Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Mädchen ohne Zukunft?

"Verschwende dein Leben nicht mit einer Gitarre,
du kommst vielleicht herum, aber nicht weit.
Du bist nicht die erste, wirst nicht die letzte sein,
und du kannst uns dann davon erzählen,
wenn du nach Hause gekrochen kommst."
(Girl Going Nowhere / Ashley McBryde, Jeremy Bussey)

In Zeiten, in denen Frauen im kommerziellen Country Genre praktisch keine Rolle spielen, ist es mehr als erstaunlich, dass die Fachpresse sich mit Jubelmeldungen über zwei neue, am 30. März 2018 erschienene Alben zweier Country-Künstlerinnen zu überbieten versucht. Während Kacey Musgraves mit "Golden Hour" bereits ihr drittes Major-Label Projekt präsentiert, ist "Girl Going Nowhere" für Ashley McBryde das Erstlingswerk.

Hineingeboren in die Vorlage zu einem Country Song, wuchs Ashley McBryde in den 1980er Jahren als jüngstes von 6 Geschwistern im winzigen Ort Mammoth Springs in Arkansas auf, dem US-Bundesstaat, der auch Heimat für Johnny Cash war. Dort besaßen ihre Eltern eine Rinderfarm, während ihre Mutter die traditionelle Rolle der Hausfrau erfüllte, und ihr Vater nebenbei als leidenschaftlicher Prediger und Arzt tätig war. Das prägte sie ebenso, wie Musik, die von Anfang an eine wichtige Rolle in der Familie spielte.

"Alles was ich brauchte, kam aus dem Radio", sagt Ashley McBryde. Und zu Billboard Magazine ergänzt sie: "Ich hatte Glück, dass meine Eltern echt gute Musik hörten. Mein Vater liebte Kris Kristofferson, was mir den Bezug zu großartigen Songwritern gab, während meine Mutter The Carpenters liebte. Und ich selbst habe als Kind Bluegrass gespielt." Sehr früh setzte sich so die Leidenschaft für Musik bei ihr fest.

So sehr, dass sie sich auch nicht von einem Mathematik-Lehrer entmutigen ließ. Denn als sie diesem erzählte, dass sie nach Nashville gehen wollte um Musik schreiben, erwiderte dieser: "Wie einfältig. Das wird nie passieren. Denk daran, woher du kommst und überleg dir eine vernünftige Alternative!" Eine Geschichte, die inzwischen in jedem Artikel über Ashley McBryde zu lesen ist. Nicht nur deshalb, weil sie offenbar prägend war, sondern auch weil sie den Auslöser für den Titelsong ihres eben erschienen Albums darstellt.

Aber erst brach sie ihre College-Ausbildung 2006 ab und ging tatsächlich nach Nashville. Dort war es der beschwerliche Weg, den jeder Newcomer auf sich nehmen muss. Nach verschiedensten Gelegenheitsjobs bekam sie schließlich einen Vertrag als Songschreiberin für Song Factory.

In den folgenden Jahren blieb ihr ein Gespräch mit Country Sänger Johnny Lee in Erinnerung, der ihr einschärfte: "Du solltest dir bewusst sein, dass du vielleicht für den Rest deines Lebens versuchen wirst, erfolgreich zu sein und es niemals schaffen wirst. Es wird niemanden kümmern. Aber wenn du jemals aufgibst, dann wird es dich für den Rest deines Lebens kümmern."

2011 Veröffentlichte Ashley McBryde dann ein erstes, ungeschliffenes Album ("Elsebound") in Eigenregie. Aber auch sie musste den Fluch der 10 Jahre harter Arbeit in Nashville erst erfüllen, ehe sie eine echte Chance bekam.

Dann, 2016 kamen die Dinge langsam in Bewegung. Mit "Jalopies & Expensive Guitars" veröffentlichte eine EP mit 8 Songs, die sie als gereifte Songschreiberin zeigten. Darauf enthalten ist das ihrem Vater gewidmete Lied 'Bible and a .44'. "Er war Prediger, als ich aufwuchst und da war immer entweder ein Revolver oder eine Bibel. Und er hatte diese Gitarre, die ich nie spielen durfte. Zu seinem 70. Geburtstag war ich bei ihm, holte die Gitarre aus dem Schrank und schrieb das Lied", erzählte sie Billboard Magazine. "Immer kommen mir die Tränen bei diesem Lied."

Diese Ehrlichkeit bescherte ihr unerwartete Aufmerksamkeit. Niemand geringerer als Eric Church hörte den Song und lud sie in Folge nicht nur zu sich auf die Bühne ein, sondern stellte auch die Verbindung zu seinem Produzenten Jay Joyce her.



