Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Ist es Country genug?

"Wo zieht es Dich denn hin?
Ist es Country genug,
hat es auch genug Glamour?
Nein, es sind einfach nur wir."
(Just Us / Randy Owen, Alabama)

Seitdem ich Country höre -und das sind nun schon einige Jährchen- wird darüber gestritten und diskutiert, was und wer Country ist und was oder wer nicht. Immer schon gab es das traditionelle Lager, für das nur die Vergangenheit zählte. Die Musik von heute durfte sich für diese Traditionalisten nur in diesem eng abgesteckten Terrain bewegen. Diese Fans halten sich gewissermaßen an die Definition im Lexikon, die da lautet:

Country Music ist eine Stilrichtung und ein Genre von populärer Amerikanischer Musik, das vorwiegend Saiteninstrumente nutzt und deren Wurzeln in der Folk Music des Südostens, sowie der Cowboy Musik des Westens liegen, typischerweise mit Gesang, in einfacher Form und Harmonie, geprägt durch romantische oder melancholische Balladen, begleitet von akustischer oder elektrischer Gitarre, Banjo, Violine und Harmonika."

Im Internet gibt es vehemente Verfechter dieser einen Wahrheit. Während Country Perspective ein moderater und nicht ganz unsachlicher Blog ist, wird es bei SavingCountryMusic schon mal ordentlich tief. Wenn man dort die Einträge liest, dann glaubt man sich auf einem Schimpftiraden-Wettbewerb. Alles was da nicht der traditionellen Vorgabe entspricht (welche das so genau ist, da sind sich die Poster selbst oft uneins) wird gnadenlos fertig gemacht.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, für die Country Musik das ist, was heute im US Country Radio gespielt wird und in den Charts vertreten ist. Da sind mit Sicherheit viele dabei, die aus anderen Genres gewechselt haben und die damit auch weniger Probleme damit haben, dass nicht mehr alles so klingt wie vor 50 Jahren. Nach dem Motto, es gibt nur gute oder schlechte Musik.

Für das traditionelle Lager sind das natürlich schlichtweg Verräter und die dadurch erfolgreich gewordenen Interpreten, nur talentlose Popmusik-Verschnitte (wie beispielsweise "Antichrist" Sam Hunt). Diese würden sich nur als Country Musiker ausgeben, weil sie so leichtes Geld machen könnten, und in der viel härteren Pop Branche dazu nicht das Zeug hätten.

Extreme Argumentationen auszureizen, rüttelt sicher auf und hinterlässt Eindruck, in der Hoffnung damit was bewegen zu können, aber die Wahrheit liegt wie vieles im Leben, mit Sicherheit irgendwo dazwischen. Und derbe Worte mit Verachtung helfen nicht weiter. Denn wie gesagt, ist das alles nicht neu.

In den Anfängen der kommerziellen Country Music (sprich in den frühen 1950ern), spielte sich diese in einem mehr oder wenigen geschützten Bereich ab. Country (& Western, wie sie damals noch hieß) war die Musik des armen Südens und was anderes gab es da nicht wirklich. Das machte Hank Williams trotz seines frühen Todes im Alter von nur 29 Jahren (1953) zum ersten musikalischen Superstar (des Amerikanischen Südens), dessen Einfluss sogar bis heute in die aktuelle Musikwelt nachhallt.
Daher gab es weder die Notwendigkeit, noch die Möglichkeit stilistische Änderungen einfließen zu lassen. Die Weißen hörten Country, das oft als der Blues des weißen Mannes bezeichnet wird, während die schwarze Bevölkerung sich dem Blues zu wandte, der aus der Sklavenmusik des 19. Jahrhunderts und früher entstanden war.

Und nachdem der Süden besonders gläubig war, spielte die Kirche für alle Bevölkerungsschichten eine zentrale Rolle - und damit der Gospel, dessen Elemente bis heute in fast alle Amerikanischen Stilrichtungen von Musik Eingang gefunden haben.

All das begann sich erstmals wirklich zu ändern, als ein weißer Junge aus Tupelo, Mississippi 1954 die Weltbühne betrat, und genau diese Musikstile des Südens zu einem neuen Genre zu verschmelzen begann; auch wenn er ursprünglich nur Country Sänger werden wollte. Das war das erste Mal, dass das traditionelle und konservative Country Music Establishment sich Veränderungen verschloss und dem jungen Elvis Presley nahelegte, sein Glück woanders zu versuchen.


Erst als Elvis so bekannt wurde, dass er alleine die Country Music in den Abgrund zu reissen drohte, weil keiner mehr an ihr interessiert war, kamen die ersten Änderungen. Traditionelle Instrumente wichen moderneren, Streicher und Chöre schufen einen weicheren, poppigeren Sound direkt aus dem Studio. Der Nashville Sound war geboren, denn, wie Produzent Owen Bradley argumentierte, "Die Musik muss sich immer weiterentwickeln, damit sie zeitgemäß bleiben kann."

