Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Opa's Schaukelstuhl

"Ich hoffe, eines Tages - wenn du runter schaust,
dass ich dich zum Lächeln bringe,
dass ich dich stolz mache.
Ich bin vielleicht noch nicht soweit,
aber ich hoffe, dass ich eines Tages Manns genug sein werde,
im Schaukelstuhl meines Großvaters zu sitzen."
(Granddaddy's Chair / Eric Blair Daly, Troy Verges, Josh K. Johnson, Kane Brown)

Die zweite Woche in Folge steht der 24-jährige Kane Brown jetzt mit seinem gleichnamigen, ersten Album in voller Länge bereits an der Spitze der Billboard Top Country Albums Charts. Ursprünglich im Dezember 2016 erschienen, wurde im Oktober 2017 eine um 4 Songs erweiterte Deluxe-Version davon veröffentlicht, die ihm nocheinmal einen Schub nach oben gab.

Das erstaunliche an dieser Erfolgsgeschichte ist jedoch nicht nur, dass sein Album noch vor den Alben von Chris Stapleton, dem aktuell kommerziell erfolgreichsten Country Album-Interpreten, liegt, sondern auch, dass Kane Brown bis heute mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat.

1993 geboren als Sohn einer gemischtfarbigen Beziehung, Vater schwarz, Mutter weiß, wuchs er bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. Entsprechend war seine Kindheit geprägt von bescheidenen Verhältnissen und ständigen Ortswechseln auf der Suche nach besseren Bedingungen. Selbst Obdachlosigkeit soll er dabei mit seiner Mutter erlebt haben. Musikalisch begleitete ihn erst die Country Music, später entdeckte er R&B. Als er in der High School einen Talente-Wettbewerb gewann, begann er verstärkt auch selbst Musik zu machen.

Als sich nach der Bewerbung für die Casting Shows American Idol und X-Factor aber nicht der gewünschte Erfolg einstellte, begann Kane Brown 2014 die sozialen Medien zu nutzen, um Videos von sich zu veröffentlichen. Er sang dort Cover Versionen von bekannten Country Hits, mit denen er rasch eine beachtliche Anzahl an Fans für sich gewann. Noch im selben Jahr begann er über Kickstarter Geld für eine erste EP zu sammeln, die dann im Juni 2015 unter dem Titel "Closer" erschien und 6 Titel enthielt.

Im Herbst 2015 veröffentlichte er den Song 'Used To Love You Sober', der nicht nur innerhalb von 2 Tagen 38.000 Stück verkaufte, sondern für viele das erste Mal war, dass sie die verblüffende Bariton-Stimme von Kane Brown hörten, mit der er einen so völlig unvorbereitet überrascht. Als ihm dann aber Sony Music Nashville im Jänner 2016 einen Plattenvertrag anbot, begannen die ersten Kritiker laut zu werden. Und als ihn im selben Jahr Florida Georgia Line mit auf ihre Dig Your Roots - Tour nahmen, hatten ihn die meisten bereits abgestempelt.

Verächtlich abgestempelt als einen Youtube-Star. Als jemanden, der dem Aussehen nach ja nicht mehr als nur ein weiterer Hip-Hopper sein konnte, um auf den Bro-Country Zug aufspringen und das schnelle Geld zu machen. Der erste Justin Bieber der County Music. Aber wie konnte er aus dem Nichts einen Plattenvertrag bekommt? Benutzte ihn am Ende nur das Label oder nutzte er Beziehungen? So und ähnlich wurde über Kane Brown spekuliert, ohne ihn wirklich Ernst zu nehmen.

Unbeirrt davon veröffentlichte Sony schon im März 2016 die erste offizielle EP mit 5 Songs und dem Titel "Chapter 1". Darauf war nicht nur den Song 'Used To Love You Sober' enthalten, sondern sie stieg mit 30.000 verkauften Stück in der ersten Woche auch noch völlig unerwartet auf Platz 3 der Billboard Top Country Albums Charts ein und sogar auf Platz 9 der Billboard 200 Pop Album Charts.



Während 'Used To Love You Sober' bis auf Platz 15 in den Billboard Hot Country Songs Charts kletterte, schafften es zwei weitere Singles nur mehr knapp in die Country Top-40. Aber in Wirklichkeit war das nur das Vorgeplänkel zu dem am 2. Dezember 2016 erschienen gleichnamigem, ersten offiziellen Album von Kane Brown in voller Länge.

7 der 11 Songs darauf schrieb Kane Brown selbst und er nennt sie deshalb großteils autobiographisch. Es sind betroffen-machende, persönliche Einblicke in seine Kindheit und Jugend, mit Themen wie Mobbing in der Schule, Schläge durch seinen Stiefvater oder einfach nur Armut. Die ersten beiden Singles verkaufen sich gut, aber die großen Radio-Hits sind es noch nicht. Das sollte sich mit der dritten Single aus dem Album ändern.

