Tagebuch einer Songschreiberin

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"Sei aufgeschlossen und höre es an einem ruhigen Ort. Lass dich mitnehmen. Höre es von Anfang bis zum Ende. Ich hoffe, du lernst ein bisschen über mich oder vielleicht auch über dich. Wir alle versuchen das [Leben] zu verstehen oder brauchen auch mal eine Pause davon. Lasst mich euch dabei helfen." (Lanie Gardner / sweetyhigh.com, 25. Oktober 2024)

3x Live

"Wir sind eine Band. Wir treten auf wie eine Band und bei manchen Songs machen wir live etwas anderes, denn wenn ihr es wie auf dem Album hören wollt, dann bleibt einfach zu Hause und hört euch die Platte an. Deshalb wollen wir es zu etwas Besonderem machen und das gibt uns jeden Abend die Möglichkeit, es zu ändern und auf den Kopf zu stellen."
(John Osborne / popculture.com, 4. Oktober 2019)

Dreimal waren die Brothers Osborne im Februar 2019 im Ryman Auditorium in Nashville live zu erleben. Dreimal konnten sie damit die traditionsreiche, etwas über 2.000 Besucher fassende Halle bis auf den letzen Platz füllen. Und dreimal nutzten sie die Begeisterung des Publikums, um aus den besten Mitschnitten des Konzerts, ihr erstes Live-Album zu formen.

Am 11. Oktober 2019 ist es mit 12 Songs unter dem Titel "Live at the Ryman" erschienen. Und weil die Brothers Osborne mit John als dem älteren der beiden Brüder einen leidenschaftlichen Gitarristen im Team haben, wird diese Leidenschaft auch ausgiebig auf der Bühne zelebriert. Nie entsteht der Eindruck, dass hier versucht wird, eine perfekte Studioaufnahme auf die Bühne zu bringen und lediglich mit Publikumsjubel zu hinterlegen.

So wird aus ihrem größten Hit 'Stay a Little Longer' eine über 6-minütige Live-Version und aus der großartigen Ballade 'Love the Lonely Out of You' aus ihrer ersten EP gar eine über 8-minütige Emotion Tour-de-Force. Nicht ohne Grund schrieb Rolling Stone Country im Februar nach ihrem Auftritt über die 10-minütige Schlussnummer ('It Ain't My Fault'):

"Der präziese Rythmus und die Geschichte über schlechtes Benehmen entwickelte eine Eigendynamik, in deren stimmungsvollem, Prog-beeinflusstem Teil TJ die Bühne verließ und der Keyboarder der Gruppe, Billy Justineau, ein Solo voll komplexer, fast disharmonischer Harmonien spielte. Das toppte (Gitarrist) John dann mit einem jazzigen Solo, dessen fließende Klänge an Carlos Santana erinnerten. Und genau dann, als ein völlig anderer Song daraus geworden war, kehrten der ursprüngliche Beat und Gitarrenriff wieder zurück. Aktuell gibt es wohl keine andere Country Gruppe, die mutig und begabt genug ist, etwas dergleichen zu spielen."

Auf dem Album fehlt weder der Karibik-Flair ihres ersten Hits 'Rum', noch der scharfe Slide-Blues-Rock von 'Down Home'. Und mit dem nostalgischen Jugendrückblick von '21 Summer' oder dem ungewöhnlichen Liebesbekenntnis 'Pushing Up Daisies' fehlen auch ruhigere Momente nicht. Mit einem in der Musikszene selten gewordenen Live-Album demonstrieren die Brothers Osborne nicht nur den musikalischen Mehrwert eines Konzerts, sondern auch das, was diejenigen erwartet, die eines ihrer Konzerte besuchen.

