Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Alle die sie kennt

"Wir wollten sie unterwegs zeigen, durch die Welt, auf unbekannten Pfaden. Wenn sie über FaceTiming mit Freunden spricht, auf ihrem Camper oder am Feuer sitzt, dann bekommt man nicht nur einen Eindruck davon, wie groß die Welt ist, sondern auch wie weit ihre Seele ist."
(Kenny Chesney / themusicuniverse.com, 11. März 2022)

Es ist fast 2 Jahre her, dass Kenny Chesney mit "Here And Now", dem 18. Studio-Album seiner Karriere, auf Platz 1 der Pop (Billboard 200) Album Charts eingestiegen war. Seitdem hat er 4 Singles daraus in die Top-10 der Radio (Billboard Country Airplay) Charts gebracht. Davon zweimal Platz 2 und mit dem Titelsong sogar Platz 1. Ein Erfolg , den sich der Superstar wohl selbst in seinen wildesten Träumen nicht vorstellen hätte können, als er 1994 vor 28 Jahren sein erstes Album veröffentlicht hatte. Obwohl dieses sogar den Titel "In My Wildest Dreams" trug.

All das ist nicht nur ein Beleg für die Popularität von Kenny Chesney, sondern auch ein Zeichen dafür, dass es ihm über 3 Jahrzehnte hinweg gelungen ist, die Menschen mit seiner Musik zu berühren. Nicht umsonst gibt es weltweit kaum Künstler, die im 28. Jahr ihrer kommerziellen Karriere Stadien füllen und gleichzeitig immer noch Nummer-1 Hits in den Charts feiern können.

Das erklärt unter anderem, warum 2017 ein ausverkauftes Stadion in Boston -und damit sogar im für Country Music untypischen Nordosten der USA- den Text zum gleichnamigen Song 'Boston' auswendig kennt, obwohl dieser nie eine Single und damit auch nicht im Radio zu hören war. Kenny Chesney hatte ihn 2005 lediglich für sein ganz persönliches Konzeptalbum "Be as You Are (Songs from an Old Blue Chair)" geschrieben und aufgenommen.


Ein Erfolg, der ihm auch die künstlerischen Freiheiten wieder zusichert, die sich andere nicht mehr leisten können, weil sie noch zu sehr auf den kommerziellen Erfolg in ihrer Karriere angewiesen sind. So finden sich auf den Alben von Kenny Chesney nicht nur zunehmend tiefgründigere Songs mit Themen, die ihm ein persönliches Anliegen sind (siehe etwa "Songs for the Saints"), sondern er wagt sich auch mit solchen Singles an die Öffentlichkeit. Kenny Chesney ist auch musikalisch längst erwachsen geworden und stellt das mit seiner aktuellen und bereits fünften Single 'Everyone She Knows' aus dem aktuellen Hit-Album "Here and Now" erneut unter Beweis.

Geschrieben von den namhaften Songschreibern Josh Osborne, Ross Copperman und Shane McAnally, scheint der Song einen Gedanken aufzugreifen, der bereits 1981 Thema eines Hits war. In 'All My Rowdy Friends (Have Settled Down)' beklagte Hank Williams Jr. im selbstgeschriebenen Titel, wie gesetzt doch alle Freunde geworden sind. Keiner will mehr laut sein und was trinken, alle wollen nur noch nach Hause gehen. Ein offenbar für viele vertrautes Thema, denn die Single aus dem Album "The Pressure Is On" wurde nicht nur zu einem Numer-1 Hit für Hank Williams Jr., sondern auch zu einem seiner bekanntesten Hits.

Auch 'Everyone She Knows' befasst sich mit diesem Thema. Allerdings bleibt der Song nicht an der Oberfläche, auf der nur lamentiert wird, dass die Kumpels keinen mehr draufmachen wollen. Das ist nicht zuletzt der Sichtweise der Frau geschuldet, von der das Lied erzählt. Gleichzeitg aber macht der Text das in einer unerwarteteten Universalität, die jeden berühren wird, der im Leben plötzlich realisieren muss, dass irgendetwas im großen Lebensplan eben nicht nach Plan gelaufen ist. Ein Aspekt der wohl auch dem kuriosen Umstand geschuldet ist, dass gar keine Frau an der Entstehung des Textes beteiligt war.

