2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Highways @ The Royal Albert Hall

"Ich habe vor langer Zeit gelernt, nicht auf die Charts zu schauen (habe keinen Einfluss darauf) oder auf die Masse. Wir bekommen mit, was hier drüben passiert. Wir sind unendlich dankbar, dass ihr alle zu unseren Shows kommt und uns eure Liebe schenkt. Darum geht es uns. Das zählt. Danke Deutschland, Amsterdam, Birmingham, London, Glasgow, Manchester, Belfast, Leeds und Newcastle."
(Kip Moore / Instagram, 29. Mai 2023)


Am 20. Mai 1867 legte Queen Victoria von England mit den Worten "Es ist mein Wunsch, dass diese Halle den Namen desjenigen tragen soll, dem sie ihre Existenz verdankt und so soll sie The Royal Albert Hall of Arts and Sciences heißen." den Grundstein für die Errichtung der Royal Albert Hall in London. Knapp 4 Jahre später, am 25. Februar 1871, kamen rund 7.000 Besucher zum ersten Konzert in die Halle, die nach dem bereits 1861 verstorbenen Ehemann von Queen Victoria benannt worden war.

In den folgenden 150 Jahren wurde sie zum Veranstaltungsort für unzählige herausragende Veranstaltungen in Kunst, Kultur und Wissenschaft, darunter u.a. Auftritte von Albert Einstein, dem Dalai Lama, The Beatles, The Rollings Stones, Jimi Hendrix, The Pink Floyd, Bob Dylan, Frank Sinatra, dem Eurovision Song Contest 1968 oder der Weltpremiere des James Bond Films Die Another Day (2002).

Am 20. Mai 2023 erhielt die lange Liste von Veranstaltungen einen weiteren Eintrag. Denn an diesem Tag veranstaltete Konzertveranstalter Live Nation UK gemeinsam mit der Royal Albert Hall das erste Highways Festival an diesem geschichtsträchtigen Ort. Die angekündigten Künstler, aber auch die Promotion im Vorfeld für das Event klangen beeindruckend:

"Intim und doch grandios, soll Highways eine unvergessliche Veranstaltung für Country und Americana Fans und Künstler gleichermaßen sein. Das Festival wird jede Ecke der Royal Albert Hall einbeziehen, von den Hauptauftritten im legendären Auditorium bis zu sorgfältig zusammengestellten Präsentationen in benachbarten Räumlichkeiten. Es ist die Gelegenheit, sich in den deep south zu verlieben, wenn sich Musik mit kulinarischem Angebot trifft und sich die Türen für ein brandneues Festival in der Royal Albert Hall öffnen."

Eine engagierte Zielsetzung, die am Ende mit ihren musikalischen Hauptdarstellern begeistern, dessen Rahmenprogramm die hochgesteckten Erwartungen jedoch nicht so wirklich erfüllen konnte. In jedem Fall bot die Ankündigung mehr als ausreichenden Anreiz, die EU zu verlassen und einen Abstecher ins Britische Königreich mit einem erstmaligen Besuch dieser legendären Veranstaltungshalle zu verbinden. Auch wenn man den Headliner des Abends, Kip Moore, im Rahmen seiner 2023 Damn Love World Tour wenige Tage zuvor bereits in Hamburg oder Köln (und damit rund 600km weniger weit weg) erleben hätte können.

Etwas über 5.000 Besuchern bietet die moderne Royal Albert Hall Platz. Nicht viel weniger dürften sich am 20. Mai 2023 für das Highways Festival eingefunden haben, wie ein Rundblick in die eindrucksvolle Halle offenbarte. 

Pünktlich um 18 Uhr startete der noch wenig bekannte Singer-Songwriter Stephen Wilson Jr. mit seinem Programm den offiziellen Abend. Mit energischer Stimme und beissender Akustik-Gitarre erzählten er und seine Lieder seltsam anmutende Geschichten von einfacher Landbevölkerung im Süden der USA. Begleitet wurde er lediglich von Scotty Murray, dessen Steel Gitarre den dramatischen Soundtrack für den Auftritt liefert. Nach knapp 30 Minuten und einem unveröffentlichten Song, der seinem verstorbenen Vater gewidmet war, ging dann ein Auftritt zu Ende, der in seiner Intensität nicht ganz einfach zu verdauen war.

Zeit, für die Mehrheit des Publikums, sich in die Gänge und an die Bars zurückzuziehen, nur um dann leider nicht unbedingt pünktlich auf den Plätzen zurück zu sein, als der nächste Künstler Jackson Dean -sehr wohl pünktlich- um 19 Uhr mit seinem Auftritt begann. Das führte auch in Folge des Abends wiederholt dazu, dass Besucher von ihren Sitzen aufstehen mussten, um andere zu ihren Plätzen durchzulassen und damit wiederum den Blick für bereits sitzende Zuseher blockierten.

Zum ersten Mal in Europa war Jackson Dean. Der erst 22-jährige Sänger und Songschreiber von der Ostküste der USA (Maryland), wurde durch den Song 'Don't Come Lookin'' im vergangenen Jahr bekannt. Ein stampfender Southern-Rocker, mit dem er erst Aufnahme in den Soundtrack der Erfolgsserie Yellowstone fand und in Folge bis auf Platz 3 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts kletterte.

