Tagebuch einer Songschreiberin

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"Sei aufgeschlossen und höre es an einem ruhigen Ort. Lass dich mitnehmen. Höre es von Anfang bis zum Ende. Ich hoffe, du lernst ein bisschen über mich oder vielleicht auch über dich. Wir alle versuchen das [Leben] zu verstehen oder brauchen auch mal eine Pause davon. Lasst mich euch dabei helfen." (Lanie Gardner / sweetyhigh.com, 25. Oktober 2024)

Magnolia

"Eines Tages ging ich [auf die Bühne] hinaus und fühlte mich wie eine verdammte Marionette. Ich rief meinen Manager an und sagte: Holt euch all diese verdammten Maschinen und diese ganzen Bildschirme. Ich will das alles nicht mehr. Ich sagte zu ihm: Siehst du diesen LKW? Ihr ladet jetzt diesen ganzen Scheiß auf diesen LKW und bringt es dorthin zurück, wo ihr es her habt!"
(Randy Houser / Rolling Stone Country, 22. Jänner 2019)

Abhängig von den Messkriterien wird der Mississippi nach dem Amazonas, dem Nil und dem Yangtse mit seiner Länge von rund 6.000 km im allgemeinen als das viert-größte Flusssystem der Welt angesehen. Er durchzieht fast die gesamte Länge der Vereinigten Staaten von Norden nach Süden, ehe er in einem riesigen Delta bei New Orleans in den Golf von Mexiko mündet. Der Mississippi wird nicht nur als Herz und Seele Amerikas bezeichnet, sondern hat auch einem US-Bundesstaat seinen Namen gegeben, dessen Westgrenze er bildet.

Mit rund 3 Mio. Einwohnern und einer Fläche 1 1/2 mal so groß wie Österreich (125.000 km²), gilt  der waldreiche Bundesstaat Mississippi jedoch bei einem durchschnittlichen pro-Kopf Einkommen von rund 21.000 Dollar im Jahr als das Schlusslicht auf der Liste der ärmsten US-Bundesstaaten. Fast 40% seiner Bevölkerung ist schwarz, was in der Vergangenheit wiederholt zu Problemen rund um Rassen-Integrationsthemen geführt hat.

War der Bundesstaat Mississippi früher für seine Baumwollproduktion bekannt (größer Produzent in den USA vor dem Bürgerkrieg 1861-65), so ist heute nicht viel mehr geblieben, als die Geburtsstätte von Elvis Presley und den legendären Ur-Vätern des Delta Blues, wie Robert Johnson, Muddy Waters, John Lee Hooker und B.B. King. Sie haben einen Musikstil in die Welt hinausgetragen, der nicht nur von schwarzen Musikern geprägt wurde, sondern auch ein wenig die Kultur des Deltas vermittelt.

Auch Randy Houser wurde im Bundesstaat Mississippi geboren. Er wuchs dort in einer 500-Seelen Gemeinde auf und besuchte das Community College in Decatur, Mississippi. Erst mit 27 Jahren kehrte er seiner Heimat den Rücken und ging nach Nashville. Und obwohl er mit Country Music Karriere machen wollte, war der Delta Blues auch ein unbewusster Teil seiner DNA geworden. Selbst wenn es bis zu seinem zweiten Album ("They Call Me Cadillac", 2010) dauerte, dass dieser etwas zum Vorschein kam. Aber 'Somewhere South of Memphis' ist eine unmissverständliche Referenz an seine Delta-Heimat im Süden.



Zu diesem Sound kehrt Randy Houser mit seinem neuesten Album wieder zurück, dessen Titel "Magnolia" für die offizielle Blume des Bundesstaates Mississippi steht. Eine Zeit lang schien die Zukunft des Albums unklar, nachdem der ursprüngliche Veröffentlichungstermin im November 2018 auf Jänner 2019 verschoben worden war. Die erste Single 'What Whiskey Does' tat sich schwer in den Charts und das war aus kommerzieller Sicht kein gutes Zeichen für das kommende Album.

Eine Befürchtung, die auch Randy Houser gegenüber Billboard Magazine geäußert hatte: "Ich hatte angefangen, das Album aus meiner eigenen Taschen zu bezahlen, weil ich ganz ehrlich befürchtete, dass sie mich rausschmeißen würden, wenn sie hörten, was ich machen wollte." Aber zumindest in dieser Phase stand Stoney Creek Records (ein kleineres oder sogenanntes Independent Label) ganz hinter ihm.

