Reboot II

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"Das spannende war, dass es uns nicht darum ging, die ursprünglichen Aufnahmen oder Arrangements, oder unsere eigenen Visionen umzusetzen. Wir gaben ihnen die Freiheit, unsere Songs mit ihren eigenen künstlerischen Visionen aufzunehmen." (Ronnie Dunn [Brooks & Dunn] / billboard.com, 16. September 2024)

Tenille Townes

"Ich hatte auf ein weißes Pferd gewartet,
mit dem ich in den Sonnenuntergang reiten würde.
Aber du kamst auf einem schwarzen Ross,
gerade noch vor Mitternacht.
Vielleicht nicht so wie ich es erträumt hatte,
aber du kamst und hast meine Liebe gewonnen,
und jetzt bin ich auf dem richtigen Weg.
Wer braucht schon ein weißes Pferd?"
(White Horse / Tenille Townes, Jeremy Spillman, Daniel Tashian)

In den großen Prärien des kanadischen Bundesstaates Alberta befindet sich der kleine Ort Grande Prairie. Seine rund 60.000 Einwohnern leben und arbeiten auf Farmen, Ranches und in der Ölindustrie. Unweit davon befinden sich die Sommernistplätze der Schwäne weshalb der Schwan auch als das offizielle Symbol des kleinen Ortes gilt.

Will man von Grand Prairie mit dem Auto nach Nashville, dann ist man ganze 45 Stunden unterwegs. So lange jedenfalls benötigte Tenille Townes mit ihrem Toyota Tacoma, als sie 2013 im Alter von 19 Jahren genau das machte. "Das erste Mal nach Nashville zu kommen, war wie ein Märchenland zu betreten", erinnert sie sich, nachdem ihr schneller als erhofft die ersten Schritte in dieser neuen Welt geglückt waren.

Wie so viele Geschichten von besonderen Talenten, beginnt auch die von Tenille Townes in jungen Jahren, als sie selbst es mit Bestimmtheit war, die ihre Eltern überzeugte, Gesangsunterricht nehmen zu wollen. Mit 14 bekam sie dann ihre erste Gitarre und und es folgten die ersten selbst geschriebenene Texte. "Ich war besessen von Liedtexten und begann sie auswendig zu lernen, ebenso wie die Namen der Songschreiber und Produzenten", sagt sie und damit begann so langsam die Puzzle-Steine ihrer eigenen Musik zusammenzufügen.



Es folgten kleine Tourneen durch Kanada, ehe sie schließlich den großen Schritt nach Nashville wagte. Und dort dauerte es überraschenderweise nicht lange, bis man nach ihrer Ankunft auf sie aufmerksam wurde. Rasch ergatterte sie einen ersten Vertrag als Songschreiberin bei Big Yellow Dog. Und bereits im April 2018 folgte der Major-Label Vertrag bei Sony Music / Columbia Nashville. Aber nicht genug, denn zur Zeit ist sie mit Little Big Town und Miranda Lambert auf deren "Bandwagon - Tour 2018" unterwegs.

Nebenbei arbeitet sie mit niemand geringerem als Star-Produzent Jay Joyce an ihrem ersten Album. Wie so viele Künstler schwärmt auch sie von dessen Fähigkeiten, wenn sie sagt: "Es gelingt ihm irgendwie das tiefste Innere aus einem Menschen hervorzuholen." Allerdings gibt es noch kein Veröffentlichungsdatum für das Projekt. So hat man sich zur Überbrückung entschlossen, eine erste EP zu veröffentlichen, um damit Tenille Townes dem Publikum in einem ersten Entwurf vorstellen zu können.