Eine Möglichkeit, die im kommenden Frühjahr 2020 auch erstmals das europäische Publikum haben wird. Denn ab Ende April 2020 geht es überraschend weitläufig von Kopenhagen, Stockholm und Oslo über Amsterdam, Tilburg und Köln, Frankfurt, München, Oldenburg bis nach Großbritannien. Wer also in Zeiten von Hip-Hop schon zu lange keine E-Gitarre mehr gehört hat, der sollte sich die Brüder Osborne nicht entgehen lassen.



Zwar nicht politisch, aber stilistisch folgen sie mit ihrem Rock-getriebenen Sound auch ein wenig dem Künstler, der während er 1990er Jahre den Southern Rock-Einfluss im Country hochgehalten hat: der aus dem US-Bundesstaat stammende Travis Tritt. Treffenderweise hat auch er vor kurzem ein neues Live-Album vorgestellt.

Bereits über ein Jahr zuvor, am 28. September 2018, in Augusta, Georgia aufgenommen, liefert es einen Querschnitt der Karriere von Travis Tritt, einem der wichtigsten Country Stars der 1990er Jahre. Wer seinen Hit 'Put Some Drive in Your Country' hört, weiß, was er erfolgreich gemacht hat: nämlich wie schon Hank Williams Jr. vor ihm und Jason Aldean nach ihm - Southern Rock mit Country zu verbinden.

Als Künstler ist er seit mehr als 10 Jahren nicht mehr im Scheinwerferlicht. 2004 war sein letztes Major Label Album ("Honky Tonk History") erschienen. 2007 veröffentlichte er sein bisher letztes Studio-Album "The Storm" auf das jahrelange rechtliche Diskussionen um das Label und veruntreute Tantiemen folgten. Nach einem akustischen Live-Album 2016 ("A Man and His Guitar: Live From the Franklin Theatre") ist nun mit 30. Juni 2019 endlich auch das Doppel-Live Album zum vorangesprochenen Konzert aus dem September 2018 erschienen.

Unter dem Titel "Homegrown" stellt Travis Tritt sich dort mit 21 Songs vor, die seine Karriere mehr oder weniger geprägt haben. Neben all den großen Hits gibt es auch ein paar Raritäten und nicht zuletzt den Deep Cut aus seinem zweiten Album: die Southern Rock Coverversion von Atlanta Rhythm Section's 'Homesick'.

 Obwohl er den Spartensender AXS-TV sogar für eine Fernsehaustrahlung des Konzertes am 2. Juni 2019 gewinnen konnte und dem renommierten Journalisten Dan Rather in seiner Serie The Big Interview Rede und Antwort stand, blieb das Album kommerziell jedoch wenig beachtet. Zu lange ist es wohl schon her, dass Travis Tritt kommerziell relevant war.



Bereits im Mai 2019 war ein weiteres Live-Album erschienen, dessen Titel ganz unspektakulär "Halfway to Hazard - Live at Analog" lautete. Singer-Songwriter David Tolliver und Chad Warrix, die als Duo Halfway to Hazard von 2007 bis 2009 eine hoffnungsvolle Karriere unter der Mentorship von Tim McGraw begonnen hatten, präsentieren sich darauf im akustischen Setting, aufgenommen im Analog at Hutton Hotel in Downtown Nashville.

Nur mit akustischen Gitarren bewaffnet, spielen sie in erfrischender Live-Atmosphäre eigene Songs aus ihren bisherigen 3 Studio-Alben, aber auch gelungene Covers von 'Brand New Man' (Brooks & Dunn) und 'I'm on Fire' (Bruce Springsteen). Es ist mehr als schade, dass dem Duo der endgültige Durchbruch damals (nicht zuletzt aus persönlichen Gründen) nicht gelungen ist. Denn die Harmonien ihrer kraftvollen Stimmen wissen immer noch zu überzeugen!

Und liefern bereits das dritte Beispiel heuer, dass Live-Alben zwar kein Konzerterlebnis ersetzen können, aber dem Studio-Ergebnis eines Albums eine neue Dimension hinzufügen können, wenn es gut gemacht ist.

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