Revolverheld (Teil 2)

Seit 25. November 2016 ist es nun also auch für Nicht-Target Kunden erhältlich: das zweite Album von Garth Brooks mit neuem Material seit seinem Comeback 2014 mit dem Titel "Gunslinger". Zu diesem Zeitpunkt konnten es Target-Kunden bereits seit 2 Wochen erstehen. Allerdings nur im Paket mit 9 weiteren CDs aus nicht zum ersten Mal wiederveröffentlichtem Material unter dem Titel "The Ultimate Collection". Dieses Box-Set verkaufte in der ersten Woche rund 134.000 Stück und lag damit haarscharf hinter dem meistverkauftesten Album der Woche in den USA ("We Got It From Here ... Thank You 4 Your Service" von der Hip-Hop Gruppe A Tribe Called Quest).

Die Zahlen für diese Woche werden laut Buzzangle bei rund 100.000 Stück erwartet. Damit ist "The Ultimate Collection" wiederum das zweit-meistverkaufte Musikprodukt in den USA, hinter Metallica und vor Bruno Mars. Allerdings wird es nicht in den offiziellen Billboard 200 Album Charts gelistet! Der Grund dafür ist, dass das Box-Set zu einem offiziellen Preis von $29,99 erhältlich ist und damit pro enthaltener Disk nur $2,99 kostet. Das ist weniger als der von Billboard im Jahre 2011 festgesetzte Mindestpreis, um in die Charts aufgenommen zu werden. Diese Regel gilt für 4 Wochen, erst danach wird ein Album, das weniger als $2,99 kostet, in den Charts zugelassen.

Auslöser für die Einführung dieser Regel war das Album "Born This Way" von Lady Gaga, das 2011 von Amazon als Promotion für deren Online Store auf einen Preis von lediglich 99 Cents reduziert worden war. Diese Abverkaufsokkasion führte zu Verkaufszahlen, die keine faire Einschätzung der wirklichen Popularität mehr zuließ. "Ich werde nicht den Preis erhöhen, den die Leute für die Musik bezahlen müssen, nur damit ich in irgendwelchen Charts aufscheine. Das ist nicht mein Ding.", äußerte sich Garth Brooks gegenüber Billboard Magazine zu diesem Thema. Man mag es ihm nicht so recht glauben.

Aber möglicherweise ist es ihm in der Tat viel wichtiger einmal der meistverkaufteste Musikinterpret in den USA zu sein. Denn noch liegen die Beatles mit knapp 40 Mio. verkauften Alben vor ihm. Aber jedes Box-Set, das bei Target gekauft wird, bringt ihm 10 Einheiten auf seinem Verkaufskonto. Und dabei zählt gar nicht so sehr, wieviele Stück davon tatsächlich von Endkungen gekauft werden. Es reicht, dass Target diese für seine Filialen bestellt. Und bei dem aktuellen Exklusiv-Deal kann man schon eine verhandelte Abnahme von zumindest 500.000 Stück vermuten, was sich zu 5 Mio. verkauften Stück übersetzen würde.

Das hilft dem Album Solo-Album "Gunslinger" in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings nicht. Die ersten Verkaufsschätzungen liegen bei schwachen 25.000 Stück. Aber wir haben eben nicht mehr die 1990er Jahre, als kaum ein Musikinteressierter an Garth Brooks vorbeikam. Heute haben die meisten Fans ihr Box-Set gekauft, oder auch das Kombi-Set von "Gunslinger" mit dem Weihnachts-Duett Album mit Trisha Yearwood. Oder aber überhaupt das Package aus 2014 zum Comeback Album "Man Against Machine", das eben auch das damals noch zukünftige Album bereits beinhaltete.

Und letzteres hat auch erstaunlich gut geklappt, was ich persönlich bestätigen kann. Auch wenn man in der Zwischenzeit schon fast vergessen haben könnte, dass man ja die Lizenz für ein weiteres Album mitgekauft hat. Per Email über GhostTunes bekam man aber noch am 24. November (also dem Tag vor dem offiziellen Erscheinungstermin von "Gunslinger") eine Email mit Download-Link. Klappte problemlos. Fertig. Kunde zufrieden.

Genaugenommen ist die Version von "Gunslinger", die bei Target in der Box gekauft werden kann, ja eine Deluxe-Version, denn sie beinhaltet zwei zusätzliche Titel. Da ist erstmals die Neuaufnahme von 'Friends in Low Places'. Eine Collaboration mit George Strait, Jason Aldean, Keith Urban und Florida Georgia Line, die eigentlich schon zum 25-jährigen Jubiläum des Songs im letzten Jahr erscheinen hätte sollen, aber letztendlich an vertragsrechtlichen Themen gescheitert war.

Daneben gibt es dort noch den Song 'Sugarcane', der interessanterweise ursprünglich auf der Standardversion hätte enthalten sein sollen und dafür 'Cowboys and Friends' als Target-Exklusiv Track in der Box Version. Tatsächlich ist es nun umgekehrt.

Die Medien haben das neue Album recht gemischt und wenig überschwenglich aufgenommen. Die Los Angeles Times schreibt: "Garth Brooks verfehlt das Ziel mit einem zu sehr auf Sicherheit getrimmten Gunslinger" und gibt ihm 2 von 4 Sternen. Rolling Stone Country meint: "Garth Brooks' Enthusiasum kann mittelmäßiges Material nicht retten." und der Britische Independent gibt ihm ebenfalls nur 3 von 5 Sternen.

