Tagebuch einer Songschreiberin

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"Sei aufgeschlossen und höre es an einem ruhigen Ort. Lass dich mitnehmen. Höre es von Anfang bis zum Ende. Ich hoffe, du lernst ein bisschen über mich oder vielleicht auch über dich. Wir alle versuchen das [Leben] zu verstehen oder brauchen auch mal eine Pause davon. Lasst mich euch dabei helfen." (Lanie Gardner / sweetyhigh.com, 25. Oktober 2024)

6-Pack

"Wir beschlossen, es wurde an der Zeit unseren Sound zu erneuern. Und die Ergebnisse brachten den unmittelbaren Spaß an der Musik zurück. Wir gehen wieder dazu über, mit der gesamten  Band aufzunehmen und erst danach mit dem Computer zu arbeiten. Es fühlt sich an wie ein cooles Hybrid aus Country Feeling mit verschiedenen Rock und Hip Hop Elementen."
(Tyler Hubbard, Flordia Georgia Line / esquire.com, 27. Mai 2020)

Es ist mit Sicherheit enttäuschend, wenn ein von Herzen kommendes Lied, das nicht nur inhaltlich sondern auch umsetzungstechnisch Ehrlichkeit ins Zentrum stellt, kommerziell durchfällt. Denn mit Platz 23 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts erreichte 'Blessings' die schlechteste Platzierung aller bisher veröffentlichten, offiziellen Singles von Florida Georgia Line. Trotz rundum positiver Kritikerbewertungen und einer strategisch richtigen Veröffentlichung im Herbst (mit Blick auf die ruhige, auf Einkehr und auch Weihnachten gerichtete Zeit) wurde das Lied unverständlicherweise nicht zum Hit. Zu schwer tun sich Balladen offenbar immer noch kommerziell.

Als dritte und letzte Single aus dem Album "Can't Say I Ain't Country" beendete sie damit eine am Ende unglückliche Veröffentlichungsstrategie zu einem sehr gelungenen Album, in dem mehr Hits schlummern, als das herausragende 'Simple', das als einzige der 3 Singles bereits im Oktober 2018 Platz 1 erreicht hatte. Aber nach fast genau 2 Jahren, in denen Florida Georgia Line in Summe mit diesen 3 Singls in den Charts vertreten waren, wollte man offenbar keine weitere Single mehr ins Rennen schicken. Zu stark war der Wunsch von allen Seiten nach gänzlich neuer Musik.

Denn inzwischen leben Singles bis zu 1 Jahre oder länger in den Charts (die aktuelle Nummer 1 in den Radio Charts, 'After A Few' von Travis Denning, stellte eben erst einen neuen Rekord auf, in dem sie ganze 65 Wochen benötigte, um die Spitze der Charts zu erreichen). So ist es selbst für etablierte Hitlieferanten, deren Singles schneller an die Spitze klettern und damit auch wieder schneller aus den Charts fallen, schwierig, mehr als 3 Singles aus einem Album zu veröffentlichen. Und wenn es dann wie bei FGL und ihrem letzten Album mit 15 Titeln ("Can't Say I Ain't Country") dann auch nicht gleich klappt, weil falsche Titel veröffentlicht wurden, dann bleiben irgendwann potentielle Hits auf der Strecke, weil erst gar nicht veröffentlicht.

Dem will das Duo von Florida Georgia Line nun energisch entgegensteuern. Nicht nur haben sie mit Corey Crowder einen neuen Produzenten engagiert, sondern auch mit der Anzahl der Titel gehen sie erstmal auf Nummer sicher und veröffentlichen nur eine EP mit 6 Songs. Passenderweise geben sie dem Projekt den Titel "6-Pack" mit passendem Cover Bild dazu.

Und während sie kommerziell damit einen Volltreffer gelandet zu haben scheinen, könnte man dem Projekt auch in stilistisch-inhaltlicher Fortführung des letzten Albums den Titel "Can't Say I Ain't Country, Teil 2" geben. Bereits Ende März 2020, als noch nicht so ganz klar war, ob 'Blessings' weiter promotet werden würde, ist die erste Single 'I Love My Country' erschienen. "Wir haben an unserem neuen Album gearbeitet und es hat unglaublichen Spaß gemacht", betonte Tyler Hubbard von FGL auf deren Instagram Seite. "Wir können einfach nicht länger warten, es ist jetzt Zeit [für neue Musik]!"

Als einen für den Sommer maßgeschneiderten Country-Rock Jam bezeichnete die Zeitung USA Today die Single und nach nur 11 Wochen in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts hat sie auch schon mit großen Schritten Platz 12 erreicht! Das was mit einem Rock-Gitarren Intro beginnt, wandelt sich schnell zu einem höchst eingängigen FGL-Sound, der 1990er-Country ins aktuelle Radio-Zeitalter hieft.



