Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Zurück zu den Wurzeln

Am 29. August 2016 ist das von vielen mit Spannung erwartete dritte Album von Florida Georgia Line mit dem Titel "Dig Your Roots" erschienen. Höchstwahrscheinlich wird es auf Platz 1 der Liste der aktuell populärsten Alben in den USA (Billboard 200) einsteigen. Und damit noch vor den ebenfalls neuen Werken von Barbara Streisand und Britney Spears.

Die nun schon wochenlange Nummer 1 'H.O.L.Y.', aber auch die neue Single 'May We All' sollten zeigen, wohin es auf dem neuen Album gehen soll. Aber war das nicht nur eine leere Versprechung, so wie der Hit 'Dirt', der auch beim letzten Album verfrühte und dann nicht erfüllte Hoffnungen weckte?

"Dig Your Roots" mag kein Anwärter auf das beste Album aller Zeiten sein, aber wer (wie ich) die beiden ersten Alben des Duos ein wenig links liegen hat lassen, weil sie stilistisch zu eintönig und thematisch zu wenig abwechslungsreich waren, der sollte sich jetzt die Zeit nehmen, reinzuhören! Denn in der Liste der Besten des Jahres könnte es sich schon einen überraschenden Platz verdient haben.

15 Titel sind auf dem Album enthalten und so kurz nach dem Erscheinen werden vorallem 3 davon wiederholt zitiert:

Da ist erstmals ganz klar die großartige Sommer-Ballade, mit der FGL sich nicht nur musikalisch in völlig neuem Licht präsentieren, sondern zweifellos auch viele neue Fans gewinnen konnten. 'H.O.L.Y.' ist nicht nur im Country Segment der unumstrittene Sommerhit 2016, sondern selbst in den Billboard Hot 100 (also den Pop Charts) kam der Song bis auf Platz 14!

Dann wird das Duett mit einer anderen Gruppe aus Florida genannt, nämlich den Backstreet Boys. Ich persönlich halte 'God, your Mama, and Me' für einen der schwächeren Titel, weil das schmachtende Bekenntnis zur immerwährenden Liebe (die sich in jedem Fall bei Gott und Mama findet) nur künstlich und kitschig wirkt. Aber die Schlagworte zu Familie und Religion treffen natürlich treffsicher ins Herz des klassischen amerikanischen Country Zielpublikums. Und es deutet den Themenwechsel an, an den sich FGL wagen wollen.

Beispiel Nummer 3 auf der Marketing Vorzeigeliste zum Album ist ein weiteres Duett mit einem bekannten Künstler, nämlich das mit dem Sohn von Reggae-Legende Bob Marley, Ziggy Marley. Der relaxt groovende Reggae Titel ist thematisch schon eher ein Song, der sich nahtlos in die Sommer, Sonne, Party Stimmung einreiht, die zum Markenzeichen von FGL geworden ist. Gemeinsam geschrieben bietet er alles, was man sich von einer Sommerstimmung erhoffen kann ("dreh die Sommer Songs auf, wir haben Spass und lassen Marley erklingen, bring uns die Cervesa, den die wollen wir trinken und keinen Moment versäumen"), nur der Titel 'Life is a Honeymoon' geht etwas daneben.

 In Fortführung dieser 3 Titel bietet das Album eine gelungene Kombination aus, dem wofür FGL steht und andererseits neuen Themen im Reportoire des Duos. Die Produktion ist dabei wesentlich ruhiger als auf den beiden ersten Alben, mit stärkeren Country Elementen, aber ohne den feinen R&B oder Hip-Hop Sound ganz abzulegen.

In den lasziven R&B Balladen 'Island', 'Heatwave' und 'Summerland' geht es nicht nur um Sommer, Sonne und Strand, sondern ganz unverblümt um Sex ("meine Hand da, wo keine Sonne hinkommt, vergiss den Sand, gleich denken wir nicht mehr daran").

Weniger explizit und ein wenig mehr im Country Sound präsentiert sich die Liebeserklärung von 'Lifer'. Sie zitiert nicht nur den George Strait Hit 'Check Yes Or No', sondern beinhaltet auch einen versteckten Hochzeitsantrag: "weil ich glaube, dass wir Berge versetzen können, wenn wir gut sind und ich glaube, dass ich nicht ich selbst bin, wenn Du nicht für mich das weiße Kleid anziehst, denn das Leben ohne Dich ist einfach nur leblos".

Zu den zweifellos besten Titeln gehört der Titelsong. Mit der Besinnung auf Herkunft und Familie kommt er dem Kitsch gefährlich nahe, strauchelt dabei aber nie.

Höchst berührend zeigt sich 'While He's Still Around' (geschrieben unter anderem mit Craig Wiseman). Wohl inspiriert durch den Tod von Tyler Hubbards Vater, der im jungen Alter von 43 als Helikopter-Pilot bei einem Absturz ums Leben kam, plädiert das Lied dafür, sich für Menschen Zeit zu nehmen, solange sie noch da sind. Zu schnell kann das Leben vorüber sein. "Denn man weiß nie, wann das Telefon läutet und Du erfährst, dass der Himmel andere Pläne hatte anstatt all der Dinge, die Du mit ihm tun wolltest".

Noch eins drauf setzt 'Grow Old', geschrieben von Zachary Kiel und Canaan Smith. Eine Liebeserklärung, die einen durch die Stationen des Lebens begleitet. Jede Strophe steht für eine Phase im Leben. Vom Kennenlernen zum Zusammenziehen, zum Gründen einer Familie, dem Aufziehen der Kinder und dem Lebensabend in der letzten Strophe, wenn die Enkelkinder 18 werden. Hätte man jemals gedacht, dass FGL eine Lied singen könnten, in dem die berührende Textzeile "es wird so verdammt weh tun, wenn wir unsere Eltern verlieren" vorkommt?

Billboard Magazine gegenüber erklären die beiden: "Nachdem wir beide um die 30 sind, fangen wir an über Familie und Kinder nachzudenken. Was wollen wir unseren Kindern beibringen? Wie sollen sie aufwachsen? All diese Dinge führen dann auch dazu, dass sie beim Schreiben von Songs zum Thema werden." So waren Hubbard und Kelley bei nicht weniger als 8 Songs als Co-Autoren beteiligt.

Bereits zu den tragischen Ereignissen der Rassenunruhen in den USA im Sommer 2016 hatten Florida Georgia Line auf ihrer Facebook Seite einen Ausschnitt aus dem Song 'Music Is Healing' gepostet. Mit Keyboard und elektronischen Elementen versehen, stellt sie ein weiteres Highlight dar. Auch hier ist Craig Wiseman bei der Entstehung des Liedes beteiligt und dem Text kann man nicht viel hinzufügen: "Wenn ich den perfekten Song schreiben könnte, und die Welt damit verändern, den Schmerz, den wir fühlen, wiedergutmachen, das Blut zu stillen, uns wieder Vertrauen zu geben, dann ist Liebe die Antwort und Musik die Heilung".

"Dig Your Roots" ist ein höchst gelungenes Album, das sich auch bei denen eine Chance verdient, die bisher nur verächtlich auf FGL herabgeblickt haben. Es könnte in der Tat ein neues Kapitel in der Karriere von Florida Georgia Line einleiten. Neben dem Mut für neue Themen und ruhigere Musik, muß man ihnen aber auch Respekt dafür zollen, dass sie sich nicht völlig verbiegen lassen. Denn Hip-Hop und R&B ist einfach auch Teil ihrer DNA und damit erschufen sie ihren eigenen Stil, noch bevor ihn Sam Hunt in Folge perfektionierte.

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