Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Kleinstadt im Rückspiegel


"Ich hab sie zerrissen, die sonnengebleichten Fotos,
hab sie dem Wind überlassen, ihr könnt sie alle wieder haben,
ich bin hier raus.
Den Mittelfinger hoch in den Himmel,
das Auf-Wiedersehen-Schild kann mir gestohlen bleiben.
Ein letzter Blick in den Rückspiegel,
um zu sehen, wie alles verschwindet."
(Rearview Town / Kelley Lovelace, Bobby Pinson, Neil Thrasher Jr.)

Abergläubisch scheint er nicht zu sein, denn am Freitag, dem 13. April 2018 veröffnete Broken Bow Records das 8. Studio-Album von Jason Aldean. Aber andererseits, warum sollte er es auch sein? Denn das unvorstellbar Schlimmste, das einem Musiker passieren kann, ist ihm bereits im Oktober 2017 zugestoßen, als ein Massenmörder in Las Vegas das Feuer auf eines seiner Konzert eröffnete und dabei 58 Menschen in den Tod riss.

Wie zur Bestätigung stieg das Album "Rearview Town" in der Woche vom 22. April auf Platz 1 der Billboard 200 Album Charts ein und war mit über 180.000 Einheiten das meistverkaufteste Album in den USA. Damit ist es das 4. Jason Aldean Album in Folge, das auf Platz 1 in den Billboard 200 eingestiegen ist. Und die erste Single aus dem Album, das bluesige 'You Make It Easy' kletterte bereits mit 5. Mai 2018 auf Platz 1 der Radio (Billboard Country Airplay) Charts.

"Der Grund, warum ich das Album "Rearview Town" genannt habe, ist wahrscheinlich, weil es eine Metapher für mich darstellt. Meine Karriere und mein privates Leben waren die letzten Jahre ein wenig wie eine Achterbahn. Deshalb steht das Lied dafür, Dinge, die einen belastet haben, hinter sich zu lassen und den Blick auf das Kommende zu richten. Deshalb erschien es mir als der passende Titel", sagt Jason Aldean zu iHeartRadio.

15 Lieder hat er für das Album zusammengestellt, das zum großen Teil zum Zeitpunkt der schrecklichen Ereignisse in Las Vegas bereits fertig gestellt war. Das mag ein Grund gewesen sein, warum das Album so gar keine Referenz auf die traumatischen Ereignisse beinhaltet. Wie schwierig es für ihn war, mit der Situation umzugehen, deutete er jedoch gegenüber Rolling Stone Country an: "Ich habe mich sehr schuldig gefühlt, weil diese Menschen bei meinem Konzert erschossen wurden. Damit hatte ich sehr zu kämpfen."

Als zur gleichen Zeit auch Tom Petty verstarb, veröffentlichte Jason Aldean eine Cover-Version des Tom Petty Klassikers 'I Won't Back Down'. Damit gedachte er nicht nur einem seiner Vorbilder, sondern auch den Opfern von Las Vegas. Und das mit einem trotzigen Unterton, sich nicht unterkriegen zu lassen und wieder nach vorne zu schauen. Und das tut er auch mit dem neuen Album "Rearview Town".

Es bietet weniger Überraschungen, als man es vielleicht nach den ersten Ankündigungen vermuten hätte können. So versprach Jason Aldean ein Album, das all die verschiedenen Einflüsse, die er auf bisherigen Alben immer wieder mal einfließen hatte lassen, nun auf einem Projekt zusammenzufassen. "Während meiner ganzen Karriere hatten wir verschiedene Alben, die immer wieder unterschiedliche Musik boten, mal Rock, dann etwas Hip Hop oder Blues und so weiter. Auf diesem Album haben wir all diese Dinge genommen und in ein Album gesteckt, und das war richtig cool."

In der Tat ist das fertige Album höchst gelungen, ohne dabei seinem Stil untreu zu werden. Denn im Kern bleibt es ein unverkennbares Jason Aldean Album mit einem sehr rock-getriebenen Sound für die ganz großen Hallen und Stadien. Damit klingt es für mich frischer, direkter und authentischer als die letzten Alben. Nicht jeder Song darauf ist herausragend, aber es überraschend viele davon und der Rest fügt sich stimmig in das Gesamtbild.



Thematisch setzt sich das Album wiederholt mit einer inneren Zerrissenheit auseinander. Sei es in Beziehungsaspekten, wie im von u.a. Tyler Hubbard geschriebenen 'Love Me Or Don't', aber auch wenn es um den Zwiespalt zwischen den eigenen Wurzeln in der Kleinstadt und den unbekannten Verlockungen der großen Stadt irgendwo da draußen geht, wie im Titelsong oder 'Blacktop Gone'. Party-Kracher gibt es natürlich auch, aber auch sie versuchen von den Klischees der letzten Bro-Country Jahre abzuweichen.

Ein besonderes Highlight ist stellt zweifellos 'Drowns the Whiskey' dar, das versucht, eine verlorene Liebe mit Whiskey zu vergessen, bis sich herausstellt, dass selbst der Whiskey nicht stark genug dafür ist. Es ist das ruhigste und auch traditionellste Lied auf dem Album, das aber mit sehr dezenten modernen Elementen eine gelungene Brücke ins Jahr 2018 schlägt. Nicht ganz verständlich ist nur, warum die erfolgreichste Country Sängerin der letzten Jahre, Miranda Lambert, zwar auf dem Song mitwirken darf, aber keine eigene Strophe erhält, sondern kaum kenntlich nur als Backgroundstimme mitsingt.



Ebenfalls spannend ist 'Better At Being Who I Am' mit seinem Entschluss, sich nicht länger für eine Beziehung zu verbiegen, die einfach nicht funktionieren kann, wenn man nicht authentisch ist.
"Ich konnte mich einfach nicht verändern,
warum zur Hölle machte ich mir etwas vor?
Für eine Weile, schien es als würde der Sex darüber hinweg täuschen,
aber das bin ich einfach nicht
und ich wurde gut darin, das zu vergessen."
(Neil Thrasher, Casey Beathard, Wendell Mobley)



Ebenfalls hängen bleibt 'Girl Like You', der sinnliche Rocker über eine Frau, deren "Kuss sich wie ein doppelter Bourbon on the rocks" anfühlt und deren "Lippen die Kirsche darauf ist". Die verzweifelte Hoffnung ist greifbar in 'I'll Wait For You', die Hoffnungslosigkeit in 'High Noon Neon'. Produzent Michael Knox nutzt Computertricks, aber setzt sie gekonnt dezent ein. Sie liefern das moderne Umfeld, ohne die Songs damit zu dominieren. Im Zentrum steht immer der Fokus auf die Live-Shows, die längst in den ganz großen Hallen stattfinden.

Jason Aldean trug von Anfang seiner Karriere an das Image des coolen und unnahbaren Stars, den das Label sogar angewiesen haben soll, auf keinem Foto zu lächeln, um dieses Image nicht zu zerstören. Im Vorfeld hat Jason Aldean gemeinsam mit Apple acht Videos zur Chronologie der letzen Woche vor der Album-Veröffentlichung produziert. Ein Versuch, ihn dem Publikum näher zu bringen. Aber nicht alles lässt sich immer ins rechte Marketinglicht rücken. Jason Aldean ist eben kein Jake Owen und am Sympathiefaktor muß er wohl noch etwas arbeiten. Bereits gelungen ist ihm das jedoch schon mit dem eindrucksvollen Album "Rearview Town".

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