Vom Leben eines Gitarren-Helden
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Ab einem bestimmten Punkt in ihrer Karriere haben erfolgreiche Künstler keine Wahl mehr, sondern sie müssen ihr Leben auch in der Öffentlichkeit führen. Obwohl es in vielen Fällen gar nicht die primäre Zielsetzung, sondern nur ein Nebeneffekt ihres eigentlichen Zieles war. Noch herausfordernder wird es für Musiker, die ständig unterwegs sein müssen, wenn sie ihr Publikum auch persönlich erreichen wollen. Besonders dann, wenn es in Zeiten des wenig lukrativen Streamings auch eine nicht zu unterschätzende Einkommensquelle ist.
Doch nicht jeder ist im Stande damit so gut umzugehen, wie etwa ein
Willie Nelson, der auch mit 90 Jahren noch aktiv unterwegs ist und nie
ein Hehl daraus gemacht hat, dass er sich auf Tour am wohlsten fühlt. Denn
vielen fällt es nachvollziehbar schwer, wenn es keinen festen Ruhepol mehr im
Leben gibt und das Leben nur mehr aus einem kräfteraubenden Umherziehen von
einem Veranstaltungsort zum nächsten besteht. Es sind dann die wenig
glitzernden Stunden zwischen den funkelnden Auftritten, die dem Publikum
verborgen bleiben und für den Künstler zur Herausforderung werden.
Kein Wunder also, dass sich unzählige Künstler mit diesem Thema in ihrer Musik schon auseinandergesetzt haben. So mancher dieser Titel wurde auch zum Hit, andere wiederum blieben als Deep Cuts kaum gehört. Gemeinsam ist ihnen allen das Grundthema Life on the Road, auch wenn sich die Blickwinkel immer ein wenig unterscheiden.
So beschreibt Willie Nelson in einem seiner größten Hits in geradezu
idealisierter Sichtweise seine Einstellung zum Leben auf Tournee. Er tut es auf eine Art und Weise, die
es einem im ersten Moment schwer macht, diese Begeisterung für bare Münze zu nehmen. Aber
wenn man weiß, dass der offizielle Name seiner Begleitband
Family ist, dann ist das schon ein Hinweis darauf, dass es ihm
damit vielleicht doch recht ernst gemeint ist:
Ganz anders hingegen vermittelt Jon Bon Jovi seine Eindrücke vom Tournee-Leben. Bei ihm klingt es nach nichts anderem als Einsamkeit und Enttäuschung, wenn er singt:
Manche Künstler flechten noch mehr Details ein, indem sie einen konkreten Ort beschreiben und die Atmosphäre, die sie erleben, wenn sie unterwegs sind. So wie es Bob Seger in einem der bekanntesten Songs zum Thema gemacht hat:
Veröffentlicht wurde dieser selbstgeschriebene Song 'Turn The Page' erstmals auf dem heute nicht mehr erhältlichen Album "Back In '72"
[1973]. Über die Jahre hinweg wurde der Titel, der auf persönlichen
Erfahrungen basiert, zu einem Klassiker und mehrmals gecovert. So machte ihn Waylon Jennings 1985 zum Titelsong seines ersten Albums
nach dem Drogenentzug und auch die Band Metallica nahm ihn 1998 auf
und hatte einen weltweiten Hit damit.
Ebenfalls mit dem Tournee-Leben befasste sich die Band Sawyer Brown auf ihrer im Dezember 1986 erschienen Single 'Gypsies On Parade'. Geschrieben von Lead Sänger Mark Miller, beginnt auch dieser Song mit einer Ortsreferenz, vermittelt aber gleichzeitig, dass so eine Tour auch bei unangenehmem Winterwetter stattfinden muss (indem der Tourbus der Marke Eagle zum Schlitten umformuliert wird):
Etwas anders geht Kip Moore das Thema auf seinem aktuellen Album "Damn Love" mit dem 6-Minuten Song 'Guitar Slinger' an. Er setzt am Morgen nach dem Auftritt an und stellt vermutlich wiederholt fest, wie
sehr anders sein Leben verläuft, als das der übrigen Menschen.
Ähnlich beschreibt es Mark Miller rund 10 Jahre später. Auch hier geht es unterschwellig um ein Akzeptanz-Thema, denn die Band Sawyer Brown fand mit ihrem pop-rockigen Sound im Country Genre lange Zeit nur wenig Anerkennung:
Das zentrale Motiv in den Songs transportiert der Refrain. Es ist die Kernaussage zum Thema des Liedes. Bei Bob Seger ist es der Gedanke an die wiederkehrende Abfolge von Auftritten, fast mechanisch, sich immer wiederholend, ehe die Geschichte wieder von vorne beginnt:
Für Mark Miller geht es mehr um das Mühsal hinter den Kulissen, das keiner da draußen zu sehen bekommt, weil es unter der schillernden Fassade verborgen bleibt. Sogar sie selbst müssen sich diese Erkenntnis erst aneignen:
Kip Moore ringt in diesen Momenten vielmehr mit sich selbst. Fühlt sich zerrissen zwischen
der Leidenschaft für die Musik und der Belastungen, die diese ihm auferlegt.
Der Held offenbart seine Verletzlichkeit:
Natürlich spielt auch das zutiefst menschliche Thema Liebe und Beziehung eine Rolle. Steve Earle widmete auf seinem legendären Album "Guitar Town" [1986] einen ganzen Song ('Little Rock 'n' Roller') nur einem ernüchternden Anruf von unterwegs nach Zuhause, den überraschenderweise bereits sein kleiner Sohn beantwortete, den er noch nie so recht kennengelernt hat: Ich hätte nicht gedacht, dass du das schon kannst, bin ich wirklich schon so lange fort?
Auch Mark Miller beschreibt einen solchen Anruf und den enttäuschenden
Versuch, Worte zu finden, wenn die physische Distanz auch zur emotionalen
wird:
Bei Bob Seger steht das Bühnenerlebnis im Mittelpunkt und überstrahlt alle anderen Erinnerungen. Erst spät am Abend, nach der Show, werden die Gedanken an sie zur Fußnote dieser einen Leidenschaft:
Kip Moore und
Dan Couch beschreiben die Verausgabung noch intensiver. Sie ist nicht mehr nur eine körperliche, sondern sie führt fast bis an den Punkt der totalen Aufgabe. Nur um sich im
nächsten Atemzug doch einzugestehen, dass das Feuer zu sehr brennt, um diesen endgültigen Schritt zu machen.
Auch wenn am Ende die ernüchternde Erkenntnis bleibt, so vieles andere im Leben
dadurch zu versäumen:
Im Interview mit americansongwriter.com beschreibt Kip Moore den Kontext: "Du spürst den Druck von so vielen Leuten und die ganze Zeit diese Erwartungen und all das nimmt immer mehr zu und belastet und belastet und belastet dich und dann hast du keinen anderen Garten in deinem Leben gepflegt."
So werden Musiker auch weiterhin auf endlosen Straßen unterwegs sein, um ihre Fans zu treffen und sie mit funkelnden Auftritten zu begeistern. Es ist Teil der Faszination für das Publikum, ihre Stars live zu erleben, ebenso wie für die Künstler, die dabei ein Stück von der weiten Welt zu sehen bekommen. Aber dass nicht immer alles Gold ist, was glänzt, davon erzählen die Texte ihrer Lieder, wenn man sich die Zeit nimmt, genau hinzuhören.
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