"Als sie die Leidenschaft sahen, mit der ich daran arbeitete, waren sie bereit, mir ein kleines Budget zur Verfügung zu stellen, um zu sehen, was ich damit zustande bringen würde. Als ich ihnen das Ergebnis vorspielte, sagten sie: ok, mach das Album fertig! So hatte ich ihre Unterstützung."

Als das Album dann doch am 11. Jänner 2019 veröffentlicht wurde, war auch die Single doch noch, nach über 30 Wochen, in den Top-40 der Radio (Billboard Country Airplay) Charts angekommen. Randy Houser schlägt mit diesem Album ein neues Kapitel in seiner Karriere auf und in vielerlei Hinsicht ist es ein Neustart, der ihn zurück an den Anfang bringt. Er erklärt damit das Kapitel in seiner bisherigen Karriere als beendet, das vor Selbstbewusstsein strotzend und -wie Rolling Stone Country es ausdrückte- von titanischem Schlagzeug und hämmernden Gitarren geprägt war, als wollte er es der Shania Twain aus 1997 gleichtun.


12 Titel beinhaltet das Album und allen Beteiligten blieb nicht viel über, als am Erscheinungstag die Luft anzuhalten und abzuwarten. Aber es wurde nicht zum Fiasko, niemand brachte die musikalische Welt von Randy Houser zum Einsturz. Im Gegenteil! Von allen Seiten gab es nur positive Kritiken und Bewertungen, und nicht nicht wenige postulierten bereits nach nur so wenigen Tagen im neuen Jahr das Album zu einem heißen Kandidaten für ein Album des Jahres!

So sehr, wie seine letzten beiden Alben geschaffen schienen für Stadien, in denen sie jedoch nie gespielt wurden, so sehr ist "Magnolia" ein Understatement. Das Schlagzeug ist gedämpft, die Gitarren sind entzerrt und die kraftvolle Stimme von Randy Houser bekommt Luft zum Atmen. Und der Raum dazwischen wird gefüllt mit dichten Emotionen.

Zu theboot.com fasste er das Projekt wie folgt zusammen: "Ich hoffe, die Leute entdecken das Album und bekommen ein Verständnis davon, woher ich komme. Und vorallem, dass sie verstehen, dass ich damit kein Pop-Country Album mache. Aber auch kein traditionelles Country Album. Ich mache einfach ein Randy Houser Album."

Und so sehr wie "Magnolia" in der Tat ein Randy Houser Projekt ist, weil er bei allen 12 Songs als Autor beteiligt war, so sehr ist es auch ein Gemeinschaftsprojekt. "Ich habe an all die Freunde und Menschen gedacht, die ich schon jahrelang kenne, deren Arbeit ich bewundere. Und besonders all die Leute, die Teil dieses Projektes wurden, es ist schwer zu beschreiben." Jaren Johnston von The Cadillac Three, John Osborne von den Brothers Osborne, James Otto, Jeffrey Steele und Travis Meadows haben alle mit ihm an den Songs für das Album geschrieben.

Und neben Hillary Lindsey auf der ersten Single, unterstützt ihn mit Lucie Silvas, eine weitere Singer-Songwriterin bei dem Titel 'Our Hearts'. Einem Song, der irgendwie zu so etwas wie dem Auslöser für das Album wurde. "Mein Ziel war es, gute Songs [wie diesen] zu schreiben und das für mich bestmögliche Album zu machen. Ob jemand damit etwas anfangen kann, das muss er selbst entscheiden." Im Zentrum steht der Künstler und nicht der Versuch, sich dem Geschmack des Publikums anzudienen. Übrigens war 'Our Hearts' ursprünglich nicht als Duett gedacht, aber "es hat sich mit einer weiblichen Stimme einfach viel besser angefühlt", betont Randy Houser.

Als offizieller Grund für die Verschiebung des Veröffentlichungstermins wurde das notwendige Timing für eine Überraschung genannt, die nicht rechtzeitig fertig geworden war. Diese Überraschung hat sich nun als ein begleitender Film zum Album herausgestellt. Die Handlung des Films dreht sich um die intensive Beziehung zwischen Ana und Noah, vor dem Hintergrund einer kleinen Küstenstadt in Mississippi.