So präsentiert die EP eine erste Arbeitshypothese mit dem treffenden Titel "Living Room Worktapes". Und die 4 Songs darauf überraschen nicht nur, sondern sie beeindrucken mit ihrer einfachen und doch so ansprechenden Präsentation aus Geschichten und Gefühlen. Sie transportieren genau das, was Tenille Townes in eigenen Worten zusammenfasst: "Ich habe immer schon das Erzählen von Geschichten und das Schreiben von Liedern geliebt. Viele dieser Lieder handeln von Themen, über die es schwer fällt zu sprechen. Darüber, jemanden zu verlieren oder darüber den Sinn des Lebens zu verstehen. Lieder darüber, Liebe zu finden."

Letzteres beschreibt sie in 'Where You Are', einer Liebeserklärungen, die mit Worten Bilder malt von den Schwierigkeiten, die man nicht für den anderen bereit ist, auf sich zu nehmen. Das ist textlich noch nicht so spektakulär, denn es ist eine von endlos vielen Varianten der "Ichwürde den höchsten Berg für dich erklettern"-Songs. Auch wenn das Stehen in einer Ticket-Warteschlange zweifellos eine neue Überlegung ist. Mit der ins Ohr gehenden Melodie wird hier niemand überfordert, sondern sie gibt dem Song einen eigenen Charm.



Auf ganz anderes Terrain begibt sie sich dann jedoch mit dem offenbar als aktuelle Single promotetem Song 'Somebody's Daughter'. Denn er handelt von einem Thema, über das es oft schwer fällt zu sprechen. "Meine Mutter und ich fuhren durch Nashville und wir sahen dieses junge Mädchen am Straßenrand stehen und sie hielt dieses Pappschild mit zitternden Händen. Wir begannen darüber zu sprechen, was wohl ihre Geschichte war, die dazu geführt hatte, dass sie nun da stand."

Aber das erste Meisterstück ihrer kaum noch begonnenen Karriere ist zweifellos der Song 'Jersey on the Wall (I'm Just Asking)', bei dem es sich auszahlt, genau hinzuhören. Denn die Feinheiten im Text erzählen eine Geschichte, die einen schlucken lässt, wenn man erst beginnt sie zusammenzufügen, wie die Bausteine eines Kunstwerks. So unzusammenhängend sie im ersten Moment erscheinen, erschließt sich dann plötzlich das große Ganze.

"Sollte ich jemals in den Himmel kommen,
habe ich eine lange Liste von Fragen.
Wie machst du Schneeflocken?
Bist du böse, wenn die Erde bebt?
Wie machst du es, dass sich das Wetter im Handumdrehen ändert?
Wie machst du es, dass ein Stein durch die Luft wirbelt?
Warum konntest du diesen Autounfall nicht verhindern?
Vergib mir - ich frage ja nur."

"Ich wette, da gibt es irgendwo ein Schulabschluss-Jahrbuch,
irgendwo in einer Schachtel unter einem Bett,
in dem das Bild von jemandem fehlt.
Dafür ist da eine liebevolle Erinnerung.
Und irgendwo ist da eine Mutter,
die aufgehört hat, zur Kirche zu gehen,
weil deine Absichten hier unten keinen Sinn mehr ergeben."

Gemeinsam mit Tina Parol und Gordie Sampson schrieb Tenille Townes dieses Lied über den frühen Tod des Jungen, dessen Sport Dress (Jersey) jetzt nur mehr im Zimmer an der Wand hängt.  

"Wir saßen beim Abendessen und sprachen darüber, was in der Welt so geschieht, über Obdachlosigkeit und Einsamkeit. Ich bin aufgewachsen mit einem Bewußtsein für diese Dinge. Diese Teile der menschlichen Existenz erinnern uns daran, dass wir alle mehr gemeinsam haben, als wir vielleicht glauben. Und solche Geschichten gehören erzählt!"

Eine bemerkenswerte junge Künstlerin mit einer Stimme, die anders klingt. Verletzlich und ehrlich, mittendrin im Gefühl. So muss Musik sein. Und damit hat Tenille Townes alle Voraussetzungen für eine Karriere als Musikerin, die Menschen zu berühren vermag!

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