2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Anonyme Alkoholiker

"Was ich mit dem Song sagen möchte, ist, dass ich einfach versuche, standhaft zu bleiben. Ich hatte Probleme mit Alkohol und manchmal wünschte ich, AA nicht zu brauchen. Aber ich tue es. Ich denke, viele Leute können das nachvollziehen. [Letztendlich] versuche ich nur ein guter Vater und Ehemann zu sein."
(Walker Hayes / everythingnash.com, 22. November 2021)

Zumindest für den Moment hat Walker Hayes mit seinem Mega-Hit aus 2021 ('Fancy Like') eine Popularitätswelle für sich losgetreten. Davon hätte schon die ursprüngliche Nachfolge-Single aus seinem aktuellen Album "Country Stuff The Album" profitieren sollen. Aber die Promotion für 'U Gurl' wurde im vergangenen Herbst nach nur 4 Wochen wieder eingestellt und durch eine für die Single 'AA' ersetzt.

Nach nur 25 Wochen steht dieser Titel nun als quasi-offizielle Nachfolge-Single tatsächlich in den Top-10 (Platz 8) der Radio (Billboard Country Airplay) Charts vom 16. Mai 2022. Und wer 'Fancy Like' kennt (zumindest in den USA eine fast rhetorische Frage), der wird die stilistische Verwandschaft von 'AA' nicht überhören können. Jeffrey Kurtis von todayscountrymagazine.com bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: "Der Song baut auf die cool-moderne Sprach-Rhythmik, die man inzwischen mit den Texten von Hayes verbindet, und die sich um eine Melodie dreht, welche sich stark über moderne Country Grenzen hinauslehnt."

Vermutlich wird vielen gar nicht bewusst sein, wofür AA eigentlich steht. Denn zu leicht ist man verleitet, den Text nur als rhythmisches Beiwerk zum Beat der Melodie aufzufassen. Aber wie schon bei 'Fancy Like' hat der Text etwas zu erzählen. Wieder ist es zwar persönlich, aber diesmal ist das Thema etwas ernster, geht es doch um mehr als ein Rendezvous bei Applebees. Schließlich steht AA für die Vereinigung der Anonymen Alkoholiker, die Menschen dabei hilft, besser mit Suchtproblemen umzugehen.

Gemeinsam mit den beiden namhaften Songschreibern Shane McAnally und Luke Laird hat Walker Hayes in seinem aktuellen Hit versucht, seine persönlichen Herausforderungen, aber auch Ängste und Unsicherheiten zu umschreiben. Als jemand, der selbst Alkoholprobleme hatte, geht es um die ernsthaften Bemühungen nicht rückfällig zu werden, gleichzeitig aber auch ein vertrauensvoller Ehemann und liebevoller Vater für seine 6 Kinder zu sein. Zumindest den Wunsch, einen Song zu schreiben, den die Radio Stationen auch spielen mögen, hat er sich schon mal erfüllt.

Und ich versuche nur meine Töchter von den Nachtclubs fernzuhalten
und meine Söhne aus dem Knast.
Ich bemühe mich, in die Kirche zu gehen,
damit ich nicht in der Hölle ende.
 
Ich versuche zu verhindern, dass meine Frau herausfindet,
dass ich etwas Besseres geheiratet habe und sie jemanden viel Minderes.
Ich versuche einen Song zu schreiben,
den die lokale Radio Station auch spielt,
hey, ich versuche nur, mich bei AA rauszuhalten.

Ohne sich selbst zu wichtig zu nehmen, glättet Walker Hayes mit humorvollen Passagen die neurotischen Ängste eines Mannes voller guter Intentionen. Entsprechend bleibt am Ende offen, wie sehr diese Befürchtungen ehrlich oder -zum Zwecke der Unterhaltung- vielleicht doch ein wenig überzeichnet sind.

All das macht Walker Hayes als Mensch sympathisch und irgendwie authentisch. Ganz besonders dann, wenn man zu sehen glaubt, wie seine eigene Unzulänglichkeit zwischen ihm und dem unbändigen Wunsch nach Erfolg als Künstler zu stehen scheint. Ein punktueller Erfolg, den er mit 'Fancy Like' so überschießend erreicht hat, legt leider nahe, dass alles was nachfolgt, nur mehr ein Abklatsch dessen sein kann. Ähnlich wie bei Niko Moon ('Good Time') ist die Konsequenz eines solchen Mega-Hits, dass sie den Künstler stilistisch festlegt und die Gefahr besteht, dass sich dieser nicht mehr aus den eingefahrenen Bahnen befreien kann. Ein Umstand, der auch das breite Publikum früher oder später langweilen könnte.


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