Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Heart & Soul (Teil 1)

"Geschrieben von Eric [Church], gemeinsam mit Casey Beathard ('The Outsiders', 'Mr. Misunderstood') und Monty Criswell ('Like Jesus Does'), beschreibt der Mid-Tempo Titel ein Leben, das sich dem Erreichen von Träumen widmet, und nicht dem großen Geld. Unterstützt von der langjährigen Backup Stimme Joanna Cotten, singt Church über die Herausforderungen dabei."
(pressroom.umgnashville.com / 6. November 2020)

Am 16. April 2021 ist "Heart", das erste neue Album von Eric Church seit 2018 ("Desperate Man") erschienen. Warum das erste? Weil es das erste in einem Trilogy-Projekt (!) ist. Spätestens seit dem Mega-Erfolg des Doppel-Albums "Dangerous" von Morgan Wallen (10 Wochen Nummer-1 in den Pop Charts der Billboard 200 !!!), scheint ein altes Erfolgskonzept neu entdeckt zu sein. Auch Thomas Rhett übernimmt es für sein nächstes Projekt "Country Again", dessen erstes von zwei Alben unter dem Titel "Side A" am 30. April 2021 erscheinen wird.

Im Gegensatz zu Morgan Wallen, der sich durch seine rassistisch bewertete Aussage in nicht nüchternem Zustand Anfang Jänner 2021 vorläufig selbst ins Aus katapuliert hat, will Eric Church alles richtig machen. Dafür hat er (oder vielmehr sein Promotion Team) sich mit dem Trilogy-Album auch etwas Neues ausgedacht. Und bisher scheint auch alles nach Plan zu laufen, denn die aktuelle Single 'Hell of a View' ist nach nur 23 Wochen auf Platz 13 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts und damit auf dem Weg in die Top-10. Und ist damit bereits erfolgreicher, als die Vorab-Single aus dem neuen Projekt, der sozialkritische Song 'Stick That In Your Country Song', der es nur bis auf Platz 22 geschafft hatte. Was im Übrigen ein typisches Muster für erste Eric Church Singles aus neuen Projekten ist, die selten typische Mainstream-Country Radio Tauglichkeit aufweisen.
 
Trotzdem bleibt die Frage bestehen, was so ein Trilogy-Projekt besser kann? Erstmal besteht es aus gleich 3 Alben, deren Titel aneinandergereiht, die Wortfolge "Heart & Soul" ergeben. Also konsequenterweise ein Album mit dem Titel "Heart" (mit 9 Songs), eines mit dem Titel "Soul" (ebenfalls mit 9 Songs) und schließlich das dritte, für das nur mehr das & überbleibt. Und dieses so benachteiligte Album (mit 6 Songs) wird dann auch (zumindest vorerst) nicht offiziell erhältlich sein, sondern bleibt in Vinyl-Form den Mitgliedern des Fanclubs Church Choir vorbehalten. Alle 3 Alben erscheinen innerhalb einer Woche (16. April / 20. April / 23. April). Soviel zum Konzept.
 
In Summe also 24 neue Songs. Aber die gibt es dann doch nicht alle als neue Titel zur Veröffentlichung, denn 10 Titel davon wurden bereits im Vorfeld veröffentlicht. Jeweils 4 aus den beiden Hauptalben und mit 'Through My Ray-Bans' und 'Doing Life With Me' sogar 2 Songs aus dem exklusiven Fanclub-Projekt "&". Bleiben also inzwischen nur mehr 10 neue Songs für den Zeitpunkt der tatsächlichen Projektveröffentlichung aus den beiden für die Allgemeinheit erhältlichen Alben. Entsprechend ist die Spannung und Vorfreude auf das neue Projekt auch um einiges kleiner geworden.

Aber vielleicht war der Gedanke ja nur, dass man das Publikum nicht mit 18 Titeln (bzw. 24 für Fanclub Mitglieder) aufeinmal überfahren wollte. Schließlich war das ja bereits ein häufig geäußerter Kritikpunkt am 2016 erschienen Doppelalbum von Miranda Lambert ("The Weight of These Wings"). Aber in Zeiten von Streaming sorgen eben viele Songs auch für viele Streams und damit kommerziellen, aber auch Hitparaden-Erfolg. Ist doch das Publikum nicht mehr darauf angewiesen, das ganze Projekt kaufen zu müssen, sondern kann sich durchhören und dann gezielt zu Lieblings-Nummern zurückkehren. Also warum nicht möglichst viel Musik in ein Album-Projekt packen?
 
