2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Gitarre zu verkaufen

"Wem mache ich etwas vor, was brauche ich mehr,
als die Liebe dieses Engels, der neben mir liegt?
Sie zu halten, ist das höchste und sie zu verlieren, die Hölle.
Gitarre zu verkaufen!"
(Guitar For Sale / Ben Hayslip, Ray Scott)

Nein, diese markante Bariton-Stimme gehört nicht Trace Adkins, auch wenn man das im ersten Moment vielleicht glauben möchte. Sie gehört Ray Scott und damit ein Alleinstellungsmerkmal, das er im Vergleich zu vielen anderen im Genre, aktuell nur mit ersterem teilen muss. Darüberhinaus verbindet die beiden noch etwas: beide wollen sich mit neuen Alben einen Platz in der kommerziellen Country Medienlandschaft sichern.

Aber während Trace Adkins versucht, nach persönlich höchst schwierigen Zeiten, wieder an alte Erfolge anzuknüpfen, um nicht ganz in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, möchte Ray Scott den nächsten Schritt auf der Karriereleiter nach oben setzen. Aber wer ist nun eigentlich dieser Ray Scott?

"Meine Musik ist nicht für ein spezielles Zielpublikum. Ich tanze nicht auf der Bühne, sondern es geht um das Erzählen von Geschichten, darum Menschen ein Lächeln abzugewinnen und Gefühle zu vermitteln", sagt Ray Scott auf seiner Homepage. "Meine musikalischen Wurzeln sind tief. Mein Vater war Musiker in North Carolina und ihn in jungen Jahren zu hören, ist der Grund, warum ich heute Musik mache."

Die Musik seines Vaters und der bleibende Einfluss war die Country Musik der 1970er Jahre. Classic Country im traditionellen Stil. Bei dieser Musik gibt es keine Zweifel daran, welchem Genre sie zuzuordnen ist. Der Standard gewissermaßen, der vorzuweisen war, um damals im Genre eine Chance zu bekommen. Lange ist es her und dass, was damals aus jedem Country Sender tönte, klingt heute wieder erfrischend retro. So wie Ray Scott.

Dabei gibt Ray Scott in einem Interview mit grizzlyrose.com zu, dass er als Jugendlicher eigentlich ein Rocker war: "Meine erste Band war eine Rock Band. In den 1980ern war ich kein großer Fan der Country Music, die mein Vater hörte. Wenn ich allerdings heute zurückschaue, dann war es wohl mehr jugendliche Rebellion. Denn ab dem Moment, als ich 'Someday' von Steve Earle hörte, erkannte ich, dass Country wieder cool war."

Als Ray Scott mit 25 Jahren, Mitte der 1990er Jahre, nach Nashville kam, verhalf ihm der unlängst verstorbene Produzent Norro Wilson zu einem Job als Songwriter. Über die folgenden Jahre begann er sich damit seine Sporen zu verdienen und an seinem Talent als Liedermacher zu feilen. Das führte schließlich zu eine Vertrag mit Warner Bros. Records und 2005 erschien sein erstes und vorerst einziges Major Label Album mit dem prägnanten Titel "My Kind of Music".

"Sie mag meine Musik nicht,
sie hat noch nie ein Lied von Waylon Jennings gehört,
sie war auch nie ein Fan von Willie Nelson!
So geht das nicht, wir passen einfach nicht zusammen."



Mit Songs wie diesem zeigte sich Ray Scott kompromisslos traditionell, aber gleichzeitig auch mit einem humorvollen Zwinkern in den Augen. Etwas, das auch seinen folgenden Weg begleiten sollte. Allerdings musste er diesen in Folge alleine gehen. Denn nachdem nur der Titelsong des ersten Albums in den Billboard Hot Country Song Charts (auf Platz 39) landete, trennte man sich wieder, wie es so schön heißt.

Aber Ray Scott blieb seinem Stil treu und veröffentlichte 2008 eigenständig das Album "Crazy Like Me". Später sagte er darüber: "Es war eine Zusammenstellung von älteren Demo-Songs, noch ohne großen Aufwand dahinter. Trotzdem finde ich, es war eine gute Representation von dem, wo ich damals in meinem Leben und meiner Karriere stand." Es sollte ihm in erster Linie dazu dienen, auf Tour den Besuchern Musik zum Kauf anbieten zu können.