Als sein bis dato größter Hit bildete dieser auch den Abschuss seines ebenfalls knapp 30-minütigen Auftritts. Davor gelang es ihm mit seiner Band ein abwechslungsreiches Set zu präsentieren, das er mit bekannten Songs aus seinem Debüt-Album bzw. seinem ersten Live-Projekt ("Live at the Ryman") füllte. Gekonnt nahm er das Tempo für die stimmungsvolle Ballade 'Wings' und den neuen Titel 'Big Blue' heraus, ehe das Soundsystem für die aktuelle Single 'Fearless' und das pulsierende 'Trailer Park' einige Dezibel zuschaltete. Die Begeisterung bei seinem Auftritt war sowohl beim Publikum als auch dem jungen Künstler mit der markanten Stimme unverkennbar.

Pünktlich um 20 Uhr war das Setup für die nächste Künstlerin bereit: Lampenschirme und Stühle in blaues Licht getaucht, vermittelten gemütliche Wohnzimmer-Atmosphäre. Denn Morgan Wade brachte ihre Crossing State Lines (And Oceans!) Acoustic Tour für 5 Auftritte nach Großbritannien. Mit etwas Verspätung nahm sie dann auf der Bühne Platz, wohin sie neben einer akustischen Gitarre auch den Gitarristen Clint Wells mitgebracht hatte.

Während in der ersten Hälfte ihres Auftritts (inklusive der Vorstellung des Titelsongs für das kommende zweite Album "Psychopath") die Aufreger fehlten, wurde die zweite Hälfte des knapp 40-minütigen Sets dann stimmungsvoller. Spätestens das dramatische Gitarren-Solo von Clint Wells (das es auf der Studio-Aufnahme nicht gibt) zur melancholischen Ballade 'Mend' bewies eindrucksvoll, warum Live-Musik voller Überraschungen sein kann. Spätestens bei dem eingängigen 'Wilder Days', ihrem bis dato größten kommerziellen Erfolg, sang das Publikum dann den Refrain für sie.

Damit war das Vorprogramm zum Haupt-Act des Abends abgeschlossen. In vielerlei Hinsicht hätte man sich längere Auftritte gewünscht, auch wenn alle Künstler versucht hatten, einen guten Querschnitt ihrer noch jungen Karrieren zu präsentieren. Aber am Ende war es ein Kompromiss zwischen zu wenig Musik und zu kurzen Gastronomie-Pausen (in denen die angekündigte Südstaaten-Küche nicht wirklich auszunehmen war), die sich beide irgendwie im Wege standen. Auch das groß angekündigte Rahmenprogramm ließ zu wünschen übrig. Während es für eine nachmittägliche Stunde mit einigen Songwritern zu wenig Karten gab, blieben wohl genug für den Programmpunkt 'Country for Kids' über. Der Altersschnitt des abendlichen Publikum jedenfalls war gut durchmischt.

Kurz nach 21 Uhr zündete Kip Moore schließlich den Turbo des Abends und startete im gleisenden Scheinwerferlicht und zu mächtigen Drum-Beats mit dem Titelsong des aktuellen Albums 'Damn Love' seine Show. Von der ersten Minute an, war das Publikum, das es sich bis dahin in den Plüsch-Sitzen der Royal Albert Hall bequem gemacht hatte, nun auf den Beinen und lautstarker Teil des Konzertes. Etwas, das sich für die 23 Songs während der nächsten 90 Minuten auch nicht ändern sollte.

Video-Wände oder Special Effekts waren nicht geplant. Dafür stand die Musik im Mittelpunkt, getragen von einer kraftvollen Band und der markanten Stimme des Sängers. Für die Optik sorgte eine sorgfältig getimte Licht- und Nebelshow. Wer intime Balladen erhofft hatte, der wurde an diesem Abend nicht fündig. Aber eine Akustik-Show, die Kip Moore in der Vergangenheit bereits mit viel Lob präsentiert hatte, stand heute auch gar nicht am Programm. Vielmehr eine lautstarke-Show, mit der er nicht ohne Grund in Südafrika schon 30.000 Besucher im Stadion von Pretoria begeistert hatte.

Sein Programm verteilte sich fast gleichmäßig über alle bisherigen 5 Alben, mit einem stärken Fokus auf die jüngeren Projekte. Denn wie ihn schon die Erfahrung Südafrika gelehrt hatte, sind es nun mal nicht zwingend die offiziellen Hit-Singles, sondern vielmehr oft eingängige Deep Cuts wie 'Plead the Fifth', das fantastische 'The Bull' oder 'Heart's Desire', die das Publikum am lautesten zum Mitsingen animieren. Dass Kip Moore gegen Ende den Robbie Williams' Hit 'Angels' als Reminiszenz an den Gastgeber England singt, fiel dann auch kaum mehr auf. Denn selbstverständlich kannte das Publikum auch diesen Text.

Erst zum wirklichen Ende der Show wurde es ruhiger. Und zwar mit der Geschichte über enttäuschte Hoffnungen in 'Micky's Bar' aus dem aktuellen Album und der zweiten Zugabe 'Guitar Man'. Letzteres der einzige persönliche Wermutstropfen, da ich so sehr auf die Schlussnummer der übrigen Konzerte ('The Guitar Slinger') gehofft hatte. Auch wenn 'Guitar Man' thematisch mit 'The Guitar Slinger' vergleichbar ist, passt der Song meiner Ansicht nach einfach viel besser in ein akustisches Programm.

Damit ging schließlich kurz vor 23 Uhr ein intensiver Konzertabend an einem legendären Veranstaltungsort zu Ende, der nicht nur im Zeichen eines merklich begeisterten Kip Moore stand, sondern auch in dem eines Publikums, das eindrucksvoll klarstellen konnte, dass Britische Begeisterungsfähigkeit nicht nur auf große Fussballstadien beschränkt sein muss.

 

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