Tagebuch einer Songschreiberin

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"Sei aufgeschlossen und höre es an einem ruhigen Ort. Lass dich mitnehmen. Höre es von Anfang bis zum Ende. Ich hoffe, du lernst ein bisschen über mich oder vielleicht auch über dich. Wir alle versuchen das [Leben] zu verstehen oder brauchen auch mal eine Pause davon. Lasst mich euch dabei helfen." (Lanie Gardner / sweetyhigh.com, 25. Oktober 2024)

Da ist nicht viel dabei

"Cody Johnson aus Texas hat einen neuen Rekord aufgestellt, indem er als erster Künstler ohne Major Label Vertrag das 70.000 - fassende NRG Stadion in Houson ausverkauft hat. Im Rahmen des Houston Rodeos ist Johnson und seine Band am Samstag der Headliner mit 74.177 verkauften Karten bei dem legendären Event."
(ampthemag.com, März 2018)

Mit seinen rund 700.000 km² und 28 Mio. Einwohnern ist Texas zwar nur die Nummer 2 im Ranking der US-Bundesstaaten (Alaska ist größer und Kalifornien hat mehr Einwohner), aber in vielerlei Hinsicht ist es eine eigene Welt. Besonders musikalisch. Nicht zuletzt da ist Texas so anders, dass Kenny Rogers bereits 1989 die außerirdischen Cowboys in seinem Hit auf die Frage, woher sie denn gekommen waren, mit 'Planet Texas' antworteten ließ.

Texas- oder Red Dirt-Music ist ein Schmelztigel aus Country, Rock, Folk und Singer-Songwriter Elementen, der sich bis Oklahoma hinaufzieht, aber auch Einflüsse aus Mexiko verarbeitet. Echte Musik auf echten Instrumenten gespielt. Manchmal scheint es, dass keine andere Stilrichtung in Texas überhaupt eine Rolle spielt. So vermag sich das Publikum ganz gezielt auf die lokale Musikszene konzentrieren, was dieser hilft, gut über die Runden kommen. So gut, dass sie offenabr gar nicht auf Publikum ausßerhalb ihres eigenen Universums angewiesen ist.

Konsequenterweise passiert es nicht oft, dass ein in Texas etablierter Künstler aufsteht und seinen Blick auf den Rest des Kontinents richtet, weil er seine Musik einem noch größeren Publikum nahebringen möchte. Noch seltener aber passiert es, dass eine der großen nationalen Plattenfirmen nach Texas kommen, weil sie nervös geworden sind, ihnen könnte hier ein Geschäft entgehen. Und doch war genau das im Sommer 2018 geschehen, nachdem Cody Johnson im Rahmen des Houston Rodeo für sein Stadion-Konzert über 70.000 Karten verkauft hatte.

Der 31-jährige Texaner wollte eigentlich professioneller Rodeo-Reiter werden. Eigene Meisterschaften mit hohen Preisgeldern gibt es für diejenigen, die es schaffen, sich möglichst lange nicht von einem ausgewachsenen Stier abwerfen zu lassen. Eine der gefährlichsten Sportarten, deren Wurzeln überraschenderweise in Mittel- und Südamerika zu finden sind. "Der Sport ist unheimlich hart für deinen Körper, aber auch eine gewaltige mentale Herausforderung. Es gibt wohl keinen professionellen Bullen-Reiter, der dir nicht sagt, dass er Angst hat", bestätigt Cody Johnson.

Nachdem er sich aber fast jeden Knochen im Leib gebrochen hatte, begann er sich mehr auf seine musikalische Karriere zu konzentrieren. Eine Leidenschaft, die er immer nebenher verfolgt hatte. Aber erst nach der eigenständigen Veröffentlichung seines dritten Albums war die Publikumsnachfrage so groß geworden, dass er beginnen konnte, sich ausschließlich auf die Musik zu konzentrieren. Mit der Auszeichnung für den Besten männlichen Newcomer in Texas folgte auch rasch die erste offizielle Anerkennung.

2014 erschien sein bereits fünftes Album ("Cowboy Like Me"). Es wurde zu seinem ersten Album, das auf Grund der guten Verkaufszahlen in Texas in der Billboard Top Country Albums Chart (Platz 7) auftauchte. 2016 erschien mit "Gotta Be Me" sein sechstes Album, das nun sogar bis auf Platz 2 in den Billboard Top Country Albums Chart und auf Platz 11 in den Billboard 200 Pop Album Charts gelangte.

Im Folgejahr 2017 folgte sein erster Auftritt beim Houston Rodeo Event, wo er in letzer Minute für Old Dominion eingesprungen war. Das kam so gut an, dass er 2018 als Headliner engagiert wurde und die großen Labels in Nashville auf den Plan rief. Das Interesse war plötzlich bei allen groß, es genau jetzt und genau mit diesem Texas Music Interpreten auf nationaler Ebene zu versuchen. Schließlich verlangte auch das traditionelle Fanlager länger schon nach einem neuen Helden.

Als John Esposito versprach, dass das Label Cody Johnson nicht verändern wolle, sondern ihm lediglich eine größere Plattform zur Verfügung stellen, machte Warner Bros. Nashville das Rennen. Denn Cody Johnson wusste eines mit Sicherheit: "Was meine Verleger, meine Masters, meine künstlerische Kontrolle und meine Tourneepläne betrifft, und wie wir unser Geschäft machen, da gibt es für mich keine Kompromisse." Ein mutiges Statement, dass sich nur jemand erlauben kann, der weniger auf ein Major Label angewiesen ist, als offenbar umgekehrt.

