Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Zu viel Alkohol?

Seit heute kann es offiziell gekauft oder gestreamt werden. Genau 5 Tage nachdem es auf der Plattform Soundcloud am Neujahrstag 2017 erstmals aufgetaucht war. 5 Tage, in denen sich die Nachricht über neue Musik von Sam Hunt wie ein Lauffeuer verbreitete. 5 Tage, in denen die Emotionen darüber hochkochten und damit das fortführten, was wir nicht nur in der abgelaufenen Präsidentschaftswahl schon mitansehen mussten: völlige Polarisierung und Spaltung in 2 Lager. Zwischen Hass und Liebe scheint da für nichts anderes mehr Platz zu sein!
Was ist da passiert?

Am 1. Jänner 2017 verkündete die nur unregelmäßig gepflegte Facebook Seite von Sam Hunt, dass ein neues Lied über Souncloud veröffentlicht wurde. Gleichzeitg wurde das Titelbild der Facebook Seite angepasst, um den Titel des Werks zu präsentieren: 'Drinkin' Too Much'. Das kam völlig unangekündigt und verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf den Insider-Kanälen. Und da es keine weitere Information oder Pressemitteilung dazu gab, entfachte das auch in kürzester Zeit wilde Vermutungen, darüber, ob das nun eine offielle Single zu einem sehnlichst erwarteten neuen Albums wäre, kam es zu hitzigen Diskussionen über die Qualität des Materials und zu Bestürzung, als kurz darauf die Verlobung von Sam Hunt bekannt gegeben wurde.

2014 hatte Sam Hunt sein offizielles Debüt Album "Montevallo" veröffentlicht und damit einen völlig eigenständigen Sound eingebracht, der im Country Genre für helle Aufregung sorgte. Die starken Hip-Hop Elemente mit gesprochenen Textsequenzen und die Country-lastigen Geschichten, die er damit erzählte, waren etwas noch nie dagewesenes. Und obwohl das Genre bekannt dafür ist, neuen Elementen gegenüber zögerlich eingestellt zu sein, wurde Sam Hunt mehrheitlich mit offenen Armen aufgenommen.

Das führte dazu, dass "Montevallo" bis dato den Doppel-Platin Status erreicht hat und von den 5 veröffentlichten Singles unglaubliche 3 auf Nummer-1 und 2 auf Nummer-2 der Billboard Hot Country Song Charts kletterten. Alle 5 Songs wurden dabei auch zu Top-40 Pop Hits (Billboard Hot 100) und verkauften in Summe über 6 Mio. Stück. Damit schrieb Sam Hunt eine noch selten dagewesene Erfolgsgeschichte. Erst 2016 wurde es ruhiger um ihn. Aber es reichte, dass auch die 5. Single aus dem Album ('Make You Miss Me') zu einem Nummer-1 Radio Hit (Billboard Country Airplay Charts) wurde.

Trotzdem war da nicht nur Sonnenschein. Denn schon relativ rasch hatten konservative Stimmen begonnen, Sam Hunt für seinen Stil (sowohl musikalisch, als auch optisch) anzufeinden. Zu sehr wäre er Pop oder Hip-Hop und hätte nichts zu suchen, in einem Genre, das auf jahrzehntelanger Tradition aufgebaut wurde. Gut besuchte, konservative Web-Blogs wie beispielsweise Saving Country Music machten ihn zum Staatsfeind Nummer 1 und alles schlecht, was mit seinem Namen verbunden war.

2015 war Sam Hunt und sein erstes Album fast überall als Neuer Künstler für Preise nominiert oder gar ausgezeichnet worden. 2016 wurde es wesentlich ruhiger und als gegen Jahresende noch immer keine Ankündigung über neue Musik erschienen war, frohlockten die Kritiker bereits über den Einmalerfolg und die Trendwende in der Country Music. Nachdem auch Sam Hunts Soziale Medien nur sporadisch bedient wurden, herrschte in allen Lager Ratlosigkeit - bis zu jenem 1. Jänner 2017.

"Es tut mir leid, dass ich das Album 'Montevallo' genannt habe.
Und es tut mir leid, dass die Leute jetzt deinen Namen kennen.
Und auch, dass dich Fremde über soziale Medien kontaktieren.
Es tut mir leid, dass du nicht mehr Radio hören kannst."

So beginnt die erste Strophe in 'Drinkin Too Much'. Ein Werk, das in der Originalversion mehr gesprochen als gesungen wird. In seiner brutalen Offenheit wirkt es, als würde man eine spätnachts auf einen Antrufbeantworter gesprochene Nachricht abhören. Der verzweifelte Anruf nicht irgendeines Manns mit Liebeskummer, sondern der Anruf von Sam Hunt bei Anna Lee Fowler, die aus dem kleinen Ort Montevallo stammt, um ihr zu sagen, dass er sie nicht vergessen kann. Und dass es ihm leid tue, was geschehen sei.

"Ich weiß, du willst deine Privatsphäre,
und dass du mir nichts mehr zu sagen hast.
Aber ich wünschte du würdest mich den Kredit
für dein Studium zurückzahlen lassen,
für die Lieder, die du mir gegeben hast.
Denkst Du noch an das erste Mal,
als du bei mir übernachtet hast?"

