Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Reißleine

Montag, 9. Mai 2016. Es ist 12 Uhr mittags in Downtown Nashville und in die Straßenzüge vor der großen Bridgestone Arena drängen sich Tausende von Menschen. Sie alle sind gekommen, um möglichst nahe an einer dort aufgebauten Bühne zu sein. Manche haben dafür sogar die Nacht dort verbracht. Und der, der sie alle eingeladen hatte, war Keith Urban, um ihnen mit einer kostenlosen Show sein brandneues Album vorzustellen.
Etwas, das er zuvor schon im Stage 48 in New York City getan hatte.

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Das lang erwartet Album "Ripcord" war offiziell am Freitag zuvor, dem 6. Mai 2016 erschienen und sorgt seitdem für viel Gesprächsstoff in den Medien und Social Media Groups. Es ist das 8. Studio Album (das 9. wenn man das hervorragende Album "The Ranch" mitzählt) des in Neuseeland geborenen und in Australien aufgewachsenen Musikers. Und es ist sein bisher musikalisch abenteuerlichstes. Hatte sein letztes Album "Fuse" aus dem Jahr 2013 mit dem verstärkten Einsatz von elektonischen Sounds einen ersten Anlauf in eine neue Richtung angedeutet, so bringt dieses nun den endgültigen Absprung.

Natürlich spricht jeder zweite über die Mitwirkung von Pitbull auf dem Song 'Sun Don't Let Me Down', weil eben jeder Pitbull kennt und damit herausgestrichen wird, welchen Stellenwert Keith Urban inzwischen erreicht hat. Dabei entstand die Zusammenarbeit mit Hilfe von Nile Rodgers, wie Keith Urban erklärte, dem Mitbegründer der legendären Disco Band Chic (bekannt für den Disco-Klassiker 'Le Freak'). Gemeinsam schrieben und produzierten sie den Titel. Zuletzt schien dem Song aber im Intro und Bridge-Teil noch etwas zu fehlen.

Da hört Keith Urban Pitbull im Radio und kam auf die Idee, ihn genau dort mit auf den Titel zu nehmen. Nile Rodgers arrangierte daraufhin den Kontakt und der Song wurde an Pitbull geschickt. Dieser brachte seine Stimme ein, das Lied ging zurück ohne jemals dafür gemeinsam im Studio gestanden zu haben und findet sich nun als 5. Titel auf dem Album.

Es mag nicht das beste Lied darauf sein, aber es zeigt, wie Keith Urban an das Album herangegangen ist, nämlich völlig unvoreingenommen. Keine Genre-Vorgaben sollten Vorgaben machen, sondern alleine Sounds, Klänge, Ideen und Konzepte, die sich für Keith Urban gut anfühlten. In einem Interview erzählte er, dass er bereit war, sich in Restaurants lächerlich zu machen, wenn er auf den Tisch stieg, um sein Smartphone mit Shazam möglichst nahe an die Lautsprecher zu halten, weil er dort einen Sound gehört hatte, der ihn faszinierte.

Als Juror von American Idol (dem US-Gegenstück zu Deutschland sucht den Superstar), mit dem er heuer die letzte Staffel begleitete (American Idol wurde heuer nach 15 Staffeln eingestellt), hat Keith Urban nicht nur einen gwaltigen Sprung im Bekanntheitsgrad in den USA gemacht, sondern wurde auch mit vielen musikalischen Stilrichtungen abseits von Country konfrontiert. Dazu kommt, dass er nach wie vor Hits am laufenden Band liefert, auch wenn sie nicht mehr so konstant auf Nummer-1 gehen, wie in der ersten Hälfte seiner bisherigen Karriere.

Jedenfalls scheint man ihm genug zu vertrauen, um ihm im Studio weitgehend freie Hand zu lassen. So finden sich auf dem Album neben Dan Huff, der die Mehrheit der Titel produzierte, eine ganze Liste verschiedenster Produzenten (Jeff Bhasker, busbee, Greg Wells, Tyler Johnson, K-Kov), kaum einer davon im Country Genre bekannt. Mit ihnen erarbeitet Keith Urban über den Zeitraum von rund 1 1/2 Jahren ein echtes Groove Album. Im Vordergund stehen elektronische Beats, eingängige Refrains und ein Sammelsurium an verschiedensten Pop-Sounds.

Lediglich der Sound eines Banjos oder eines Ganjos (Mischung aus Gitarre und Banjo) erinnert immer wieder mal ein wenig an Country, ohne jedoch am Ende den Kreis zu schließen. Damit folgt er den aktuellen Alben der Zac Brown Band ("Jekyll & Hyde") und von Thomas Rhett ("Tangled Up"), die stilistisch ebenfalls die Grenzen des Genres überschritten hatten. Traditionalisten können sich getrost abwenden. Für alle anderen bietet "Ripcord" viele spannende und gelungene Momente.

Dazu gehören Highlights, wie der Walzer im Stand-By-Me Stil 'Blue Ain't Your Color', die depressiv-minimalistische Klavier-Ballade 'That Could Be Us' oder der absolute R&B Ohrwurm 'Habit Of You', geschrieben und produziert mit dem Israelischen Songwriter und Produzenten K-Kov. Ebenfalls erwähnen muß man wohl auch 'The Fighter', einer Pop-Dance Nummer, auf der Carrie Underwood zu hören ist; und von dem es inzwischen eine charmante Version mit Nicole Kidman zu sehen gibt.

Und in einer weiteren Hinsicht ist das Album letztendlich ungewöhnlich: zwei Top-10 Hits hat das Album bereits vor seinem Erscheinen produziert ('John Cougar, John Deere, John 3:16' und 'Break On Me') und die dritte Single ('Wasted Time') ist bereits in den Top-20. Wer ein Country Album im herkömmlichen Sinn erwartet, der wird enttäuscht sein. Wer aber offen für ein echtes Groove Album ist, der sollte unbedingt reinhören!

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