Reboot II

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"Das spannende war, dass es uns nicht darum ging, die ursprünglichen Aufnahmen oder Arrangements, oder unsere eigenen Visionen umzusetzen. Wir gaben ihnen die Freiheit, unsere Songs mit ihren eigenen künstlerischen Visionen aufzunehmen." (Ronnie Dunn [Brooks & Dunn] / billboard.com, 16. September 2024)

Verschreibungspflichtige Medikamente

Aus dem Nichts scheint er zu kommen. Und doch ist es bereits sein drittes Album. Aber im Gegensatz zu den beiden ersten Werken aus den Jahren 2007 und 2011, könnte das am 6. Mai 2016 erschienene Werk den großen Durchbruch liefern. Ja genaugenommen, muss es das! Denn das Album mit dem ungewöhnlichen und für viele unverständlichem Titel "RX" fasziniert von Anfang bis Ende und muss heute schon zu den besten des Jahres gezählt werden!

Der 32-jährige Ryan Beaver ist in Texas geboren und aufgewachsen, heute aber, wie soviele andere in Nashville zu Hause. Er sieht nicht aus wie ein Star, die Bewunderung gilt vielmehr seinem Talent als Songschreiber und seiner markanten Stimme. Beiden wird auf dem Album "RX" der gebührende Platz geschaffen, um sich spektakulär entfalten zu können. 11 Songs (plus einer kurzen Hommage an Kris Kristofferson mit dem dessen Titel 'Jesus Was A Capricorn'), die vom Leben erzählen und dessen Träumen, Gefühlen und Erfahrungen, schön, aber auch viel zu oft schmerzhaft.

So wie der Auslöser für das Album. Der Tod des Großvaters, eines guten Freundes und das Ende einer Beziehung im November 2012 führten zur Entstehung des ersten Songs auf dem Album, 'Dark'.
"Die Stromleitungen, sie beginnen zu schwingen,
der Wirbelsturm kommt, aber ich höre nicht auf zu trinken.
Lass die Lichter in dieser Stadt und in meinem Herzen ausgehen,
lass es kommen, ich fürchte mich nicht vor der Finsternis"

Es ist nicht nur der erste Song auf dem Album, sondern auch die Basis dafür und der Beginn einer Aufarbeitung . "Das Schreiben des Songs war ein magischer Moment und das Ergebnis hat mich so getroffen, wie ich es mir nur von Musik wünsche", versucht Ryan Beaver mit Worten zu beschreiben, wie wichtig dieser erste Titel für das weitere Projekt war. Verlust und Finsternis. Aber sich nicht unterkriegen lassen.

Der vorletzte Song gab dem Album seinen ungewöhnlichen Namen: "RX". Das steht für verschreibungspflichtige Medikamente und der Text des Liedes spricht von der nüchternen Erkenntnis, dass vieles mit der Zeit nicht einfacher wird. Es zieht einen durch seinen melancholischen, wehmütigen und akustischen Sound in seinen Bann.
"Ich brauche mehr Medikamente als ich sie früher brauchte,
ich brauche mehr Höhepunkte, um die Tiefpunkte zu übertauchen,
ich brauche längere Nächte, um die Tage zu überstehen"

Zwischen diesen beiden Titeln finden sich Songs auf dem Album, von denen kein einziger qualitativ abfällt. 'Rum & Roses' ist zwar einer von nur 2 Songs auf dem Album, die nicht von Ryan Beaver selbst geschrieben wurden (sondern von Josh Osborne und Ryan Tyndell), aber Beaver macht den Song zu seinem. "Ein einfacher, 3-Akkorde Song, mit dem wir unsere Shows eröffnen", erklärt er Rolling Stone Magazine. "Aber er ist musikalisch so tief und schwer, wie der Text dazu. Es geht darum, Verlockungen zu erliegen, aber zu wissen, welche Folgen es haben wird."

Maren Morris ist im Hintergrund von 'When This World Ends' zu hören, einem hypnotischen Mid-Tempo Song über die Unsicherheit von Liebe bis zum Ende. Der Aufriss mit Hilfe von Alkohol (oder der kürzeste Weg zur schnellen Liebe) rockt unaufhaltsam in 'Fast'. 'Habit' erzählt von der endlosen Suche nach der großen Liebe und der Enttäuschung, dass es nie so bleibt wie am Anfang. Sodass ihr Schlussmachen zur Gewohnheit geworden zu sein scheint.

Das harmonisch weiche 'Vegas' über eine Romanze, die in Las Vegas zurückbleibt, schwingt voller Wehmut, während die rhythmischen Echoes der elektrischen Gitarren in 'Gravedigger' keine Zweifel an ihren Intentionen offen lassen. Ryan Beaver gesteht, dass es schwierig ist, seine Musik stilistisch einzuordnen. Aber er beschreibt sie als "Country Songs mit einer Rock-Attitude".

Das ist teilweise am Sound festzustellen, wenn verzerrte Gitarren Stimmungselemente schaffen, die zwischen psychodelisch und gespenstisch liegen. Trotzdem klingt das ganze Album fast akustisch. Nie verschwinden Stimme oder auch einzelne Instrumente in einem dichten Klangteppich, wie man es inzwischen schon fast gewohnt ist.

Das Album endet mit Lied Nummer 12, 'If I Had A Horse', das sich mit dem Verlust der Unschuld in unserem Leben auseinandersetzt. "Es geht darum, dass wir eines Tages aufwachen und feststellen, dass wir erwachsen geworden sind und es Zeit wird, sich mit dem echten Leben auseinanderzusetzen", erklärt Ryan Beaver National Public Radio (NPR). Als Kind reichte es noch aus, Mutters Besen zu nehmen und sich vorzustellen, es wäre ein Pferd und man selbst der heldenhafte Cowboy.

"RX" ist ein unglaublich gutes Album! Angeblich war es schon im Jänner 2015 fertig gestellt, aber man wollte nicht so recht an eine Chance auf kommerziellen Erfolg glauben. Ein Jahr später gibt es neue Klänge, nicht zuletzt durch Chris Stapleton oder die Brothers Osborne, die mehr zu dem passen, was Ryan Beaver hier vorgelegt hat. Nicht zuletzt ist es die ungewohnte Produktion mit dezenten Roots-Alternativ-Rock Elementen, die einen zum Hinhören zwingen. Ob die Charts und Country Radio wirklich schon reif dafür sind, bleibt dahingestellt. Mit Sicherheit lässt sich schon heute sagen, dass es zu den besten Alben des Jahres gehören wird!

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