2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Rot

2012 hörte man erstmals von einem 27-jährigen Sänger aus Tennessee. Mit seinem breiten Lächeln, dem kantigen Gesicht und seinem Cowboyhut wirkte er optisch, als hätte man ihn für ein Superhelden-Comic erschaffen. Durchaus einprägsam und verwegen auch sein Name, der sich in leicht geschwungenem Schriftzug auf seinem Debütalbum von 2012 findet: Dustin Lynch.

'Cowboys and Angels' war die erste Single (und hatte nichts zu tun mit dem gleichnamigen George Michael Song). Selbst geschrieben, erzählt sie von der sanften Seite, die der Engel an seiner wilden Seite in das gemeinsame Leben bringt. Stilistisch sehr traditionell, schoss der Song bis auf Platz 2 in den Billboard Hot Country Song Charts. Sehr ungewöhnlich zu einer Zeit, in der traditionelle Klänge in den Charts nicht wirklich gefragt waren. 5 Jahre später hat sich das jedoch ins Gegenteil gekehrt.





Bis dato ist 'Cowboys and Angels' sein erfolgreichster Hit mit knapp 1 Mio. verkauften Stück in 5 Jahren. Die Nachfolgesingle 'She Cranks My Tractor' handelt nicht von Traktoren, "... sondern wilden Frauen", wie Dustin Lynch betont. Stilistisch immer noch sehr Country, wenn auch temporeicher, deutet sich eine Entwicklung in Richtung eines moderneren Sounds an, bei dem Dustin Lynch mit der dritten Single 'Wild In Your Smile' dann endgültig angekommen ist. Trotzdem blieb der kommerzielle Erfolg der beiden Songs interessanterweise hinter der ersten Single zurück. Mit Mühe erreichten sie die Top-30, was die weitere Karriere schon ein wenig in Frage stellte.

Aber das zweite Album, veröffentlicht im September 2014 und betitelt "Where It's At" strafte alle Zweifler Lügen. Ansatzlos folgten 3 glatte Nummer-1 Hits in den Radio Charts (Billboard Country Airplay Charts). Auch in den Billboard Hot Country Song Charts, die nicht nur Radio, sondern auch Verkauf und Streaming messen, platzierten sich die 3 Hits in den Top-10. Und alle 3 haben bis heute zumindest Gold-Status erlangt, wobei der Titelsong mit seinem Yep, Yep zu so etwas wie seinem Markenzeichen wurde.




Im Juli 2016 folgte dann ein neuer Song aus einem zukünftigen, dritten Album. Geschrieben von Kurt Allison, Steve Bogard, Tully Kennedy und Jason Sever, geht es in 'Seein Red' um eine glühend heiße (red-hot) Frau: sexy und direkt. Aber während das auch im Country Genre kaum mehr für Aufregung sorgt (Ausnahmen gibt es immer), ist es vielmehr der Sound und die Produktion, die das tun. Rock-poppig-funky-modern, da ist kein Ton mehr vom Cowboy aus dem ersten Album zu hören.

"Seein' Red steht für mein nächstes musikalisches Kapitel. Es ist sexy, voller Energie und Spaß und fordert zum Tanzen auf", betonte Dustin Lynch. Und fügt -ein wenig einstudiert- hinzu: "Die Farbe Rot ist Energie. Sie steht für Action, Verlangen und Leidenschaft. Sie lässt unser Herz schneller schlagen, den Blutdruck ansteigen und führt zu Adrenalinausstößen. Wir sehen die Farbe Rot nicht nur, wir fühlen sie."

Diesen Song zu veröffentlichen war mutig. Oder vielmehr riskant. Denn der progessivste Song seiner bisherigen Karriere erschien im Sommer 2016 gerade zu einer Zeit, als es um Sam Hunt den Protagonisten neuer Sounds still zu werden begann und Florida Georiga Line versprachen, auf ihrem neuen Album sich mehr den Wurzeln von Country zu widmen.

Und so war es nicht gänzlich unverständlich, dass der Song nicht den enthusiastisch erwarteten Erfolg brachte. Jedenfalls nicht von Anfang an. Denn die längste Zeit tümpelte er nur auf den hintersten Rängen der Charts umher. Das führte dazu, dass das vollmundig angekündigte neue Album vorerst nicht weiter erwähnt wurde.

Aber justament, als man zumindest den Song kommerziell abschreiben wollte, begann dieser still und heimlich an Fahrt zu gewinnen. Und nun, 32 Wochen später steht er plötzlich auf Platz 3 der Radio Charts und Platz 6 der Billboard Hot Country Song Charts. Mit anderen Worten es ist doch noch ein Hit für Dustin Lynch daraus geworden. Das ist zwar kein Rekord, denn es gibt Songs die sind inzwischen noch länger in den Charts und auch noch auf dem Weg nach oben, aber jedenfalls beginnt man nun wieder über ein neues Album zu sprechen.

Kurzum: wer es modern und progressiv mag und keine Angst vor Genre-Grenzen hat, der wird von 'Seein Red' in der Tat bestens bedient. Noch vor Weihnachten 2016 erschien ein Video zu dem Song, das möglicherweise beim letzten Push in die Hitregion mithalf. Was jedoch unverständlich ist, ist dass das Video so manch politische Entwicklung vorweg genommen zu haben scheint und die Grenzen dicht gemacht hat. Denn will man es aufrufen, bekommt man wiedermal den noch immer nicht ausgerotteten Hinweis zu lesen: "Der betreffende Nutzer hat das Video in deinem Land nicht zur Verfügung gestellt. Das tut uns leid."




Umso unverständlicher ist das, weil es das Making-Of Video problemlos über alle Grenzen hinweg geschafft hat und auch angesehen werden kann! Und so erfährt man wenigstens was der Video-Shoot für Dustin Lynch bedeutete. Nämlich "... so etwas wie eine Fantasie, etwas, das ich gerne erleben würde. Ein Blick in die Vorstellungswelt in meinem Kopf". Regie führte Adam Rothlein, der u.a. bereits für Blake Shelton und Chris Young gearbeitet hatte. Das Konzept des Videos zu 'Seein Red' erinnert dabei an 'The Pretender' von den Foo Fighters.



Bereits im Juli 2016 präsentierte Dustin Lynch den Song anlässlich seiner Veröffentlichung live bei Talkshow-Host Conan O'Brien. Wer hätte gedacht, dass es über ein halbes Jahr dauern würde, bis der Titel doch noch zum Hit wurde?



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