Interpreten wie Jim Reeves, Patsy Cline, Brenda Lee, Floyd Cramer, Lynn Anderson, Marty Robbins oder Charlie Rich wurden unterstützt von Produzenten wie Billy Sherrill und Chet Atkinks, die der Country Music mit diesem 'Countrypolitan'-Sound wieder kommerzielle Erfolge verschafften. Der Grundstein für Country-Pop war gelegt und für die wohl ersten Diskussionen darüber, was noch Country war und was schon Pop.

In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, mit dem Tod von Elvis, begann auch der Nashville Sound zu verblassen, man hatte sich satt gehört und traditionellere Töne kehrten zurück.

Zu Beginn der 1980er Jahre dominierte ein Kinofilm die Entwicklung der Country Music: 'Urban Cowboy' mit John Travolta in der Hauptrolle setzte die "Urban Cowboy-Periode" der Country Music in Bewegung, die starke Pop, aber auch erstmals Rock-Einflüsse zeigte, wie etwa die Musik der Charlie Daniels Band.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre dominierte dann eine Band das Genre: Alabama. Fast parallel dazu brachte Randy Travis den Neo-Traditionalismus zum kommerziellen Erfolg. Die 1990er gelten als Periode, in der die Country Music so vielfältig war, wie lange nicht. Traditionalisten wie Alan Jackson, Clint Black oder George Strait wirkten neben Vertretern moderner Elemente, wie Lee Greenwood, Earl Thomas Conley oder Ronnie Milsap und Kenny Rogers. Und dann war da natürlich der neue Gigant Garth Brooks, bei dem sich von fast allem etwas findet, auch wenn er musikalisch immer der traditionellen Stilrichtung treu geblieben ist.

Die aktuell letzte Entwicklung des Bro-Country mit seinen starken Hip-Hop und EDM (eletronic dance music) Elementen wurde u.a. durch Florida Georgia Line ('Cruise'), aber auch Jason Aldean, Luke Bryan und natürlich Sam Hunt ausgelöst. Sie brachten Elemente in die Country Music, die es zuvor in dieser Direktheit noch nicht gegeben hat. Und die aktuell in der Tat viele traditionelle Elemente komplett verdrängt haben. Verschwunden sind Balladen, selten geworden sind Texte mit Alltagsgeschichten über Beziehungen und Arbeitsumfeld.

Das ist es was das traditionelle Lager so verachtet und sich dabei im Stich gelassen fühlt, weil Radio und Industrie nur mehr auf diesen Zug aufgesprungen sind. Das Pendel ist momentan in der Tag sehr stark in die moderne Richtung ausgeschlagen. Und manche befürchten, dass es nicht mehr in die traditionelle Ecke zurückkehren wird.

Dabei ist es in Zeiten des Internets und von Spotify oder Satelliten Radio in den USA ohnehin so einfach, sich seinen persönlichen Musikgeschmack zu erfüllen. Auch wenn er nicht in den Charts vertreten ist. Und damit kann sich jeder, sein ganz persönliches 'my kind of country' selbst zusammenstellen.

Als Nachsatz bleiben Pressemeldungen, die gut nachvollziehen lassen, warum die Diskussionen zur Zeit so hitzig geführt werden. Ist es echte Begeisterung für Country oder doch nur der Versuch Geld zu machen?
  • R&B Superstar Nelly, der mit Florida Georgia Line den Remix von 'Cruise' aufnahm und damit die Bro-Country Welle so richtig los trat, gab bekannt, eine Country-basierte EP mit dem Titel "Heartland" aufzunehmen.
  • Aerosmith Frontmann Steven Tyler unterschrieb einen Vertrag mit Big Machine Records, um im Sommer ein Country Album rauzubringen.
  • Sänger der Glam-Metal Band Poison, Bret Michaels hat am 5. Mai 2015 mit "True Grit" sein erstes Country Album veröffentlicht. Fast die Hälfte der 21 Titel liegen dann doch mehr auf der Pop/Rock- als Country Seite, darunter natürlich auch der grösste Poison Hit 'Every Rose Has Its Thorn'.

Dafür geben Interpreten im Country Lager unumwunden ihre Begeisterung für andere Genres zu. So ist Bruno Mars das grosse Vorbild von Thomas Rhett und deshalb hat er immer eine Coverversion eines Bruno Mars Hist griffbereit, wie 'Uptown Funk' oder 'When I Was Your Man'. Und daher laufen die Gemüter auch schon wieder heiss in Bezug auf seine neue Single 'Crash And Burn', deren Ohrwurmqualitäten von den meisten zwar anerkannt wird, aber ebenso dessen Country-Status verneint wird.

Und dann gibt es noch meinen persönlichen Favoriten, die aktuelle Single der unbekannten Country Sängerin Kelleigh Bannen 'Smoke When I Drink', die so richtig schön fetzt. Country? Wohl mehr 'I Love Rock'n'Roll' von Joan Jett - aber halt einfach geile Musik!


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