Aber man traut den Songschreibern dann doch genug Menschenkenntnis und Erfahrung aus persönlichen Gesprächen zu, um im Text nicht nur männliche Klischeevorstellungen verarbeitet zu haben. So ist natürlich die weibliche Sichtweise, auch wenn sie sich über die Jahre hinweg geändert und diversifiziert hat, vom Ticken der biologischen Uhr zumindest mitgeprägt. Ebenso wie die Vorstellung von der Geborgenheit einer Familie. Beides Ziele, die -so sie gewünscht sind- für eine Frau nachweislich ab einem bestimmten Alter immer unrealistischer werden. Daher ist es für sie, die in unserer Gesellsschaft immer noch vorwiegend nach Äußerlichkeiten beurteilt wird, eine besonders schmerzliche Erkenntnis zu realisieren, dass die Jugend nicht ewig währt.

Natürlich gibt es auch Frauen, für die Kinder und Familie kein Lebensziel darstellen. Diejenigen, denen Karriere und/oder Eigenständigkeit ebensolches Glück ins Leben bringen. Sie sind es, denen man diesen Song widmen möchte, sagt doch Kenny Chesney selbst: "Nichts ist stärker und interessanter als eine Frau, die ihre Bestimmung kennt und bereit ist, ihr zu folgen. Das ist nicht immer konventionell, aber es macht ihre Leidenschaft umso stärker."

Und auf Instagram ergänzt er: "Ich kenne so viele Frauen, die ihren eigenen Kompass haben - dieses Lied ist für sie. Wo immer ihr seid, wer auch immer ihr seid, liebt das Abenteuer und macht euch keine Gedanken darüber, was andere denken."

Diese Bild setzt der renommierte Regisseur Shaun Silva auch im zugehörigen Video zur Single um: eine selbständige, unabhängige Frau, die in einem Camper namens "Geschichtenerzähler" eine Welt voller Abenteuer [Yosemite Nationalpark, Redwood Forest, Grand Caynon] entdeckt. Eine Situation, die der Song jedoch nur in der Bridge beschreibt - und dort ist es der Versuch, die positiven Seiten an einer eigentlich nicht gewollten Situation zu finden:

[Wenn] sie Samstag Nacht ausgeht,
und spät nach Hause kommt,
dann muss sie nicht streiten.
Und sie denkt sich: ich habe nicht alles, aber es ist gut.
Und für einen Moment ist sie froh,
dass sie nicht so ist,
wie alle, die sie kennt.
(Everyone She Knows / Ross Copperman, Shane McAnally, Josh Osborne)

Aber der Rest des Songs erzählt eine andere Geschichte. Nämlich die von geplatzten Träumen und der Auswirkung, die die Vergänglichkeit auf unsere Lebensvorstellungen hat. Nur manchmal ist es tröstend, wenn dann auch die Träume derjenigen, die man kennt, im Lichte der Realität ihren Glanz verloren haben. Das wiederum macht ihn zu einem mutigen Song, der nicht nur ein ehrliches Bild abseits der Klischees eines perfekten Lebensplans zeichnet, sondern auch ein wenig unter die glänzend-glatte Oberfläche zu blicken versucht.

Alle, die sie kennt, heiraten,
alle Mädels, mit denen sie unterwegs war,
haben ihr Haar auf Schulterlänge gekürzt,
sind jetzt Sonntags immer nüchtern,
und alle, die sie kennt, haben Babies.
Sie hatten genug vom Ticken der Uhr
und der Frage ihrer Mütter,
ob sie jemals eines haben werden.
 
Die Jungs langweilen sie,
und die Männer sind zu alt,
sie hat genug von Sommerliebe,
aber die Winter sind zu kalt,
sie ist eine Marilyn in Blue Jeans,
mit einem Hauch von Jackie O[nassis],
gefangen zwischen 17
und [dem Alter] aller die sie kennt.
 
Alle, die sie kennt, kaufen Häsuer,
auch wenn die Ehemänner nicht heimkommen,
rufen nicht ihre Ex's an, wenn es was zu reparieren gibt,
und wenn, dann geben sie es nicht zu, nein, nein.
Alle die sie kennt, achten auf ihre Gesundheit,
[während] sie immer noch ein paar raucht, wenn sie trinkt,
aber die Bars werden anstrengender,
man fragt sie nicht mal mehr nach ihrem Ausweis
[zum Nachweis, ob sie alt genug ist].
(Everyone She Knows / Ross Copperman, Shane McAnally, Josh Osborne)




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