Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Als wir (zusammen) waren

"Wenigstens ist da ein bisschen Süßes in dem Bitteren,
obwohl ein Teil von mir sie immer vermissen wird,
bin ich wer ich bin, es fehlt mir nur der,
der ich war, als wir (zusammen) waren."
(We Were / Jeff Hyde, Ryan Tyndell, Eric Church)

2001 erhielt Keith Urban den Newcomer Award des Jahres, sowohl von der Academy of Country Music (ACM), als auch der Country Music Association (CMA). 18 Jahre später ist er der regierende Entertainer of the Year für beide Organisationen. Es ist der ultimative Preis, für den ein Künstler nicht nur Anerkennung und Erfolg für sein musikalisches Werk vorweisen muss, sondern darüber hinaus auch für seine Live-Auftritte, sein öffentliches Auftreten, seine Führungs- und Vorbildfunktion, aber auch seine Einstellung zu dem was er tut und wie er sich damit präsentiert.

So manch kritische Stimme verurteilte den Zeitpunkt der Auszeichnung, kommt sie doch just in dem Moment, als das aktuelle Album "Graffiti U" ein Pop-Album ist. Trotzdem sind sich alle einig, dass Keith Urban nicht nur zu den talentiertesten Musikern und den großartigsten Live-Künstlern der heutigen Musikszene überhaupt gehört, sondern dass er auch einer der aufmerksamsten, authentischsten und sympathischsten Stars ist, die es heute da draußen gibt.

Jemand, der sich nicht zu gut ist, anderen, weniger bekannten Künstlern über Twitter zu ihren Neuerscheinungen zu gratulieren oder über das Internet Song-Requests von Fans entgegen zu nehmen. Nur wenige Stars seines Kalibers sind so sehr Mensch geblieben, ohne ihren Humor und Optimismus zu verlieren, wie das Interview von Dan Chappell (genannt Lunchbox, aus der Bobby Bones Show) belegt, in dem am Ende Keith Urban den Moderator gar zum Interviewten macht. Wer kann sich da ein Schmunzeln nicht verkneifen?



Das Country Radio Seminar (CRS) ist eine alljährliche, 3-tägige Veranstaltung der Country Music Industrie, die es sich zum Ziel gemacht hat, neueste Entwicklungen zu diskutieren, Networking zu betreiben, Marketing-Trends zu analysieren, aber auch Künstler musikalisch oder in Diskussionsrunden zu präsentieren. Seit langem findet sie zu Beginn des Jahres in Nashville statt und war in der Vergangenheit nicht selten auch berüchtigt für ihre Parties hinter den Kulissen.

Bei der heurigen Veranstaltung richtete die Universal Music Group am 14. Februar 2019 das Mittagsprogramm aus und präsentierte dort ihren Vorzeige-Künstler Keith Urban. Dieser war zu dem Zeitpunkt gerade im Rahmen seiner Graffiti U World Tour aus Australien zurückgekehrt und kurz vor dem Sprung nach Europa. Und zur Überraschung aller Anwesenden nutzte er den Moment, um -ausgerüstet lediglich mit einer akustischen Gitarre- einen brandneuen Song vorzustellen.

Dieser Song war allerdings selbst für ihn noch so neu, dass der Text noch nicht so ganz 100%ig saß. Mit Charme und Humor gelang es ihm jedoch, die Situation zu retten und niemand war ihm böse. Vielmehr bewies es, dass auch ein Entertainer of the Year nur allzu menschlich ist, aber gleichzeitig auch professionell genug, um eine solche Situation in Wohlgefallen auflösen zu können.



Das Lied, das Keith Urban angespielt hatte, trug den Titel 'We Were' und wurde genau 3 Monate später, am 14. Mai 2019, als neue, offizielle Single veröffentlicht. Sie schließt damit wohl das Kapitel "Graffiti U", dessen letzte Single, der Dance Track 'Never Comin' Down' erstaunlicherweise sogar Platz 18 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts erreicht hatte, aber gleichzeitig die Grenzen aufzeigte, wie weit Country Radio bereit war, mitzugehen.

Was also kommt nach "Graffiti U"? Wenn der neue Titel eine Andeutung dafür ist, wohin es gehen soll, dann ist es jedenfalls eine Rückkehr zu Musik, die den Text wieder mehr in den Mittelpunkt stellt, anstatt den Beat. In einem Presse-Statement sagte Keith Urban: "Als ich das Lied zum ersten Mal hört, da hörte ich es nicht nur, sondern ich sah es buchstäblich. Es löste in mir Gefühle aus, weil die Bilder, die es beschreibt, so intensiv sind - der Stempel auf dem Handrücken, die Cover Band am Samstagabend, der Freund oder die Freundin, mit denen wir unterwegs waren und der falsche Ausweis. So Vieles, zu dem wir alle irgendwann einen Bezug hatten!"

'We Were' ist ein Midtempo-Song, der den Sturm und Drang des Herzens beschreibt, als die Sterne zum Greifen nahe schienen. Momente und Schlaglichter, geprägt durch Glück und unbescherte Leidenschaft, von denen am Ende im Blick zurück nur die Erinnerung geblieben ist. Ein beliebtes Thema, das auch Keith Urban wiederholt aufgreift, hat doch bereits sein Hit 'Wasted Time' auf sorglose Jugendzeiten zurückgeblickt. Ein ewiges Thema, das genug Anknüpfungspunkte für eigene Erlebnisse mit sich bringt.