Entstanden ist das Werk fast genau vor einem Jahr, als sich Eric Church mit seinem Team in die Berge von North Carolina zurückgezogen und konsequent einen Song pro Tag nicht nur geschrieben, sondern auch gleich aufgenommen hatte. 28 Tage lang, was zu 28 Songs führte, von denen 24 nun das Projekt "Heart & Soul" bilden, bei dem wieder Jay Joyce als Produzent verantwortlich zeichnet.

Und so hat das wagemutige Trilogy-Projekt zum ersten Veröffentlichungstermin am 16. April 2021 bereits eine längere Geschichte hinter sich, die am 20. Juni 2020 mit der Veröffentlichung der ersten Single 'Stick That In Your Country Song' ihren Anfang genommen hatte.
 
Knapp 6 Wochen später, am 31. Juli 2020 erscheint die Geschichte über eine weibliche Truckerin, der kein Mann das Wasser reichen konnte, verpackt in den doppeldeutigen Titel 'Bad Mother Trucker'. Ein Song vom blauen "Soul"-Album, der irgendwo zwischen Country und Soul über den Highway brettert.

 
Ende August folgt mit 'Crazyland' eine Ballade vom roten "Heart"-Album. "Den Refrain habe ich geträumt, bin aufgewacht und habe ihn niedergeschrieben", sagt Eric Church im Interview mit tasteofcountry.com anlässlich der Song-Veröffentlichung. Geschrieben gemeinsam mit Luke Laird und Michael Heeney, scheint der Text eine seltsame Bar-Szene mit Gästen zu beschreiben, die sich nicht so recht einordnen lassen. Tatsächlich geht es um die unterbewusste Aufarbeitung einer zerbrochenen Beziehung, wie sie wohl auch gut aus  einem Traum stammen könnte. Schließlich tragen die Gäste, die sich in den verschiedenen Ecken und Winkeln der Bar niedergelassen haben, Namen wie Trauer, Verlust oder Reue. Also ein anspruchsvoller (oder jedenfalls ungewöhnlich verrückter) Titel, der an so manche Aufstellungs-Therapie erinnern mag.

Anfang Oktober erscheint dann die aktuelle Single 'Hell of a View', ein Midtempo-Song aus dem blauen "Soul"-Album, der mit jedem Hören besser ins Ohr geht. Und ganz besonders vom Soul lebt, mit dem Joanna Cotten dem Titel so stimmungsvolle Flügel verleiht. Ihre Eltern mögen ihn nicht, so macht sich der Protagonist im Lied mit seiner Liebe aus dem Staub und auf die Suche nach den gemeinsamen Träumen, nicht nach dem großen Geld. Eine Zielsetzung, die jedoch nicht automatisch auch das große Glück verheißt:
 
Es ist nicht jedermanns Sache,
wenn die Beine über die Felskante baumeln,
als ob es nichts zu verlieren gäbe,
es ist nicht immer der Himmel,
aber ein verdammt guter Ausblick.
(Hell of a View / Eric Church, Casey Beathard, Monty Criswell)
 

Am 30. Oktober 2020 erscheint die Ballade 'Through My Ray-Bans' aus dem Fanclub Album "&". Darin beschreibt Eric Church die Welt, die er jeden Freitag-Abend, wenn er auf der Bühne steht, durch die zu seinem Markenzeichen gewordenen Ray-Ban Sonnebrillen sieht. Eine positive Welt, in der alle zusammengehören, ganz anders als die reale Welt da draußen:
 
Alle haben ihre Arme um die Schultern aller anderen,
gewappnet gegen die Welt da draußen,
wie eine Armee aus Freitag-Abend Soldaten,
aber die Schlacht geht erst morgen weiter,
heute nacht kümmern wir uns nicht darum.
Ich wünschte ihr könntet so bleiben,
wie ich euch heute durch meine Ray-Bans sehe.
(Through My Ray-Bans / Eric Church, Barry Dean, Luke Laird)
 
 
Ein weiterer Titel vom Fanclub Album erscheint am 11. Dezember 2020. Eine Mandoline begleitet die Melodie von 'Doing Life With Me', einer Ballade voller Dankbarkeit an alle, die es durch dick und dünn mit einem rastlosen Musiker auf der Suche nach dem großen Erfolg so lange ausgehalten haben.