2017 tauchte Ashley McBryde dann auf der März-Liste der 10 kommenden Country Künstler von Rolling Stone Country auf. Und als im Spätsommer auch Garth Brooks von ihr zu schwärmen begann, brachen die Dämme. Im September 2017 nahm sie Warner Music Nashville unter Vertrag und kurz darauf brachte Satellitensender SiriusXM ihren ersten Song 'A Little Dive Bar in Dahlonega' über eine kleine Kneipe, in der sich Hoffnungen und zerbrochene Träume treffen, bereits an die Spitze der Neuerscheinungen (The Highway Top 30).

Garth Brooks schickte ihr eine sms und nahm sich die Freiheit ihren Song 'Girl Going Nowhere' nicht nur live zu spielen, sondern er adaptierte ihn auch noch ganz persönlich auf  'Boy Going Nowhere'. Es folgte eine Einladung, in der heiligen Halle der Grand Ole Opry aufzutreten und Chris Stapleton und Miranda Lambert nahmen sie mit auf Tour.



Und zu guter letzt ging Jay Joyce noch mit ihr ins Studio. "Mit ihm zu arbeiten ist wie mit einem verrückt-genialen Wissenschaftler zu arbeiten", schwärmte sie zu Rolling Stone Country. "Er nimmt Songs, die wir schon ewig gespielt haben und gibt ihnen ein neues Leben und eine neue Form. Es ist verrückt." Das Ergebnis wurde am 30. März 2018 unter dem Titel "Girl Going Nowhere" veröffentlicht.

Es beinhaltet 11Songs, an denen Ashley McBryde als Songschreiberin beteiligt war. Entstanden sind dabei Geschichten um Momentaufnahmen aus ihrem Leben, wie 'Radioland', das von der vielseitigen Musik in ihrem Elternhaus erzählt. "Wer sich nur auf ein Genre einschränkt, der ist ein Dummkopf", sagt sie.
 
"Auf dem Weg zum [Football] Spiel am Freitag abend
oder zur Messe am Sonntag morgen im Chevrolet,
den Countdown mit Casey Kasem aus dem alten Panasonic,
Valentine, Cuts Like a Knife,
I Wanna Hold Your Hand."
(Ashley McBryde, Autumn McEntire, Chris Roberts)

Ein Thema, für das übrigens Michael Martin Murphy bereits 1984 mit seinem gleichnamigen Hit den ultimativen Standard gesetzt hatte.


Auch die Geschichte über die Jeans Jacke ('The Jacket'), die sie mit 14 Jahren von ihrem Onkel geschenkt bekommen hatte, und die bis heute voller Erinnerungen ist, hat ein unbewusstes Vorbild im nicht weniger berührenden Song von Mary Chapin Carpenter  aus dem Jahr 1989 mit dem Titel 'This Shirt'. Letzteres hat Mary Chapin Carpenter übrigens eben erst am 30. März 2018 im Rahmen ihres neuen Albums "Sometimes Just The Sky" in neuer Version wiederveröffentlicht.

'A Little Dive Bar in Dahlonega' ist inzwischen die erste Single und in den Top-40 der Country Charts. Dabei sagt sie darüber: "Es ist nicht das beste Lied auf dem Album. Es ist nicht das wichtigste, es setzt sich mit keinem wichtigen Thema auseinander." Ein Thema, das sie dafür in den Titel 'Livin' Next to Leroy' packt. Dort setzt sie sich mit einem der großen Probleme in den USA auseinander, der Drogensucht.

"In der Country Music verbringen wir viel Zeit damit, über Bier und Spaß und Grillfeuer zu singen, dabei herrscht da ein Riesenproblem mit Meth und wir sollten darüber sprechen. Alles, worüber geschwiegen wird, hat die Tendenz größer und schlimmer zu werden. Je eher man darüber spricht, desto eher kann es verblassen."

Die 34-jährige Ashley McBryde entspricht optisch so gar nicht dem klassischen Bild der Hollywood-schönen Sängerin und mit ihren Tatoos passt sie viel eher in eine Biker-Bar, in ein Nashville-Studio. Aber genau damit nimmt man sie authentisch wahr und wenn sie in 'American Scandal' über eine Liebe wie zwischen FJ Kennedy und Marilyn Monroe singt, dann nimmt man ihr ab, dass sie sich an keine Zwänge und Vorgaben halten will. Stilistisch traditionell und doch, nicht zuletzt dank der Produktion von Jay Joyce, mit progressiv-rockigen Anklängen, stellt sie mit Sicherheit eine der großen Entdeckungen des Jahres dar.

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