Inhaltlich ist 'I Love My Country' nicht das, was der Titel vermuten lässt -eine patriotische Hymne- sondern vielmehr eine Zusammenfassung aller Merkmale oder Klischees, die ein Leben abseits der Großstadt kennzeichnen. Was das so alles ist, wird im zugehörigen Video mit Unterhaltungswert demonstriert.

Als Autoren fungieren neben dem neuen Produzenten Corey Crowder gleich 4 weitere Namen. Und nachdem Stimmen laut wurden, dass die Melodie des Songs verblüffend an 'Short Skirt Weather' von Kane Brown erinnert, wurde dieser auch noch rasch als Songschreiber hinzugefügt.


Am Beginn der EP jedoch ein mindestens ebenbürtiger Party-Song. Mit perfekt eingepassten und rund geschliffenen Hip-Hop Elementen, bekommt man 'Beer:30' und sein Wortspiel um die Uhrzeit, einmal gehört, kaum mehr aus dem Kopf.
Die ganze Woche habe ich geschuftet,
da kann ein Kühles wohl nicht schaden.
Es ist halb Bier und Zeit für eine Party!
(Tyler Hubbard, Brian Kelley, Corey Crowder, Canaan Smith, Ernest Keith Smith)

Ruhiger wird es mit seinen schunkelnden Hip-Hop Beats im zweiten Song 'Ain't Worried Bout It'. Denn genau das will der Song, wenn auch mit nicht ganz so gelungener Doppeldeutigkeit im Titel, vermitteln. Nämlich nicht, dass einem alles egal ist, sondern vielmehr, dass keine Probleme zu groß sein können, solange doch sie da ist.

Seit 2019 gibt es in den USA eine neue Casting-Show, die sich aktuell in der zweiten Staffel befindet und bis dato noch eine exklusive US-Produktion ist. Im völlig neuen Konzept der Show Songland steht das Schreiben von Liedern. Die Kandidaten sind hier Menschen, die einen selbst geschriebenen Song einer prominenten Jury präsentieren. Diese hilft dann dabei, den Song zu verbessern und zu einer Studio-Aufnahme hin zu entwickeln. In der Jury der aktuellen, zweiten Staffel sitzen Nashville-Songschreiber/Produzent Shane McAnally, Songschreiber/Leadsänger Ryan Tedder von One Republic und die R&B Songschreiberin/Produzentin/Schauspielerin Ester Dean.

Den vierten Platz in der Jury nimmt jeweils ein anderer prominenter Künstler ein, der an der Entwicklung des Songs mitarbeitet und sich am Ende jeder Episode einen Song aus den vorgestellten aussucht, um ihn dann offiziell aufzunehmen. Genauso kamen nun auch Florida Georgia Line zu ihrem dritten Song auf der neuen EP: 'Second Guessing'.



Im Original vom Kanadier Griffen Palmer geschrieben und erstmalig auf Songland präsentiert, führt die finale und letztendlich von FGL aufgenommene Version dann gleich 10 Songschreiber an. Der ruhige Song mit Ohrwurm-Charakter wartet mit einem gelungenen Wortspiel im Titel auf: denn in der eigentlichen Bedeutung des englischen Begriffs second-guessing steckt der Zweifel. Der Text des Liedes trennt das Wort aber auf und der gesamte Refrain bringt die neue Bedeutung des vergekürzten Titels: seit ich dich kennengelernt habe, habe ich nicht eine Sekunde mehr damit verbracht, mir Fragen zu stellen.

Wer sich unvoreingenommen in den unheimlich chilligen Groove von 'Countryside' fallen lässt, der wird sich dort so gut aufgeboben finden, dass man über die x-te Textversion von Glück und Liebe im friedlichen Mondlicht abseits der großen Stadt ohne schlechtes Gewissen hinwegschauen kann.

Erst der fünfte Titel bringt dann auch die patriotische Hymne, die der Titel mit 'U.S. Stronger' unzweifelhaft ankündigt und die in einem vollständigen Country-Reportoire dann wohl doch nicht fehlen darf: wir haben zu kämpfen gelernt und das Recht, unsere Fahne zu hissen. Zwischen Glaube und Freiheit lässt das Lied weder textlich noch stilistisch einen Zweifel daran, in welches Genre das Lied gehört.

Unter dem Strich liefert Florida Georgia Line ein gelungen eingängiges Projekt, mit dem sie ihren zum stolzen Markenzeichen gewordenen, eigenen Stil von Country präsentieren, der von der gelungenen Synthese mit (inzwischen dezenteren) Hip-Hop/Pop Elementen lebt. Und das Ganze gelingt ihnen so kommerziell gut, dass man froh ist, sich nicht nur auf tiefgehende Texte konzentrieren zu müssen, um Spaß am musikalischen Endprodukt zu haben. Denn manchmal geht es ja doch einfach nur um Unterhaltung, die sich in einer Melodie, einer Stimme oder einem Rythmus und Beat findet. Und genau damit glänzt "6-Pack"!

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