"Wir waren Lederjacken, die auf einer Harley hingen,
zwei Herzschläge im Mondlicht.
Wir waren Beine, die über den Rand baumelten
beim Blick auf die Skyline mit ihrem Wasserturm.
Wir hätten es schaffen können, nicht wahr Baby?
Ich hatte alles schon geplant.
Wir waren unterwegs, Samstag nacht, 
bis zur letzten Nummer, die die Cover Band spielte.
Hätte nie gedacht, dass wir verblassen werden,
wie der Stempelabdruck auf ihrem Handrücken."
(We Were / Jeff Hyde, Ryan Tyndell, Eric Church)

Es sind Kleinigkeiten, wie der Wasserturm, der zum Ortsbild jeder amerikanischen Kleinstadt gehört und damit klarstellt, dass die Skyline nicht die einer großen, glitzerenden Stadt, sondern nur die eines kleinen Ortes ist, in dem das Wasserreservoir das höchste Gebäude ist. Oder das Verblassen des Stempels, den man beim Eintritt in ein Lokal auf den Handrücken bekommt und der den Zutritt nur solange ermöglicht, solange er noch sichtbar ist. Er wird zum Symbol für die Beziehung, zu der es letztendlich auch keinen Weg mehr zurück gibt.

Das Lied weist neben Jeff Hyde mit Eric Church einen sehr prominenten Songschreiber als Co-Autor aus. Etwas, das Keith Urban nach eigener Aussage erst nach Einspielen des Songs bekannt wurde. "Jemand, der Songs für mich findet, schickte mir den Song. Ich wusste nicht, dass [Eric Church] einer der Songschreiber war", bestätigte er im Gespräch mit Bobby Bones. "Als ich es erfuhr, rief ich Eric an und erzählte ihm, dass ich den Song aufgenommen hatte, ohne zu wissen, wer ihn geschrieben hatte. Darauf sagte er zu mir, das ist umso besser, denn es heisst, dass dir der Song wirklich gefällt!"

Nach dem gemeinsamen Nummer-1 Hit 'Raise 'Em Up' aus dem Jahr 2015 ist das nun also die zweite, wenn auch nicht ganz geplante Zusammenarbeit zwischen den beiden Künstlern. Und erneut ist es ein gelungenes Werk, das Keith Urban sogar ein wenig philosophisch werden lässt, wenn er sagt: "Ich kann der Idee etwas abgewinnen, wenn es heißt, dass das Leben einfach passiert. Und irgendwann, ob im selben Moment oder später, musst du dich darauf einlassen."

'We Were' liegt nach nur 6 Wochen bereits auf Platz 21 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts und damit schon fast dort, wohin es die letzte Single nach 25 Wochen nur mit Mühe geschafft hatte. Das spricht dafür, dass man Keith Urban nach wie vor mit offnen Armen aufnimmt und dieser Song wieder an seine Serie der Top-10 Hits anschließen könnte.



Nachsatz: Am 25. Juni 2019 veröffentlichte KeithUrban völlig überraschend ein Video zu dem Titel 'Drop Top' aus dem Album "Graffiti U". Für den Song hatte er die aufstrebende (und damals noch völlig unbekannte) Sängerin Kassi Ashton als Duett-Partnerin engagiert. "Sie ist so einzigartig. Ich weiß nicht, was genau ihre Einflüsse sind, aber sie klingen nach irgendwo zwischen Tammy Wynette und Beyonce", antwortete Keith Urban auf die Frage, was ihn auf die junge Sängerin aufmerksam gemacht hatte.

Und er ergänzt: "Ich schrieb 'Drop Top' mit Jimmy Robbins, Josh Osborne und MoZella. Ich hatte diese Idee für diesen ganz einfachen Groove - ich nahm eine Bassgitarre und spielte sie über den Beat. MoZella hatte die Idee zu der Gruppe von Mädels, die in einem Cabrio-Jeep auf das Coachella Festival fahren, was dem Lied ein herrliches Sommergefühl gab. Daraus ist der Song entstanden."

Der Titel wurde anlässlich seines Auftritts in England im April 2019 als offizielle Single für England veröffentlicht, hat aber bis dato keinen großen Eindruck hinterlassen. Möglicherweise ist das der Versuch, die Single nocheinmal zu pushen. Denn eigentlich hat sie alles, was einen Sommerhit ausmacht: ein eingängiger, ins Ohr gehender Refrain und ein ansteckender Beat. Alles was nötig ist, um auch hierzulande daraus einen Radio Pop-Hit zu machen.

Die Aufnahmen des Videos stammen aus der eben absolvierten Graffiti U World Tour und Rolling Stone Country fasst es sehr treffend mit den Worten zusammen: "Das Video passt zur Bewegungsenergie des Songs - ein rastloser, pulsierender New Wave zur Geschichte über eine Frau, die ihre Vergangenheit hinter sich lässt und mit Federn im Haar zu Coachella fährt." Denn sie liebt es einfach, in ihrem Cabrio mit offenem Verdeck zu fahren ...

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