Lady Antebellum hatten das in ihrem Superhit 'Need You Now' 2009 schon beschrieben. Den nächtlichen Anruf unter dem Einfluss von Alkohol bei dem oder derjenigen, die man nicht vergessen kann. Aber die nur vage gehaltene Situation, die doch jedem vertraut sein wird, bringt Sam Hunt ganz konkret auf den Punkt. Hier geht es um ihn und um seine Geschichte. Seine Liebesgeschichte. Darüber, sich zu finden und sich zu verlieren, über Glück und Fehler, über Schmerz und Sehnsucht und eine Andeutung darüber, was schließlich alles kaputt gemacht hat.

"Vor einem Jahr, in einem Hotelzimmer in Phoenix,
war ich voller Zweifel, ob ich lügen sollte,
denn die Wahrheit würdest du nicht ertragen können.
Aber ich erzählte dir alles.
Und du sagtest mir, ich solle mich zum Teufel scheren.
Und trotzdem wolltest du nicht glauben, dass es wirklich aus ist.
Jede Nacht hast du dich in die Badewann gelegt,
den Kopf unter Wasser getaucht und geweint.
Ich wollte nicht dein Herz brechen."

Ist das alles zu persönlich? Will man das hören, und wenn ja, befriedigt es nur den Vojeurismus in uns allen? Zweifellos entstehen die berührendsten Texte (ob in der Literatur, im Film oder in der Musik) aus persönlichen Erfahrungen. Aber selten wurden sie speziell in der Musik so direkt offengelegt. Und in dieser Offenheit liegt auch Ehrlichkeit und wer zuhört, der wird auch die Emotion dahinter spüren. Natürlich lässt sich für den Ausenstehenden nicht feststellen, ob es sich tatsächlich um die Wahrheit und nichts anders als die Wahrheit handelt. Aber darum geht es ja auch gar nicht. Schließlich ist das kein Kreuzverhör, bei dem der Künstler Rechenschaft ablegen muss.

"Ich trinke zu viel, ich trinke zuviel.
Seitdem du fort bist, kriege ich nicht genug.
Erst ganz oben, dann ganz unten.
Ich höre erst auf, wenn du nicht mehr da bist."

Vielmehr entsteht ein emotionales Bild. Und wir fühlen einen verzeifelten Hilferuf. Es scheint der letzte Ausweg, der noch geblieben ist.

"Ich weiß es mag wie ein Widerspruch klingen.
Das letzte was du brauchst, ist noch mehr Aufmerksamkeit.
Aber du hast deine Nummer geändert und bist verzogen.
Und das ist der einzige Weg wie ich dich erreichen kann.
So, wo auch immer du bist, hör mir zu."

Nur der Schluss klingt irgendwie bedrohlich und fast ein wenig verstörend. Erinnert er an den Falco-Hit 'Jeannie' ("Sie werden dich nicht finden, niemand wird dich finden, du bist bei mir")?

"Hannah Lee, ich komme zu dir.
Niemand kann dich so lieben wie ich.
Ich weiß nicht, was ich dir sagen werde,
aber ich weiß, es kann nicht sein,
dass es aus ist zwischen uns."

Die genaue Reihenfolge der Geschehnisse kennen wir nicht, aber bereits 2 Tage nach Veröffentlichung des Liedes wurde vom Management die Verlobung von Sam Hunt mit Hannah Lee Fowler bestätigt. Offenbar waren die beiden bereits die vergangenen Wochen gemeinsam auf Reisen gewesen, wie Bilder und Videos aus Israel auf Sam Hunts Instagram Account andeuten. Sie war diejenige, die Sam Hunt immer wieder, als die Inspiration für die meisten Songs auf "Montevallo" angeführt hatte. Dass er nun so plötzlich verlobt ist, bricht jetzt unzähligen weiblichen Fans im Netz das Herz.

Ob 'Drinkin' Too Much' eine offizielle Radio-Single wird und wenn ja, in welchem Genre sie platziert wird, bleibt nach wie vor offen, auch wenn sie jetzt offiziell veröffentlich ist. Genaugenommen sind es ja sogar 2 Songs, denn der Titel ist in 2 Versionen erschienen. Neben der Harcore Hip-Hop Version, die viele an 'Take Care' von Drake erinnert, gibt es auch eine Radio-freundlichere und für viele gelungenere akkustische Version mit dem Nachsatz 8pm.




Inzwischen sind beide Versionen auf youtube abrufbar. Sogar der Rapper Kendrick Lamar hat den Song in seiner ersten Version auf seiner youtube Seite offiziell gepostet. Weiters sind in den knapp 5 Tagen seit Veröffentlichung schon die ersten Cover-Versionen online gegangen. Darunter findet sich neben der textlich adaptierten Version der Bloggerin Cheyenne Goss, die äußerst gelungene Version von Angie Keilhauer.

Die in El Salvador geborene und im US-Bundesstaat Georgia lebende Singer-Songwriterin war im vergangenen Jahr in der US Casting Show The Voice aufgetreten und bis in die Knock-Out Rounds gekommen. Inwzischen gibt es eine offizielle und durchaus hörenswerte EP mit 7 Songs unter dem Titel "Wild" von ihr und sie ist mit dem Country Newcomer Jacob Bryant auf Tour.




Mit Spannung erwarten wir jedenfalls die weitere Entwicklung um Sam Hunt, ebenso wie die nächsten (itunes) Charts und machen uns weniger Sorgen um das richtige Label für Sam Hunt, sondern einfach nur darüber, ob uns 'Drinkin' Too Much' in irgendeiner Form anspricht oder nicht. Speziell in der akkustischen Version hat das bei mir schon ganz gut funktioniert.

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