2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Einen Gang zulegen

"Warum reist niemand mehr in Zügen ab?
So, wie in den Szenen alter Filme,
in denen der Hauptdarsteller über den Bahnsteig läuft
und ruft: Ich liebe Dich, bitte komm zurück!
Der Zug würde halten und es gäbe eine letzte Chance."
(Trains / Larry Stewart)

Rückblickend hat mich kaum eine Band so sehr begeistert, wie Restless Heart. Ab Mitte der 1980er Jahre konnte dem Quintett rund 10 Jahre lang kaum jemand das Wasser reichen, wenn es um mehrstimmigen Gesang und funkelnden Country-Pop-Rock ging. 15 Top-10 Singles platzierten sie in dieser Zeitspanne, von denen 6 zu Nummer-1 Hits wurden. Vom zeitlosen Thema der ewigen Liebe im längst zum Hochzeitsklassiker avancierten 'I'll Still Be Loving You' bis zum Deep Cut 'New York (Hold Her Tight)' über die Sehnsucht nach einer Trennungen - es war wenig verwunderlich, dass man die Band immer wieder mit den Eagles verglich.

Da, wo die Eagles jedoch durch die psychodelischen Hallen ihres Hotel California wandelten, erdete sich Restless Heart in einer Kleinstadt irgendwo im Mittelwesten, in der man groß träumte, aber dann doch bei seinen Wurzeln blieb. Van Stephenson, Dave Robbins und Entdecker-Produzent Tim DuBois schrieben den Titelsong zu ihrem wichtigsten Album "Big Dreams in a Small Town".

Es steht Schulter an Schulter mit dem Nachfolgeprojekt "Slow Movin' Train", das zugleich ihr viertes und letztes Album in Originalbesetzung war. Zumindest wenn man davon absieht, dass die Band 2004 nach langer Trennungsphase mit "Still Restless" ein weiteres Album veröffentlichte. Kommerziell spielte dieses jedoch keine Rolle mehr.

So wie Peter Cetera den Leadgesang der Band Chicago prägte, so tat das Larry Stewart bei Restless Heart. Auch wenn alle 5 Bandmitglieder als Vokalisten auftraten, war es Larry Stewart der den Sound und damit den Erfolg von Restless Heart ganz entscheidend mitbestimmte. So wundert es nicht, dass seine Bestrebungen zu einer Solo-Karriere ab 1993 den Niedergang der Band einleiteten.



4 Solo-Alben veröffentlichte Larry Stewart in Folge in der zweiten Hälfte der 1990er Jahren. Mit gemischtem Erfolg. Zu wenig gelang es ihm, seine Eigenständigkeit zu finden, zu sehr blieb er identifiziert mit Restless Heart, deren Dynamik aber nun fehlte. 1999 veröffentlichte er mit "Learning to Breathe" sein letztes Solo-Album, nur mehr auf dem Minor-Label Windham Hill Records. Das sehr poppige Projekt beinhaltete eine durchaus gelungene Cover-Version des Lovin' Spoonful Klassikers 'Summer in the City'. Lediglich eine Single wurde aus dem Album veröffentlicht. Sie blieb jedoch kommerziell unbemerkt.

2003 schließlich tauchte Restless Heart dann wieder auf der Musikbühne auf. In Originalbesetzung hatte man sich zu fünft wieder zusammengefunden und ein Album mit neuem Material veröffentlicht, das in vielen Ansätzen wieder an die Erfolgsgruppe aus den frühen 1990er Jahren erinnerte. Kommerziell jedoch waren die Zeiten für Restless Heart leider endgültig vorüber.


2019 wird die Band 35 Jahre seit ihrer Gründung in einem Studio in Nashville feiern. Immer noch kann man sie da und dort live erleben, wie etwa beim alljährlichen CMA Music Fest in Nashville, wo sie 2015 für eine Handvoll Songs auftraten. Dazwischen versucht speziell Larry Stewart immer wieder eigene Projekte umzusetzen, wie etwa die Gründung der Band The Frontmen.

