2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Stadtrand

"In den tiefen, düsteren Tälern von Ost-Kentucky,
dorthin hat mich mein Stammbaum geführt.
Und dort habe ich es auf einem Grabstein gelesen:
Du wirst Harlan niemals lebend verlassen."
(You'll Never Leave Harlan Alive / Darrell Scott)

Am 8. September 2017 kam Troy Gentry im Alter von nur 50 Jahren bei einem tragischen Hubschrauber Absturz ums Leben. Damit endete auch die offizielle Karriere von Montgomery Gentry, dem Country-Rock Duo, dessen vorwiegende Lead-Stimme Troy Gentry war. Nach Überwindung von Schock und Trauer, entschloss sich sein Partner Eddie Montgomery, mit der Band wieder auf Tour zu gehen und weiterhin die Songs zu präsentieren, mit der die beiden unzählige Fans gewonnen hatten.

Etwas überraschend gibt es nun mit 14. Juni 2019 wieder neue Musik vom Original-Duo. Unter dem Titel "Outskirts" veröffentlichte Average Joes Entertainment eine EP mit 7 Songs, die alle kurz vor dem Tod von Troy Gentry für das posthum veröffentlichte Album "Here's To You" aufgenommen worden waren, aber letztendlich aus der finalen Titelauswahl rausgefallen waren. Lediglich der Song 'King of the World' war bereits auf "Here's To You" enthalten. Allerdings konnte für eine neu-adaptierte Version des Songs der legendäre Rock-Gitarrist Steve Vai gewonnen werden und so kann man auch diesen Song als neu durchgehen lassen.

"Ich hatte von Montgomery Gentry gehört und wie schwer es für Eddie Montgomery war, als er seinen Partner und Freund bei dem Helikopter-Absturz verloren hatte", erklärte Steve Vai in einem Interview mit dem Magazine Guitar Player. "Ich fühlte mich geehrt, als Eddie mich bat, auf dem Track zu spielen. Auch wenn meine Spielart nicht die konventionelle Country Spielart ist, war das Lied so authentisch für mich, dass ich Spaß daran hatte, mein Gitarrenspiel beizusteuern. Im Grunde bin ich auch nur ein einfacher Mensch, der sich nach einem Leben sehnt, wie es in 'King of the Hill' beschrieben ist."


Im Interview mit PopCulture.com" erzählte Eddie Montgomery wehmütig: "Es waren die letzten Songs, die T und ich gemeinsam aufgenommen hatten. Und ganz ehrlich, wir wussten nicht so recht, was wir damit machen sollten. Denn nachdem wir die Songs für die CD fertig hatten, waren da noch ein paar zusätzliche Songs, die wir aufnehmen wollten. Das haben wir dann auch getan. Und weil T ein großer Fan von Patty Loveless war, wollte er unter anderem unbedingt 'You'll Never Leave Harlan Alive' aufnehmen."

Dieser Song wurde vom Singer-Songwriter Darrell Scott bereits 1997 geschrieben und fand einen Fixplatz im Abspann zur Krimiserie "Justified" (2010 - 2015). Sowohl die Serie als auch das Lied spielen im Bezirk Harlan im östlichen Kentucky und Darrell Scott zeichnet mit seinem Song ein besonders düsteres Bild von der Gegend. In deren tiefen Tälern geht die Sonne erst um 10 Uhr morgens auf und verschwindet schon um 3 Uhr nachmittags. Arbeit findet sich lediglich in den Kohleminen und jeder sehnt sich nach einer Zukunft abseits von Harlan. Aber kaum jemandem scheint es zu gelingen, der Hoffnungslosigkeit oder den körperlichen Strapazen der Minen zu entkommen.

Aber die Zeiten wurden schwer und Tabak verkaufte sich nicht mehr,
Großvater wusste, was er tun musste, um zu überleben.
So ging er nach Harlan, um nach Kohle zu graben,
und schickte das Geld nach Hause zu Großmutter,
aber er überlebte Harlan nicht mehr.

Dave Alvin, Brad Paisley und Patty Loveless hatten bereits Versionen des Songs veröffentlicht. Letztere nahm es für ihr Album "Mountain Soul" (2001), auf dem sie Bluegrass mit Old-Time Klängen aus den Appalachen mischte. Montgomery Gentry machen eine modernere Version daraus, ohne auf die Wurzeln des Songs zu vergessen. Gebannt lauscht man der Stimme von Troy Gentry, während die hintergründige Bluegrass-Melodie, vergeblich versucht, über die düsteren Episoden aus Harlan hinweg zu täuschen.

