Ich trinke alleine

"Lass mich eines klarstellen:
du kannst mir ein Bier kaufen,
aber du kannst mich nicht nach Hause nehmen.
Keine Aufriss-Sprüche - ich bin heute abend hier,
um alleine zu weinen."
(Drinking Alone / Brett James, Carrie Underwood, David Garcia)

Dramatische, meist düstere Geschichten über Missbrauch, Rache und Tod gehören zu ihren bevorzugten Themen. So war 2016 der Titel 'Church Bells' über die mörderische Rache am gewalttätigen Ehemann ihre bis dato letzte Nummer 1 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts. In der aktuellen Single von Carrie Underwood geht es weit weniger dramatisch zu.

'Drinking Alone' ist bereits die 4. Auskoppelung aus ihrem aktuellen Album "Cry Pretty", das sie zusammen mit David Garcia produziert hatte. Gemeinsam mit ihm (und Brett James) schrieb sie auch den aktuellen Titel, der in den Radio Charts vom 4. Mai 2020 auf Platz 12 steht. Die Welt war noch eine völlig andere, als die Single Anfang November 2019 veröffentlicht wurde. Umso treffender sind Titel und Inhalt des Liedes knapp 6 Monate später, sodass Carrie Underwood nicht lange überlegen musste, als es Anfang April darum ging, einen Song auszuwählen, den sie bei der Quarantäne-Show "ACM: Our Country" präsentieren konnte.

In der vollständigen Albumversion ist der Song modern und facettenreich produziert, oder wie es Billboard Magazine umschreibt: im Grunde ein Country Text, eingehüllt in einen R&B Groove mit einer kurzen Arena-Rock Bridge.

Inhaltlich will der Text keinen One-Night-Stand anbahnen, wie Carrie Underwood bereits in der ersten Strophe klarstellt. "Ich wollte nicht, dass es eine 'Lass uns genug trinken und dann zusammen nach Hause gehen' - Geschichte ist", betont sie gegenüber Billboard. "Denn das würde ich auch nicht tun. Wenn es um eine solche Sitauation ginge, dann wäre der Text nicht in der ersten Person geschrieben, sondern in der dritten, um klarzumachen, dass es sich dabei um jemanden anderen handelt."


Intention des Textes ist es vielmehr, in einer Situation von Schmerz und Einsamkeit auf jemanden zu treffen, dem es ebenso geht, dabei aber von Anfang an die Spielregeln klar zu definieren. Das beliebte Wortspiel so vieler guter Country Songs findet sich hier im drinking alone - gemeinsam mit jemandem anderen!

So bleibt dann auch noch Zeit für das Einflechten kleiner Details am Rande. Wie etwa dem Reposado im Text, einem länger als normal gereiften Tequila, den Brett James im Songwriting-Prozess beisteuerte:
Ich weiß, was zu tun ist.
Es beginnt mit einer Flasche guten Reposado
und endet bei einem Schnaps oder zwei,
morgen wenn die Sonne wieder aufgeht.

So ist 'Drinking Alone' im Grunde die moderne Fortführung eines alten Country-Themas, das zufällig auch noch irgendwie in die moderne neue Welt passt: nämlich seinen Herzschmerz mit Alkohol zu betäuben. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass es diesmal eben eine Frau ist, die sich der Enttäuschung hingibt. Und das macht sie dann auch noch gemeinsam mit einem männlichen Leidensgefährten. Aber ohne sich dabei wirklich näher kommen zu wollen. Jedenfalls in der clean (oder Social Distancing) Version der Geschichte.

Um es mit den Worten von Carrie Underwood zu sagen: "Wir sind einfach [zusammen] da. Das bedeutet nichts, lass uns einfach da sein, alles rundherum vergessen und in diesem Moment ein wenig Spaß haben. Und danach - schwamm drüber, das war's."