerz der sich weniger im simplen Text, als vielmehr in Stimme und Interpretation von Webb Pierce findet. Damit machte er 'There Stands the Glass' zu seinem 5. Nummer-1 Hit.


Mit März 2020 kehrt das Lied nun wieder zurück in die Country Charts. Wenn auch nicht in der Originalversion, sondern lediglich als kurzes, gesampletes Intro zur neuen Sam Hunt Single 'Hard To Forget'. Diese befindet sich auf dem lang erwarteten und schon nicht mehr geglaubten zweiten Album des Künstlers, das nun für den 3. April 2020 unter dem Titel "Southside" angekündigt ist.

Fast schon hat man vergessen, dass sein erstes und bisher einziges Album im Herbst 2014 erschienen ist, also vor mehr als 5 Jahren. "Montevallo" war ein Projekt, dessen kreativer Motor in der persönlichen Liebesgeschichte von Sam Hunt lag, die 2017 in einer Hochzeit mit Hannah Lee Fowler vorerst ihr Happy End fand. Ganz nebenbei machte es Sam Hunt mit 3 Nummer-1 und 2 Nummer-2 Hits quasi über Nacht zum mit Preisen überhäuften kommerziellen Superstar. Auch wenn Traditionalisten ihn zum verhassten Sündenbock erklärten, weil seine kreative und nahtlose Verschmelzung von Country und Hip-Hop plötzlich zur Alltäglichkeit in den Country Charts wurde.

Aber anstatt musikalisch nachzulegen, blieb es still und Sam Hunt vertröstete bei der Frage nach einem Nachfolge-Album. Fast schien es, als wäre ihm das alles zu viel geworden. So folgten wenigstens 2 Singles, von denen die erste (der Pop-Country Hit 'Body Like A Back Road') 2017 gleich 24 Wochen auch Platz-1 in den Billboard Hot Country Song Charts stand und bis in die Pop Top-10 der Billboard Hot 100 kletterte. Ein erneut unerwarteter, kommerzieller Erfolg, den die Nachfolge-Single 'Downtown's Dead' 2018 dann erstmal nicht wiederholen konnte. Sie erreichte nur Platz 15 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts.

2019 folgte dann doch mit der Veröffentlichung der Single 'Kinfolks' eine erste Ankündigung für das kommende zweite Album. Ein Ankündigungsprozess, der Ende vergangenen Jahres dann noch einmal ungeplant ins Stocken geriet, als Sam Hunt von der Polizei spätnachts nicht nur wegen Trunkenheit am Steuer, sondern auch noch auf der falschen Straßenseite ertappt wurde. Nach einer offiziellen Entschuldigung an Fans und die Öffentlichkeit, nahm die 'Kinfolks' jedoch wieder ihren erwarteten Lauf und erreichte Anfang 2020 die Nummer-1 in den Radio Charts.



Trotz des eingängigen Refrains war 'Kinfolks' für viele eine Enttäuschung, weil sie nur das zu wiederholen schien, was man von Sam Hunt bereits kannte. Und nach mehr als 5 Jahre nach "Montevallo" blättert der Lack dann doch schon mal ab. Das neue Pferd, das Sam Hunt 2014 bestiegen hatte, war inzwischen von unzähligen Nachahmern totgeritten worden. Wo waren die neuen Ideen oder aber auch die vielfach angekündigte Zuwendung zu traditionelleren Country Klängen geblieben? Egal - denn für einen kommerziellen Hit reicht 'Kinfolks'  im Moment noch allemal.

Dass Sam Hunt aber seine künstlerische Kreativität doch noch nicht ganz verloren hat, zeigt er nun mit der aktuellen Single 'Hard To Forget', für deren Intro er auf den Country Hit 'There Stands the Glass' aus dem Jahre 1953 zurückgreift.

Zwar macht er damit nur etwas, das beispielsweise Keith Urban 2018 mit seinem Hit 'Coming Home' schon gemacht hatte - nämlich einen Country-Klassiker in die rhythmisch-technologische Welt von heute zu holen. Aber im Gegensatz zu Keith Urban, der viel Kritik dafür einstecken musste, dass er es gewagt hatte mit 'Mama Tried' von Merle Haggard einen Klassiker anzufassen, ist die emotionale Verbindung zu einem Webb Pierce Hit aus den 1950er Jahren wohl weniger problematisch.

Entsprechend ist auch das Echo von Fans und Medien fast durchwegs positiv. Denn während 'Kinfolks' auf dem Weg nach unten in den Charts noch auf Platz 4 steht, hat 'Hard To Forget' bereits die Top 30 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts erreicht.

Gleichzeitig mit der Veröffentlichung der neuen Single kennt man nun auch schon die Hälfte des neuen Sam Hunt Albums. Denn "Southside" enthält 12 Titel, alle unter der Mitwirkung von Sam Hunt geschrieben, darunter die Singles der letzten 3 Jahre ('Body Like A Back Road', 'Downtown's Dead', 'Kinfolks'). Weiters 'Drinkin' Too Much' aus 2017, sowie die Vorab-Veröffentlichung aus dem kommenden Album 'Sinning With You' und eben die neue Single 'Hard To Forget'.



Das wirkt erneut wie ein Projekt, für das man mühsam das zusammengekratzt hat, was eben verfügbar war. Auch wenn in den verbleibenden 6 Songs, die noch nicht veröffentlicht sind, so manche Überraschung stecken mag. So beschreibt die New York Times den Song '2016' als einen phänomenalen Titel über Reue und Traurigkeit, so klassisch country, wie man ihn noch nie von Sam Hunt gehört hat. Weiters scheint er nicht auf einfühlsamen R&B ('Nothing Lasts Forever') zu vergessen, ebensowenig wie auf 1990er Pop-Country ('Let It Down') und den klassischen Sam Hunt Konversationsstil im Titel 'Breaking Up Was Easy in the 90’s'.

Diesen bunten Flickenteppich bestätigt auch sein musikalischer Partner Zach Crowell, wenn er über Sam Hunt sagt: "Tief drinnen drängt es ihn, andere Dinge zu machen. Ich glaube, er hat nur noch nicht das richtige Rezept dafür gefunden." Dann lassen wir uns erstmal davon überraschen, was der Rest von "Southside" zu bieten hat.

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