Eigentlich fühlen sich Montgomery Gentry ja mit dem Thema des Songs sehr verbunden, geht es doch auch darin um die Träume und Sorgen, die Freuden und Ängste der Arbeiterschicht. Trotzdem überrascht die Songauswahl. Denn kaum findet sich ein Song in ihrem Reportoire, der so ernüchternd ist. Nicht ganz unschwer zu erkennen, dass hier ein außenstehender Songschreiber am Werk war.

Und genau dieser Darrell Scott steuert dann auch noch einen zweiten Song bei, der nicht minder Eindruck macht. 'Take Me River' ist auf seinem Album "Theatre of the Unheard" (2003) erschienen. Darin erzählt er von Unwettern und Arbeitslosigkeit und macht den Fluss zum Auslöser von Ängsten und Träumen, wenn es da heißt:

Wenn ich ein Boot hätte, was würde ich wohl tun?
Ich würde mit meiner Familie hinunter nach Baton Rouge fahren.
Ich würde in keiner Fabrik arbeiten, sondern vom Land leben
und davon was meine beiden Hände schaffen
und Samstag abends zu einer Zydeco Band tanzen.

Fluss nimm mich, nimm mich mit
weit fort von all den Problemen.

Der Fluss, der fließt und ein junger Mann träumt,
und er lässt dich darin ertrinken
oder er kann dich reinwaschen.
Er kann dich fortführen, an einen anderen Ort,
er kann für deine Städte Strom liefern,
deinen Abfall befördern
und allem was du trinkst, einen seltsamen Geschmack geben.

Aber nicht alles auf der außergewöhnlichen EP ist so tiefgehend. Denn da sind auch klassische Montgomery Gentry Songs, in denen es um leichtere Themen der Arbeiterschicht geht. So wie in 'Joe Six Pack', das von Travis Denning, Jesse Frasure und Jeremy Stover geschrieben wurde und auf dem das Duo in rockig guter Laune darüber singen, dass man zum Spaßhaben weder Weingläser, noch rote Samtschleifen braucht. Das selbst mitgebrachte Six-Pack tut es auch!

In ähnliche Kerben schlagen 'Never Been Nothing Else' und der Titelsong, die mit ins Ohr gehenden Refrains und stampfenden Gitarren dazu stehen, wer die Menschen der Arbeiterschicht sind und woher sie kommen. An beiden Songs war Dallas Davidson als Songschreiber beteiligt, der bereits seit Jahren in Nashville für unzählige Hitsongs verantwortlich zeichnet.



Und dann ist da noch eine Cover-Version von 'What Am I Gonna Do With the Rest of My Life'. Ein Song, den der legendäre Merle Haggard geschrieben und auf seinem Album "That's the Way Love Goes" (1983) veröffentlicht hatte. Er erreichte mit dem Song Platz 3 in den Billboard Hot Country Song Charts. Wie schon am Titel unschwer zu erkennen, geht es darin um die fehlende Hoffnung nach dem Verlust einer Beziehung. Für heute abend reicht der Alkohol gerade noch, aber was dann?

Es fällt ebenso nicht schwer, den Song als einen weiteren Abschied von Eddie Montgomery an seinen Partner Troy Gentry zu verstehen. Ganz besonders, da Eddie Montgomery auf dem Titel die Leadstimme übernimmt und der Song möglicherweise überhaupt erst später aufgenommen wurde. Im Interview mit PopCulture.com deutet er jedenfalls an, dass da möglicherweise noch ein paar weitere Montgomery Gentry Songs für spätere Veröffentlichungen im Archiv schlummern. Wenn sie von so hoher Qualität sind, wie die auf der neuen EP "Outskirts", dann ist die Vorfreude darauf jedenfalls schon jetzt sehr groß!

Und bis dahin darf man Eddie Montgomery nur Recht geben, wenn er sagt: "Für mich ist Musik das beste Heilmittel überhaupt. Ich wünschte, alle Politiker dieser Welt, würden mal still sein, sich hinsetzen und einfach nur Musik hören."

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