Nichts als Lügen

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"[Studio Zwei] ist unser berühmtester Aufnahmeraum. Als der Ort, wo richtungsweisende Aufnahmen von den Beatles, Shirley Bassey, Kate Bush, Massive Attack, Oasis, Adele und vielen anderen stattfanden, war Studio Zwei seit seiner Eröffnung 1932 immer der Herzschlag populärer Musik." (abbeyroad.com/studio-two)

Ich habe Mama angerufen

"Mehr als je zuvor wird mir gerade jetzt bewusst, wie wichtig menschliche Verbindungen in unserem Leben sind. Es ist ein Lied darüber, mit dem wieder Kontakt aufzunehmen, das uns in schweren Zeiten erdet. Wir alle sollten Mama öfters anrufen ... oder wer auch immer die Menschen sind, die uns helfen zu erkennen, was wirklich wichtig ist."
(Tim McGraw / Instagram, 30. April 2020)
Natürlich ist die neue Single von Tim McGraw rechtzeitig zum Muttertag erschienen. Und natürlich verrät der Titel bereits, dass es sich um eine sentimentale Aufforderung handelt, die Familie wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Aber 'I Called Mama' ist mehr als das - nicht nur auf der Ebene einer Weltgesellschaft, die gefordert ist, ihre Prioritäten neu zu ordnen, sondern auch auf der persönlichen Ebene von Tim McGraw.

So findet sich auf dem Cover der Single ein Foto seiner Mutter Betty Trimble, das kurz vor dem Zeitpunkt entstanden war, als sie feststellte (mit dem heute 53-jährigen Künstler) schwanger zu sein. Als quasi alleinerziehende Mutter spielt sie bis heute eine wichtige Rolle im Leben von Tim McGraw. "Sie hat sich um mich gekümmert, mir Feuer unterm Hintern gemacht, wenn notwendig, und mir Liebe, Stärke und Mut gegeben, wenn ich selbst nichts mehr davon hatte", sagte er in einem Interview mit tasteofcountry.com.

"Es ist eine ganz simple Botschaft, aber sie bedeutet mir soviel", betonte er im Gespräch mit goodmorningamerica.com und ergänzte, wie schwer es ihm gefallen war, eine erste Version davon ohne Tränen seiner Frau Faith Hill vorzusingen. Und das, obwohl er selbst das Lied nicht geschrieben hatte, sondern Lance Miller, Marv Green und Jimmy Yeary für den Song verantwortlich zeichnen.

Ähnlich wie in seinem epochalen Hit 'Live Like You Were Dying' (2004) beginnt auch 'I Called Mama' mit einer schlechten, wenn auch nicht klar ausgesprochenen Nachricht:
Ein Freund rief mich an und erzählte mir von einem Freund,
Neuigkeiten, die niemand gerne hört.
Es hat mich sehr getroffen,
hatten seine besten Jahre doch eben erst begonnen.

Der Refrain bringt die nachdenkliche Erkentniss dann auf den Punkt, wenn es da heißt:
Ich hielt an einer Texaco [Tankstelle],
kaufte mir ein [Knabbernossi] und ein Coke,
parkte am Flussufer, um auf's Wasser zu schauen.
Ich dachte an zu Hause, holte mein Handy aus der Tasche
und rief Mama an.

Es läutete ein paarmal, bis sie abhob.
Ich kann immer hören, dass sie lächelt, wenn ich anrufe.
Ich habe nur angerufen, um zu sagen, dass ich dich lieb habe.
Du und Papa und Zuhause haben mir gefehlt, das ist alles.
[Denn] ich habe heute morgen nur darüber nachgedacht,
was wirklich wichtig ist.



Über die persönliche Bedeutung hinaus ist die Single aber auch ein Neustart in der Karriere von Tim McGraw, ist es doch die erste Single unter dem neuen alten Label Big Machine Records. Erst 2017 hatte er sich von BMR getrennt und mit Sony einen neuen Vertrag ausgehandelt. Zwar folgte rasch das Duett-Album mit Faith Hill ("The Rest of Our Life"), aber seine eigene Karriere kam mit dem neuen Label nicht so recht ins Laufen.

2 spannende Singles veröffentlichte er in Ankündigung eines kommenden Albums. Aber 'Neon Church' erreichte nur Platz 20 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts und das einfühlsame 'I Thought About You' blieb unverständlicherweise schon auf Platz 17 hängen. Ergebnisse, die den Erwartungen nicht gerecht wurden.



Mehr Stückwerk blieb die Veröffentlichung von 'Drive' einer Cover-Version des 1980er Klassikers der Rock-Band The Cars und die Zusammenarbeit mit Shy Carter für den Uptempo-Song 'Way Down', der kaum positive Kritiken erhielt. Beide Songs wurden nicht für die Charts promotet.

Trotzdem war Tim McGraw in den letzten Jahren alles andere als erfolglos, fügte er 2019 doch einen weiteren Puzzlestein zu seiner bereits eindrucksvollen Karriere hinzu. Und zwar den des Erfolgs-Authors. So veröffentlichte er gleich 2 Bücher ("Songs of America" in Zusammenarbeit mit Jon Meacham und das Fitness Buch "Grit & Grace"), die beide bis auf Platz 2 der New York Times Bestsller Liste kletterten.

Als im Februar 2020 die Trennung von Sony bekannt wurde, mag das vielleicht weniger überraschen (auch wenn es für einen Künstler vom Kaliber eines Tim McGraw doch höchst ungewöhnlich ist, sich ohne Album-Veröffentlichung wieder zu trennen), als die erneute Einigung mit seinem vorherigen Label Big Machine Records. So gilt 'I Called Mama' nun als offizielle Vorab-Single seines kommenden Albums "Here On Earth".

Nach nur 3 Wochen befindet sich diese bereits auf Platz 24 in den Radio Charts und führt Tim McGraw auch stilistisch wieder zu einem der erfolgreichsten Songs seiner jüngeren Karriere zurück. Genaugenommen könnte man sogar sagen, dass es sich um eine Neuauflage seines Hits aus dem Jahr 2014 handelt, für den er eine Grammy-Nominierung erhielt: 'Meanwhile Back at Mama's'.

In jedem Fall erweist sich die neue Single von Tim McGraw wesentlich vielschichtiger, als sie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Ob sie sich auch als großer Hit für den Künstler erweisen wird, bleibt abzuwarten. Aber die Chancen dafür stehen außergewöhnlich gut, würde ich meinen.

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