Am 18. Jänner 2019 ist nun das erste Major Label Studio-Album von Cody Johnson erschienen. Es ist sein 7. Album, trägt den Titel "Ain't Nothin' to It" und beinhaltet 15 Songs. Und zwar unter Zusicherung genau so, wie er sie auch ohne Warner Bros. Nashville aufgenommen hätte.
Also alles wie bisher?
Nicht ganz, denn ohne Major Label wäre der Texaner wohl zur Zeit nicht so sehr in aller Munde. Das Album ist auf Platz 1 in der Billboard Top Country Albums Chart und gar auf Platz 9 in den Billboard 200 eingestiegen.

Die erste Single aus dem Album ('On My Way to You') war bereits im Herbst veröffentlicht worden und hat in den Verkaufscharts der Billboard Hot Country Songs aktuell Platz 16 erreicht. In den Radio (Billboard Country Airplay) Charts ist die Single knapp vor den Top-20. Inhaltlich ist der Song ein wenig spektakuläres Liebeslied wie viele andere. Stilistisch ist es jedoch unverkennbar traditionell gehalten, mit Instrumentierung, wie man sie schon lange nicht mehr im Radio gehört hat.


Forbes beschreibt seine Musik stilistisch als von den 90er Jahren beeinflusst und inhaltlich eine Reflexion persönlicher Erfahrungen und Gefühle. In der Tat stehen die Instrumente im Zentrum, die es auch Nichtkennern problemlos erlauben, das zugehörige Genre zweifelsfrei zu identifizieren. Sie bilden das Fundament für Melodien und Geschichten über Gefühle und Stimmungen, die keinem so wirklich fremd sind. Eine der Stärken, die Country Music immer ausgezeichnet hat.

Obwohl Cody Johnson seine Lieder meist selbst schreibt, finden sich auf diesem Album nur 2 von ihm geschriebene Titel. Da ist der persönliche Schlussstrich unter dem Kapitel Rodeo mit 'Dear Rodeo': "... am Ende überwiegen zwar die Höhen und ich würde es genauso wieder machen, auch wenn wir beide wissen, am Ende muss ich dich doch gehen lassen." Und dann ist der sehr christlich angehauchte Lobgesang auf Jesus, der das Album in einer Live-Version beschließt. Wie fast überall in den USA ist das auch in Texas ein (viel zu) Ernst genommenes Thema.

Von unter anderem den Warren Brothers geschrieben ist der Song 'Monday Morning Merle', ein Lied über eine unglückliche Liebe, die sich nicht vergessen lässt. Auch wenn jeder Wochentag einem anderen Musiker gewidmet ist, das einsame Wochenende bringt dann doch wieder die Stimmung eines 'Sunday Morning Coming Down' von Kris Kristofferson. Und das führt wiederum zu einem Wochenstart mit 'Misery and Gin' von Merle Haggard. Ein Name, der im Traditionslager fast immer Begeisterung auslöst.



Die Fangemeinde von Cody Johnson nennt sich stolz CoJo-Nation - und auch ihr ist mit 'Y'all People' ein Fiddle-getriebener Song gewidmet. Casey Beathard hat den bissigen Song 'Doubt Me Now' geschrieben. Ein Lied, das eigentlich gar nicht so recht zur Situation von Cody Johnson passen will: "Leute wir ihr haben nichts besseres zu tun, als Steine zu werfen, gegen alles was glänzt. Ihr solltet lieber eure eigenen Träume verfolgen, als meine zu zerstören."

3 Cover-Versionen liefert er auf dem Album. Da ist das ebenfalls nicht wirklich passende 'Long Haired Country Boy' von Charlie Daniels, der großartige Klassiker 'Husbands and Wifes' von Roger Miller (den man allerdings in besseren Versionen von Brooks & Dunn und Willie Nelson kennt) in einer Live-Version und 'Noise', das Radney Foster geschrieben und die Band Shenandoah in den 1990er Jahren aufgenommen hatte.

Textlich eines der großen Highlights, weil es klassisches Geschichtenerzählen für das Leben aufgreift, ist der Titelsong über die Ratschläge eines Vaters an seinen Sohn:
"Versuch das Rauchen aufzugeben, schränk das Trinken ein.
Erzähl ihr nicht immer, was du denkst
und tanz mit ihr, wenn sie es braucht.
Steh auf und geh zur Arbeit,
steh auf und geh zur Kirche.
Dreh dich im Bett zu ihr und hör ihr zu,
anstatt immer alles besser zu wissen.
Dann klopfte er ihm auf die Schulter und sagte:
Sohn, du schaffst das, da ist nicht viel dabei."
(Ain't Nothin' to It / David Lee, Leslie Satcher)

Das neue Album von Cody Johnson könnte ein Scheidepunkt in der kommenden Entwicklung von Country Music sein. Es könnte das Pendel wieder ganz stark in Richtung traditionelle Klänge schwingen lassen. Beweisen muss es sich letztendlich nicht so sehr über die Album-Verkaufszahlen, sondern darüber, ob die Singles daraus auch zu Hits werden. Wenn das gelingt, könnte die Trendwende passieren. Oder jedenfalls der traditionelle Zweig des Genres wieder gestärkt werden.

Wer sich nach der traditionelleren Seite von Country zurücksehnt, weil er die modernen Entwicklungen nicht mehr nachvollziehen kann, der wird sich bei "Ain't Nothin' to It" wie zu Hause fühlen. Aber auch jeder andere, der sich etwas Zeit nimmt -und das sollte er schon tun- wird auf gelungene Melodien und Geschichten stoßen, die ihn überraschen könnten.

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