Aus dem überraschend positiven Echo entstand die Zusammenarbeit mit Produzent Dave Brainard und 2011 das Album mit dem humorvollen Wortspiel im Titel: "Rayality". Der Song 'Those Jeans' daraus wurde überraschenderweise vom Satellitensender SiriusXM aufgegriffen und dort zum Hit. Der traditionelle Sound mit dem harmlos-humorvollen, leicht anzüglichen Text über die Frage, wie sie nur in diese engen Jeans hineingekommen ist, wurde mit Video umgesetzt und bis in lokale Country Szenen Europas ein Hit. Genau so stellt man sich Country vor.



Aber gegenüber Rollings Stone Country betont Ray Scott: "Bei Country Music, wahrer Country Music geht es für mich immer um die Wahrheit. Und die folgt keiner Formel, ist nicht immer schön und glücklich. Sie kann auch finster wie die Hölle sein und damit all das, wovon mir ein Record Label abraten würde. Deshalb mische ich immer wieder Humor dazu, damit es nicht dazu führt, dass sich die Leute nur mehr ihre Pulsadern aufschlitzen wollen. Ich sehe mich nicht als Kabarettist, aber es heißt, dass Humor auch von einem dunklen Ort kommen kann. So passt das wieder zusammen."

Und so einen hoffnungslosen Ort beschreibt er in seinem Song 'Ain't Always Thirsty' auf seinem nächsten Album mit dem simplen Titel "Ray Scott", das immer noch in Eigenregie veröffentlicht wurde. Die erweiterte Titelzeile 'Ich drinke nicht immer, wenn ich durstig bin' sagt bereits worum es geht: Alkohol als teuflischer Seelentröster.



2015 veröffentlichte Ray Scott eine EP mit Cover-Versionen von Liedern, die er besonders respektiert. Mit dem Titel der EP ("Roots Sessions, Vol. 1") lässt er sich eine zweite Ausgabe offen. Unter den 6 Songs auf dem Album befindet sich auch das Lied 'Live Forever' von Billy Joe Shaver, den er besonders verehrt. "Nur 2 Künstler habe ich jemals um ein Autogramm gebeten: Waylon Jennings und Billy Joe Shaver."



Mit 9. Juni 2017 ist nun sein 5. Studioalbum in voller Länge erschienen: "Guitar for Sale". Es zeigt sich als ein weiterer Schritt nach oben auf der Entwicklungsleiter zum ernsthaften Sänger und Songschreiber, der sich nun auch an neue und moderne Facetten heranwagt, ohne seiner Linie untreu zu werden. "Das Album ist soetwas wie eine Neuaufstellung für mich - nicht nur als Künstler, sondern auch was meine Karriere betrifft. Ich will mich damit den Leuten vorstellen, die mich vielleicht nicht kennen, aber auch eine neue Vision denjenigen bieten, die mit meiner Musik bereits vertraut sind."

Im Zentrum steht der Titelsong, den Ray Scott bereits vor einigen Jahren geschrieben hatte. Im akkustischen Stil, in deren Zentrum eine Gitarre steht, die an 'Seven Spanish Angels' von Willie Nelson mit Ray Charles erinnert, spielt der Text mit dem Gedanken, wie es wäre, das aufzugeben, was man liebt; um damit etwas anderes zu retten, das vielleicht noch wichtiger ist, aber darunter gelitten hat. Ein Konflikt zwischen Karriere und Beziehung, der nicht nur Musikern aus der Seele sprechen könnte.

Nach den Themen des Albums befragt, antwortet er digitaljournal.com gegenüber ganz unverblümt: "Alkoholismus, Sucht, alt werden, der Verlust eines geliebten Menschen, verrückte Beziehungen."
Stilistisch ist unter der Regie von Produzent Michael Hughes ein Album entstanden, das neben dem unverkennbaren Bariton von Ray Scott nicht nur traditionelle Klänge bietet, sondern auch Rock Einflüsse aus seiner Jugend. 'Life Ain't Long Enough' oder 'Doin' Me Wrong' mit seinem sarkastischen Blick auf die positiven Seiten einer beendeten Beziehung bieten erstaunlich progressive Elemente, die aber exzellent zu seiner Stimme passen.

Ob "Guitar for Sale" nach 'My Kind of Music' wieder einen Radio-Hit liefern wird können, muss sich zeigen. Verdient hätte es sich das Album jedenfalls, denn es ist ein höchst gelungenes Werk eines Songschreibers und Sängers mit markanter Stimme, dessen selbst geschriebene Geschichten über das Leben beeindrucken. Ganz besonders, wenn man sich die Zeit nimmt hineinzuhören.

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