Bescheidenheit und Suche
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(Jonathan Bernstein / rollingstone.com, 22. März 2022)
Im September 2021 ließ Maren Morris auf Instagram erste Andeutungen über ein neues Album fallen. Zu dem Zeitpunkt konnte sie nicht nur auf bereits 5 musikalisch erfolgreiche Jahre im Country Genre (3 Solo-Nummer 1 Hits in den Radio Charts) seit der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums "Hero" (2016) zurückblicken, sondern hatte sich mit dem Crossover Hit 'The Bones', aber speziell dem weltweiten Hit 'The Middle' [mit EDM-DJ Zedd] auch einen Namen im Pop-Umfeld gemacht.
Gleichzeitig war die jüngste Vergangenheit eine persönlich sehr turbulente für Maren Morris, heiratete sie doch Country Sänger-Songschreiber Ryan Hurd 2018 und brachte im März 2020 ihren ersten gemeinsamen Sohn Hayes zur Welt. Dazu kam eine Pandemie, deren Maßnahmen besonders die Künstlerwelt hart trafen. All diese Emotionen, aber auch die Rückbesinnung auf sich selbst, sollten den Versuch einer Aufarbeitung in ihrem dritten Studio-Album finden. So schrieb sie Mitte Jänner 2022 auf Instagram unter anderem:
"Wie es scheint, hat mich die Pandemie zur Bescheidenheit gebracht. Zu oft lautstark meine Meinung zu sagen, hat mich bescheiden gemacht. Der Tod eines geliebten Freundes und Produzenten hat mich bescheiden gemacht. Mutterschaft und Heirat haben mich bescheiden gemacht. 'Bescheiden' bedeutet für mich immer mehr ein grundlegender Zustand, sich selbst zu verstehen. Und nicht so sehr, wie man von anderen gesehen wird.
Außerdem habe ich festgestellt, dass es mir noch nie so leicht gefallen ist, Lieder und Texte zu schreiben, wie in dieser Zeit. Sie passten eigentlich nicht in die Zeit, sie lenkten vielmehr ab von der Zeit und haben mich letztendlich vor diesen Zeiten gerettet.
Deshalb sind das die Geschichten meines Lernens, meiner persönlichen Momente, meiner Liebe für Typen aus dem Mittelwesten, die zumindest einen Fuß größer sind als ich, meiner Schlaflieder, meiner Wein-Gespräche mit einem lieben Freund und meines finalen Abschiedes von so einem.
Bin ich bescheiden genug? Vielleicht. Oder vielleicht habe ich es auch noch nicht herausgefunden."
Mit dieser Umschreibung von bescheiden macht sie deutlich, dass es ihr
eigentlich um Demut geht und darum, sich selbst nicht zu wichtig zu
nehmen - in einer Welt, auf deren Ereignisse man selbst nicht immer Einfluss
nehmen kann. Und leitet damit über zum Titel ihres 3. Studio Albums, das am
25. März 2022 veröffentlicht wurde: "Humble Quest".
Bereits im Jänner 2022 ist die aktuelle Single daraus ('Circles Around This Town') erschienen. Gemeinsam mit Ehemann Ryan Hurd,
Julia Michaels und Jimmy Robbins geschrieben, ist der Midtempo
Titel nicht nur autobiografisch, sondern bereits in den Top-20 der Radio (Billboard Country Airplay) Charts. So beschreibt der Text nicht nur ihre Ankunft in Nashville, sondern
auch den sehnlichst erhofften Durchbruch:
'80's Mercedes' und 'My Church' waren die ersten Hits von Maren Morris, auf die der Song hier Bezug nimmt. Auf dem neuen Album ist 'Circles Around This Town' der erste Titel und die autobiografischen Aspekte begleiten auch den Rest des Albums konsequent.
Das mag einen intimen Einblick in die Gefühlswelt der demnächst 32-jährigen Künstlerin vermitteln, aber gleichzeitig für viele Fans nicht immer die notwendige Identifikationsmöglichkeit bieten. Um diese Kanten daher möglichst abzurunden, hat sich Maren Morris für alle 11 Songs namhafte Songschreiber-Unterstützung wie etwa Lori McKenna, Hillary Lindsey, Liz Rose oder Natalie Hemby ins Boot geholt.
Sie helfen dabei, aus persönlichen Emotionen, allgemein zugänglichere zu
machen. Etwa in der sehnsuchtsvollen Ballade 'The Furthest Thing' über
die physische Entfernung auf Tournee in der eigenen Long-Distance Beziehung
(mit Ryan Hurd) und dem Zweifel daran, ob Trennung wirklich nur die Sehnsucht
vergrößert?
Etwas mehr ins Country Genre lehnt sich 'I Can't Love You Anymore' - trotz des bewusst irreführenden Titels, ist es eine Liebeserklärung an ihren Mann. Denn eigentlich will sie damit sagen, dass sie ihn nicht noch mehr lieben könnte. Auch im poppigen 'Tall Guys' denkt die zierliche Künstlerin an ihn, während das zärtliche 'Hummingbird' nicht nur ihrem neugeborenen Sohn gewidmet ist, sondern dieser darauf sogar kurz zu Wort kommt.
Musikalisch ist der Sound des Albums vom namhaften Pop-Produzenten Greg Kurstin geprägt, zu dem Maren Morris über Kontakte rund um den Hit 'The Middle' gekommen war. Mit anderen Worten, es finden sich kaum klassische Country Elemente im Projekt, ohne jedoch zu sehr in moderne Pop-Gefilde abzudriften. Die mehrheitlich im Midtempo gehaltenen Songs versuchen den schmalen Grat zwischen Pop/Rock und modernem Country zu gehen.
Die Highlights des Projektes finden zum einen im überragenden Song mit dem überraschenden Titel 'Background Music'. Bei der von Maren Morris gemeinsam mit Laura Veltz und Jimmy Robbins geschriebenen Ballade passt von der einfühlsamen Melodie, über die dezente Produktion und dem tiefsinnigen Text alles. Sie macht aus der Beschreibung einer persönlichen Alltags-Situation eine Liebeserklärung, in der diese Liebe trotz aller Vergänglichkeit nicht durch den Tod geschieden wird, sondern im übertragenen Sinn durch die Musik für die Ewigkeit bestehen bleibt.
Noch berührender ist der Abschluss des Projektes mit der Piano-Ballade 'What Would This World Do?'. Gemeinsam mit ihrem Mann Ryan Hurd und Jon Green geschrieben, ist der Song dem Gedenken an den Produzenten ihrer beiden ersten Alben busbee gewidmet, der 2019 völlig überraschend im Alter von nur 43 Jahren an einem Gehirntumor verstorben war. So versucht der Song die Erkenntnis in Worte zu fassen, dass sich die Welt zwar weiterdreht, es aber irgendwie immer noch nicht fassbar ist, dass dieser Mensch nicht mehr da ist.
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