Bestehend aus den Lead Sängern von 3 der erfolgreichsten Country Bands der 1990er Jahre (Richie McDonald/Lone Star, Tim Rushlow/Little Texas und eben Larry Stewart) rückte die Formation erstmals durch ihren wenig rühmlichen Auftritt bei der Angelobung von Präsident Trump in Washington in das Bewußtsein der Öffentlichkeit. Anfang 2018 veröffentlichten sie schließlich einen ersten neuen Song mit dem Titel 'If It Wasn't For the Radio'.



Mit 7. September 2018 versucht sich Larry Stewart nun zum zweiten Mal an einer Solo-Karriere. Oder zumindest an einem Solo-Album auf dessen Cover sein Name steht. "Ich hatte die Chance bekommen, mit großartigen Musikern, Sängern, Songschreibern, Technikern und Produzenten an diesem Projekt zu arbeiten", erklärt er in einem vorgefertigten Presse Statement. "Die Chance zu bekommen, neue Musik zu machen, ist ein großartiges Geschenk, besonders wenn daraus ein Album in voller Länge entsteht. Ich hatte bereits einige Songs, einige habe ich neu geschrieben. Und einige, die ich schon lange singen wollte, habe ich neu aufgenommen."

"Shifting Gears" heißt das neue Album und es beinhaltet 10 Songs. Neben 'If It Wasn't for the Radio' mit Tim Rushlow und Richie McDonald finden sich sich darauf, wie angesprochen, auch 2 Cover Songs. Beides sind Titel, die man entweder lange nicht mehr gehört hat oder vielleicht gar nicht mehr kennt. Aus diesem Aspekt heraus, bieten sie eine willkommene musikalische Erinnerung.



Aber auf der anderen Seite bieten sie nichts Neues, das das Original nicht schon (besser) kann. Da ist einmal 'Behind Closed Doors', der Klassiker von Charlie Rich aus dem Jahr 1973, der sich sehr an das Original hält, auch wenn ihm das markante Piano von Charlie Rich fehlt. Und dann ist da der letzte Song auf dem Album: 'Victim of Love'. Bezeichnenderweise ist es ein Song, den die Eagles für ihr legendäres Album "Hotel California" 1976 aufgenommen hatten. Auch hier ist das Cover dem Original sehr nachempfunden und man wünscht sich, wenigstens den Harmoniegsang von Restless Heart darauf zu hören.

Besser gelungen sind die Songs dazwischen. Das Midtempo 'Ain't Done Man' mit dem Thema, dass da noch was geht und das einen sehr treffenden Album Titel hergemacht hätte. Auf der Power-Ballade 'Compared to Goodbye' begleitet ihn Lisa Matassa und 'Should’ve Run Out of Angels' hat Larry Stewart gemeinsam mit Josh Osborne und Trevor Rosen von Old Dominion geschrieben.



Das schnellere 'Where the White Line Goes' erinnert stark an 'Wheels', den Titelsong aus dem zweiten Restless Heart Album und ein weiterer textlicher Bezug zum Restless Heart Album "Fast Movin' Train" findet sich im Titel des vielleicht besten Song des Albums, 'Trains'. Als Single veröffentlicht wurde jedoch der Midtempo-Song 'What's That Cowgirl See in Me?', ein Liebeslied, dessen kitschiger Titel Schlimmes befürchten lässt. Am Ende jedoch gibt es nicht nur ein Video zu dem Song, sondern auch die gelungene Umsetzung einer eingängigen Melodie.

Das fünfte Solo-Album von Larry Stewart wird vermutlich den Weg in keine Charts finden, zu wenig aktuell, zu wenig bissig und zu sehr rund klingt das Werk des inzwischen 59-jährigen Sängers mit der so heimeligen Stimme. Wer sich aber zurück sehnt, an Radio-freundlichen Country-Pop Sound der 1990er Jahre, der darf sich bei "Shifting Gears" mit Sicherheit ganz zu Hause fühlen. Und dabei wehmütig an die großartigen Harmonie-Gesänge von Restless Heart denken.

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