Regenbogen

"Lange Zeit war es für mich ganz schwer, dieses Lied zu hören. Aber ich dachte mir, es würde so schön auf dieses Album passen. Es war eigentlich ein Lied mit einer Aufmunterung an mich selbst, aber dann wurde es ein Song für alle, die eine Last im Leben zu tragen haben. Es war das Lieblingslied meiner Großmutter und wir spielten es bei ihrer Beerdigung."
(Kacey Musgraves über den Song 'Rainbow' / tasteofcountry.com, Mai 2018)

Nun ist es also tatsächlich geschehen: der Hauptpreis bei den Grammy Awards 2019 vergangene Nacht für das Album des Jahres wurde an eine Country Künstlerin verliehen. Seit 1959 werden die Grammies verliehen, aber erst eine Handvoll Album of the Year Awards ging an Country Künstler bzw. Alben mit einem Country-Bezug. Nämlich:

• 1969 an Glen Campbell für das Album "By the Time I Get to Phoenix"
• 2002 an den Bluegrass-Soundtrack "O Brother, Where Art Thou?" zum Film mit  George Clooney
• 2007 an die Dixie Chicks für ihr bisher letztes Studio-Album "Taking the Long Way"
• 2010 Taylor Swift für "Fearless", eines ihrer bisher letzen Country Alben

Nun reiht sich also Kacey Musgraves mit ihrem Album "Golden Hour" in diese Liste ein. Für diejenigen, die mit ihrer Musik vertraut sind, war es keine ganz so große Überraschung, war ihr Album doch in fast allen Bestenlisten des Jahres 2018 vertreten, auch außerhalb des Country Genres. Auf der anderen Seite ist sie für die Mehrheit der Pop-Welt ein unbekannter Name. So sehr, dass selbst die Grammy-Veranstalter ihren Namen falsch geschrieben eingeblendet hatten (Kasey statt Kacey).

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— Mitchsofresh (@mitchsofresh) 11. Februar 2019

Größeren Wirbel sorgte ihr Gewinn bei Fans der anderen nominierten Künstler (Cardi B, Drake, Post Malone bzw. dem Black Panther - Soundtrack) die vorwiegend im Hip Hop und Pop Segment weltweite Bekanntheit besitzen. So hatte "Golden Hour" nur Platz 4 der Billboard 200 Pop-Album Charts erreicht. Ein schmaler Grat zwischen Qualität und Quantität (Popularität), den die Grammy Awards immer wieder (wenn auch nicht immer erfolgreich) zugunsten von Qualität zu gehen versucht haben. So waren Überraschungen schon fast zu einem Bestandteil der Preisverleihungen geworden.


Kacey Musgraves darf sich mit Sicherheit auf einen riesigen Verkaufseffekt für ihr Album freuen, weil das für alle Gewinner der schöne Nebeneffekt ist. Besonders, wenn sie einen Auftritt haben, der es den Zusehern ermöglicht, auch unbekanntere Künstler umfassender, als nur bei der Entgegennahme eines Preises erleben zu können. Auch Kacey Musgraves durfte gestern nacht mit 'Rainbow' den letzten Titel aus dem später preisgekrönten Album präsentieren. Ein ruhige Piano-Ballade mit der hoffnungsvollen Botschaft, dass nach dem Regen der Regenbogen folgt.

Ein ganz persönliches Lied, das sie bereits 6 Jahre vor der Veröffentlichung von "Golden Hour" für sich selbst geschrieben hatte und das sie beim Begräbnis ihrer Großmutter gesungen hatte. Für das Album holte sie dieses persönliche Juwel als bewegenden Schlusspunkt hervor und widmete es in einem Interview mit tasteofcountry nicht nur allen Menschen, die es gerade nicht leicht im Leben haben, sondern auch der Bevölkerungsgruppe der LGBTQ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, und Transgender, Queer).

Leider wurde dieses politisch durchaus wirksame Statement sofort aufgegriffen und so weit verbreitet, dass selbst oberflächliche Journalisten in Österreich zu wissen glauben, dass es in "Golden Hour" -neben LSD-Erfahrungen(?)- besonders darum geht. Dabei wage ich es zu behaupten, dass sie mit Sicherheit kein einziges Mal das Album zur Gänze gehört haben, geschweige denn die Texte dazu. Denn wie die Künstlerin bereits im März 2018 im Interview mit stereogum.com festgestellt hatte, war das Album entstanden, als sie sich in ihren (jetzigen) Ehemann, den Musiker und Songwriter Ruston Kelly verliebt hatte ...

Jedenfalls beschrieb Billboard Magazine ihren Auftritt bei den Grammy Awards 2019 mit den Worten: "Nur ein Mikrofon, ein Piano und eine regenbogenfarbige Beleuchtung war alles, was Kacey Musgraves für eine bewegendsten Auftritte des Abends brauchte. "Das war wundervoll", bemerkte Alicia Keys im Anschluss, und das ist eigentlich alles, was man sagen muss." 'Rainbow' geht nun als offizielle Single ans Country Radio, auch wenn es fraglich ist -so seltsm es klingt-, ob dieser unglaubliche Erfolg wirklich führt, dass Kacey Musgraves eine Chance im Radio erhält.

Es ist die 5. Single aus dem Album und keine der bisherigen 4 ist über Platz 30 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts hinausgekommen. Dabei hat sie mit diesem Album gleich 4 Grammies abgeräumt. Neben dem Besten Album, erhielt sie denn auch die Grammies für das Beste Country Album, sowie den Besten Country Song für 'Space Cowboy' und die Beste Country Solo Performance für 'Butterflies'. Ob das einen Unterschied machen wird?