Wesentlich besser kommt das Album auf der Verkaufsplattform Amazon weg, mit der Garth Brooks ja nun einen Exklusiv-Vertrag hat. Entsprechend kann es dort entweder in physischer Form oder als Download kaufen. Allerdings ist der Download-Kauf nur für das komplette Album möglich, nicht für einzelne, ausgewählte Songs daraus. Also genau das, was Garth Brooks wünschte und was ihm itunes offenbar nicht bieten wollte. Hinzu kommt, dass Amazon die Möglichkeit bietet, auch ein physisches Produkt zu verkaufen.

Somit bleibt Amazon vorerst der einzige Verkaufskanal, abgesehen von GhostTunes, das Garth Brooks im Rahmen seines Comebacks 2014 ins Leben gerufen hatte. Zu seiner weiteren Rolle im Zusammenhang mit GhostTunes äußerte er sich im Oktober gegenüber Rolling Stone Country übrigens wie folgend: "Wahrscheinlich Anfang kommenden Jahres, wenn alle Verpflichtungen erfüllt sind, wird Garth Brooks GhostTunes verlassen. Ob GhostTunes verschwinden wird, weiß ich nicht".

Streaming des Albums (und damit das Konsumieren auch einzelner Songs) über Amazon Music Unlimited ist erstmal für später angekündigt. Vorerst will man nur das Album in voller Länge verfügbar machen. Ein Album-Interpret, das wollte Garth Brooks immer sein und bleiben. Kommerziell wird er sich damit wohl ins eigene Fleisch schneiden, denn die Zeiten, in denen ganze Alben gekauft wurden, sind wohl endgültig vorbei. Auch wenn Taylor Swift oder Adele mit ihren über 8 Mio. alleine in den USA verkauften Stück von "25" die Welt eines besseren belehren wollten. Oder es zumindest für kurze Zeit die Industrie glauben ließen.

Denn Nummer-1 Alben in den Billboard 200 (der Pop-Album Hitparade) verkaufen heutzutage kaum mehr als 100.000 - 150.000 Stück in physischer oder Download Form. Lange vorbei sind die Zeiten als Stückzahlen der doppelten oder dreifachen Menge normal waren. Laut Billboard liegen die Rückgänge der Verkaufszahlen von Alben (in physischer und digitaler Form) alleine zum Vorjahr zwischen -15% bis -20%. Und wenn in einer Welt, in der Songs und nicht mehr Alben konsumiert werden, diese Songs für den Konsumenten nicht verfügbar sind, dann verbannt man sich selbst in eine Nische.

Selbst auf youtube ist Garth Brooks bis dato offiziell nicht vertreten. Und so kommt es, dass die New York Times als sie in ihrer Musik-Kolumne vom 25. November 2016 einen Song aus dem neuen Album vorstellte, auf die Coverversion eines Amateurs auf youtube zurückgreifen musste. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Auftritt in der Talk-Show Ellen, wo Garth Brooks im Oktober zu Gast war und die erste Single aus "Gunslinger" 'Baby, Let's Lay Down and Dance' vorstellte. Allerdings auch nur, weil der Auftritt über TheEllenShow verfügbar gemacht wurde.

Hinzu kommt: kein youtube, keine Videos mehr! War Garth Brooks in den 1990er Jahren noch an vorderster Front in Bezug auf Videoproduktionen, hat er sich dieses Medium nun ganz genommen. Denn youtube ist längst zum MTV (und mehr) der 2010er Jahre geworden. So findet man ihn aktuell auf youtube nur in Ausschnitten aus der populärsten US-Musik Casting Show The Voice, wo er im Rahmen der Live-Shows in die Beraterrolle geschlüpft ist. Eine der vielen PR-Aktionen rund um das neue Album.

So bleibt nur mehr ein Blick auf das Album selbst und damit die Musik, um die es eigentlich gehen sollte. Im Gegensatz zu seinem letzten Album hat Garth Brooks diesmal 9 der 10 Songs zumindest mitgeschrieben. Lediglich die Ballade 'Ask Me How I Know' stammt nicht aus seiner Feder. Damit ist ein Werk entstanden, dass sich fast nahtlos an seine Alben aus den 1990er Jahren anschließt. Selbst der Titel folgt seinem damals beliebten Schema: es findet sich kein Lied auf dem Album, das den Namen des Albums trägt.

Abwechslungsreich, von zutiefst traditionell bis zu modern, voller Geschichten über das Leben und die Liebe ist es ein Album mit mehr Höhen als Tiefen. Und es ist ein Album, das mit wiederholtem Hören besser wird und für mich ein durchaus gelungenes Album darstellt.

Wirklich gewöhnungsbedürftig ist lediglich der Titel 'Bang! Bang!', der wohl im Hinblick auf Publikumsbeteiligung in einem Konzert passend sein könnte, aber ansonsten bei mir (und anderen im Netz) auf wenig Gegenliebe stößt.

Die poppige erste Single 'Baby, Let's Lay Down and Dance' mit seinen funkigen Bassläufen liegt derzeit auf Platz 26 in den Radio Charts (Billboard Country Airplay Charts), was bedeutet, dass der Song im Radio gespielt wird. In den Billboard Hot Country Song Charts, die auch Verkaufszahlen, sowie Downloads und Streaming berücksichtigen, liegt der Titel (aus den oben diskutierten Gründen) allerdings nur auf Platz 42 (unverändert).

Somit wird es vom Radio abhängen, ob Garth Brooks im musikalischen Programm seiner World Tour Platz schaffen muss, um neben den Greatest Hits aus der Vergangenheit auch neue Hits präsentieren zu können. Letztendlich wird es von diesem Barometer der Popularität abhängen, ob Garth Brooks nochmal mehr sein kann, als lediglich der Superstar der 1990er Jahre auf einer Revival Tournee. Auch wenn diese Tour zur größten aller Zeiten werden könnte.