Randy Houser spielt einen Sänger/Barkeeper in der lokalen Roadhouse Bar und die Songs seines neuen Albums werden so zum Soundtrack des gleichnamigen Films "Magnolia". "Das große Thema des Albums dreht sich darum, von etwas wegzulaufen oder etwas zu suchen", erklärt der Sänger. "Als ich das Album machte, wurde mir klar, dass es mehr als nur ein Album braucht, das aufzuarbeiten. Denn zu oft wissen wir gar nicht, wovor wir davon laufen oder was wir suchen. Deshalb gibt es den Film. Ein Film über die Suche nach der eigenen Bestimmung."



'No Stone Unturned', möglicherweise die nächste Single, symbolisiert das Projekt vielleicht besser, als jeder andere Song auf dem Album. Nicht nur ist es das erste Lied darauf, sondern bereits die erste Strophe fasst zusammen, worum es geht. "Ich glaube, es ist der Song, der im Moment am besten mein Leben beschreibt. Es geht um Selbsterkenntnis und das Leben von jemandem, der immer unterwegs ist. Und ich war immer jemand auf der Suche, es hat mich nirgendwo lange gehalten. Dieses Lied setzt das Thema des Albums, denn es blickt nach innen", hält Randy Houser im Interview mit Billboard Magazine fest.
Ich schaffte es bis Nashville, spielte meine Rolle.
Dann traf mich eine Gitarre mitten in mein Herz.
Ich folgte einem Mädchen bis nach New Orleans,
wo sie mich auf der Bourbon Street entflammte.
Niemand weiß, wo ich sein werde,
ich werde überall meinen Spaß haben,
auf der Suche nach mir selbst.
Jeder Stein wird umgedreht, so mühsam es auch sein mag.
(No Stone Unturned / Randy Houser, Dallas Davidson)



Auch 'Running Man' arbeitet mit der Rastlosigkeit und Suche nach einem Ziel: " ... du weißt doch nicht einmal, wohin du gehst, und das einzige, das du weißt, ist, dass du keine Ahnung hattest und noch immer nicht mehr weißt".

Das neuesteVideo zum hypnotischen 'New Buzz' hingegen verarbeitet Szenen aus dem Film und lässt wenig Zweifel darüber, worum es im Song geht. Um das andere Ende des emotionalen Spektrums geht es in 'No Good Place To Cry'. Einsamkeit und Verzweiflung sickert aus jeder Pore dieses im Blues getränkten und so treffend sparsam arrangierten Liedes, wenn Randy Houser seine Emotionen hinausschreit. Geschrieben gemeinsam mit Gary Nicholson geht es eigentlich um eine verlorene Liebe, aber wie das Video zeigt, lässt es auch andere Interpretationen über Schmerz und Verlust zu.

Ich will dir meine Geschichte nicht erzählen,
es ist immer wieder der gleiche alte Blues,
ich kann es nicht mehr ertragen.
Ich brauche jetzt einen guten Ort, um alleine zu sein,
auch wenn es keine guten Ort gibt, um zu weinen.



Das Album endet mit einer Reise nach New Orleans und der Geschichte über 'Evangeline', einen Song, den Randy Houser gemeinsam mit Songwriter (und Interpreten) James Otto geschrieben hatte. Auf seiner Facebook-Seite sagt er darüber: "Meine Freunde und ich hatten damals oft die Schule geschwänzt und waren nach New Orleans gefahren. Wir hatten großartige Erlebnisse im French Quarter - Nächte, die ich nie vergessen werde - wenn ich mich nur daran erinnern könnte. All diese Momente waren Inspiration für diesen Song. Und all ihr Leute in New Orleans, verzeiht mir, wie ich 'New Orleans' und 'Evangeline' aussspreche, aber so taten wir es damals und das wollte ich beibehalten. Und ein großes Danke an meinen Kumpel James Otto, dass er mir geholfen hat, den Song fertigzustellen. Ich liebe den Song und hoffe, er gefällt euch auch."

Zum Film gibt es bisher immer noch nur einen Trailer. Und den Hinweis auf das Kommende. Aber am Ende geht es auch nicht so sehr um den Film selbst, sondern um das mutige Musikprojekt, das erst dazu geführt hat. Mit "Magnolia" hat Randy Houser ein großartiges Werk vorgelegt, das schon im ersten Augenblick Lob und Begeisterung von Medien- und Kritikerseite verbuchen konnte. Nun fehlt nur noch der kommerzielle Erfolg als goldenes Qualitätssiegel. In jedem Fall ist mit diesem Projekt ein zeitloses Werk entstanden, das der nächste Modetrend mit Sicherheit nicht einfach so hinwegzuschwemmen vermag.



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