Das neue Jahr läutet Eric Church am 29. Jänner 2021 mit dem von ihm alleine geschriebenen Song 'Heart on Fire' aus dem roten "Heart"-Album ein. "Er ist mehr FM Classic Rock, als Nashville Country", beschreibt Rolling Stone Country den druckvollen Titel, bei dem erneut Joanna Cotten nicht zu überhören ist. Ein Song gemacht, um laut aufzudrehen, wenn der Fahrtwind durch das offene Fenster weht und die Erinnerung an vergangene, sorglosere Zeiten mitbringt: wir waren noch nicht alt genug, um zu trinken, aber wir taten es trotzdem.

Schon eine Woche später erscheint 'Lynyrd Skynyrd Jones', der letzte Titel auf dem blauen "Soul"-Album. Entgegen der ersten Erwartung ist es kein Southern Rocker, sondern eine balladeske Geschichte über einen Jungen, dessen Mutter unsterblicher Lynyrd Skynyrd Fan ist und die einfach nicht anders kann, als ihren Sohn nach ihrer Lieblingsband zu benennen. Viel zu früh macht sich jedoch der Vater aus dem Staub und erst beim Begräbnis seiner Mutter erfährt Jones, wer sein Vater wirklich war. Nämlich der schwarze Curtis Lowe aus dem gleichnamigen Skynyrd Song. Die überraschende Wendung und die cleveren Referenzen auf Songtitel von Lynyrd Skynyrd verarbeitet Casey Beathard höchst gelungen in dem zur Gänze von ihm geschriebenen Song, dem man nur vorwerfen kann, ein wenig kraftlos zu bleiben.

Am 26. Februar 2021 wird 'Never Break Heart', wiederum aus dem roten "Heart"-Album veröffentlicht. Im gemeinsam mit Luke Dick geschrieben Song, führt Eric Church durch die Stationen des Lebens und fordert unter anderem dazu auf, sich niemals entmutigen zu lassen, neugierig zu bleiben, Grenzen zu ziehen und doch menschlich zu bleiben. Und letztendlich nur darauf zu achten, nicht daran zu zerbrechen. Das Wort Herz ist der emotionale Platzhalter in all diesen Situationen.
Lass dich von der Furcht nicht entmutigen, Herz
Lass dir vom Zweifel nicht die Zuversicht stehlen, Herz
Es ist okay, wenn du weinst,
aber Herz, zerbrich niemals.
 

Die vorerst letzte Veröffentlichung vor dem finalen Projekt erscheint am 26. Februar 2021: 'Break It Kind of Guy' ist ein mitreissender Uptempo-Song, den sich Eric Church gemeinsam mit Casey Beathard und Luke Dick selbst auf den Leib geschrieben hat, wenn er gmeinsam mit Joanna Cotten festhält, dass er sich von niemandem etwas sagen lassen muss:

Sag mir nicht, wohin damit,
ich gebe es wohin ich will.
Erklär mir nicht wie es geht,
und wie es nicht geht.
Ich mach es wie ich will,
und sag mir nicht,
wie ich das Lied singen soll,
es ist verdammt nochmal mein Song.
 

Selten lässt sich Quantität mit Qualität gleichsetzen und die noch nie gehörte Leistung, in 28 Tagen genausoviele Songs nicht nur zu schreiben, sondern auch noch aufzunehmen, spricht im ersten Augenblick nicht für ein gelungenes Projekt. Vielmehr klingt es nach Zeitdruck und strengen Vorgaben, die der Kreativität selten zuträglich sind. Aber das bisherige Ergbnis spricht nicht nur für das gesamte Team, das bei der Erstellung dabei war, sondern es überrascht auch positiv, dass der erste Teil von "Heart & Soul" doch wohlüberlegt und auch sehr hörenswert ist!

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