 'What Ifs' ist nicht nur ein Lied, das Kane Brown über all die Zweifel, die uns im Leben plagen, geschrieben hat, sondern er konnte dafür als Duett-Partnerin auch eine alte Jugendfreundin gewinnen, mit der er gemeinsam die Mittelschule besucht hatte: Lauren Alaina. Noch vor Kane Brown hatte sie Bekanntheit erlangt, als sie in der 10. Staffel von American Idol 2011 den zweiten Platz belegt hatte. Aus ihrem zweiten und aktuellen Album hatte sie im vergangenen Jahr mit dem Titelsong 'Road Less Travelled' ihren ersten Nummer-1 Hit in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts.

Beim ins Ohr gehenden, poppigen Refrain zu 'What Ifs' verschmelzen die Stimmen der beiden Sänger so gelungen, als wären sie für das Radio geschaffen worden. Im Oktober 2017 beendete Kane Brown damit nicht nur die wochenlange Dominanz von Sam Hunt mit seinem 'Body Like A Backroad' an der Spitze der Billboard Hot Country Songs Charts, sondern blieb dort gleich selbst für 5 Wochen in Folge auf Platz 1.

Selbst in den Pop Top-40 erreichte der Song Platz 26. Aber nicht genug damit. Denn mit Erscheinen einer Deluxe-Version seines Albums, das 4 zusätzliche Songs beinhaltete, wurde Kane Brown dann auch noch zum ersten Künstler, der die Spitzenposition in allen 5 Billboard Country Charts gleichzeitig innehatte (Albums, Songs, Airplay, Streaming, Digital).

Die aktuelle und vierte Single aus dem Album ('Heaven') ist eine Liebeserklärung an seine Verlobte, in der er sich fragt, ob der Himmel nicht doch schon hier auf Erden sein muss, jedesmal wenn er sie ansieht. 'Heaven' klettert diese Woche bereits auf Platz 4 in den Billboard Hot Country Songs Charts (seinem zweiten Top-5 Hit in Folge) und auf Platz 14 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts.



Vermutlich wird das die letzte Single aus dem Album sein. Dabei lohnt es sich wirklich, sich auch auf den Rest des Albums einzulassen. Denn da beweist Kane Brown, dass er Country Music besser verstanden hat, als es ihm die meisten zutrauen. Das sind ehrliche und persönliche Geschichten über Familienbeziehungen und Erlebnisse aus der Jugend, wie es schon immer die klassischen Themen im Country Genre waren.

Besonders gelungen und eigentlich ein potentieller Hit ist beispielsweise 'Cold Spot'. Die Referenz im Titel ist der Name eines Lebensmittelladens, den sein [Großvater] betrieben hatte, ehe er ihn schließen musste, als ein Walmart gebaut wurde. Es ist nicht nur ein Blick zurück auf die eigenen Jugenderlebnisse, sondern auch darauf, wie die heile Welt einer Kleinstadt langsam aber unaufhörlich von den  ersten Vorboten einer Globalisierung überrollt wird.

Und gleichzeitig und noch viel mehr ist es aber eine Geschichte über den Großvater und die wichtige Rolle, die er im Leben des jungen Kane Brown spielte, dessen wirklicher Vater offenbar kaum für ihn da war. Die beiden namhaften Songschreiber Tom Douglas und Allen Shamblin halfen ihm das Lied zu Papier zu bringen, und Schritt für Schritt aus dem Titel ein eindrucksvolles Ganzes zu machen.

"Ich denke oft in Lied-Titeln", erklärte Kane Brown Billboard Magazine. "Cold Spot war ein Titel, den ich lange mit mir herumtrug. Es war der Name des Geschäfts, das mein [Großvater] führte, bis es geschlossen werden musste, weil ein Walmart gebaut wurde. Ich liebte es, nach der Schule dort herumzuhängen. So hat das Lied seinen Anfang genommen."

Es war kalt im Juli, warm im Dezember,
und wenn ich 100 Jahre alt werde,
werde ich mich immer daran erinnern.
Das Lied und das Summen des Ventilators
und seinen Nord Georgia Akzent,
wenn er zu mir sagte: Junge, du schaffst das!
Hier bin ich nur ein Junge,
der versucht, sich einen Namen zu machen.
Ich bin wer ich bin, weil er war wie er war.



Nicht weniger gelungen und eine Spur noch persönlicher seinem Großvater gewidmet ist der Song 'Granddaddy's Chair'. Es ist eine wehmütige Liebeserklärung voller Hochachtung und dem tiefen Wunsch dem Vorbild seines Großvaters eines Tages gerecht werden zu können. Ob es nun lediglich der Stuhl ist, auf dem Großvater beim Essen gesessen hatte, oder ob es doch sein Schaukelstuhl war, in dem er sich nach getaner Arbeit erholte, ist dabei nicht von Bedeutung.

Vielmehr gibt es Einblick in die persönliche Welt von Kane Brown, in der der Großvater die Rolle übernommen hatte, die eigentlich der Vater hätte erfüllen sollen. Und doch bleibt das Thema vertraut und nachvollziehbar und schlägt damit die Brücke, die nur großartige Lieder zu schlagen vermögen, nämlich aus einer individuellen Erfahrung eine universelle zu machen. Und spätestens ab diesem Moment sollte man sich mit Kane Brown als Country Künstler auseinandersetzen.

Denn wie antwortete er nach kurzem Nachdenken einer Reporterin so schön, als sie die Frage stellte: Was würde man nie glauben, wenn man dich sieht? - "... dass ich kein Rapper bin!"

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