2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Wie ich dich kenne

"Ich bin seit über 15 Jahren mit Maria geflogen und wir haben viel gemeinsam gelacht und gelebt. Sie war immer die erste Person, die ich sah, als ich landete und die letzte, von der ich mich verabschiedete. [...] Sie war so ein wichtiger Teil meines Lebens auf den Inseln. Auf Wiedersehen, liebe Freundin. Ich bin so froh, dass sich unsere Wege auf dieser Seite gekreuzt haben. Wir sehen uns auf der anderen Seite."
(Kenny Chesney / CNN, 16. Februar 2021)

Als Rettungskräfte am späten Nachmittag des 15. Februar 2021 die Helikopter-Absturzstelle im dichten Regenwald auf der Westseite der US-Virgin Insel St. Thomas erreichten, konnten sie keine Überlebenden mehr im völlig zerstörten Hubschrauber finden. Wie sich später herausstellte, hatten sich zum Zeitpunkt des Absturzes ein 18-jähriger Schüler und seine beiden Eltern, sowie die Pilotin an Bord befunden.

Die 55-jährige Maria Rodriguez war eine erfahrene Pilotin. 2011 hatte sie die Firma Caribbean Buzz gegründet, die mit 2 Helikoptern Flüge auf den und rund um die US Virgin Islands anbietet. 2018 erhielt Rodriguez von der Helicopter Association International die Auszeichnung als Pilot des Jahres für ihre Einsätze im Rahmen der Hilfsmissionen wärend der Hurricane Katastrophe 2017. Auch der ehemalige US-Präsident Brack Obama und seine Frau zählten zu ihren Passagieren. Sie hinterlässt einen Ehemann und 2 Kinder.

 

Es ist kaum zu glauben, mit welcher Konstanz Kenny Chesney seit über 25 Jahren kommerziell erfolgreich ist. Ganz besonders in den späten Jahren, in denen die Erfolgskurve bei fast allen Künstlern, die eben nicht mehr den aktuellen Trends entsprechen, längst den unvermeidlichen Knick nach unten zeigt, scheint sein Erfolgsweg davon unbeeindruckt zu sein. Denn während andere in dieser Phase ihre Karriere zu retten versuchen, indem sie entweder längst nicht mehr zeitgemäße Elemente aus ihren Anfängen neu aufwärmen oder sich in völlig fremden Ansätzen verlieren, hat sich Kenny Chesney immer wieder neu erfunden, ohne dabei seinem Thema untreu zu werden.

Erst mit dem sechsten Album ("No Shoes, No Shirts, No Problem") gelang ihm 2002 sein erstes Nummer-1 Album. Auf dessen Rückseite war er zum ersten Mal im inzwischen legendären blauen Stuhl am Sandstrand zu sehen, dem er auf dem Album "Be As You Are" einen ganzen Song gewidmet hat ('Old Blue Chair') und nach dem inzwischen auch seine eigene Rum-Marke benannt ist.

Dieses Album war nicht nur der Beginn seines unaufhaltsamen Aufstiegs zum Superstar, sondern damit begann er sich auch von der Konkurrenz abzuheben. Die Karibik wurde ab diesem Moment nicht nur zu seinem (in Folge gerne kopierten) Alleinstellungsmerkmal, sondern auch zum Aufhänger für das Publikum, seine Musik fortan mit Sommer, Sonne und guter Laune zu verbinden. Und wer träumt nicht gerne von einer Lebensphilosophie aus Sonne, Sandstrand und Meer?

Erfolgreich vorgemacht hatte es ihm eigentlich Jimmy Buffet. Trotzdem wäre Kenny Chesney damit nicht erfolgreich gewesen, wenn er es nicht auch authentisch gelebt hätte. Aber genau das macht er. Denn in der Tat sind die US Virgin Islands bis heute kreativer Rückzugsort und zweite Heimat für den Künstler aus Tennessee. 

Auch wenn zu Beginn der 2000-er Jahre die Thematik vieler seiner Songs noch sehr oberflächlich schienen, konnte man bei genauerem Hinsehen selbst in simplen Songs wie dem selbstgeschriebenen  'Beer in Mexico' frühe Ansätze von Nachdenklichkeit entdecken, die man dem Titel nach, dort gar nicht erwarten würde:

Ich versuche nur herauszufinden,
Antworten und Begründungen,
warum ich an dieser Weggabelung meines Lebens stehe,
und einfach nicht weiß, wohin.

Nach und nach wandelten sich die Themen seiner Songs immer mehr zu einer reiferen Betrachtungsweise. Nicht zuletzt durch die traumatischen Ereignisse der Hurrikane-Saison 2017 (und dem Album "Songs for the Saints") begann die Vergänglichkeit eine größere Rolle zu spielen. Das Bewusstmachen des Lebens im Hier und Jetzt rückte ins Zentrum, ohne dabei die notwendige Bodenhaftung zu verlieren. Denn festgemacht waren die Texte immer an den menschlichen Emotionen von Liebe, Freude oder Enttäuschung. Durch welche sich fast immer ein roter Faden bittersüßer Sehnsucht zieht.

Was nicht heißt, dass keine Zeit mehr für gemeinsame und ausgelassene Konzerterlebnisse blieb. Jedenfalls noch vor der Zeit der Pandemie.


Anfang Juli 2020 verzeichnete Kenny Chesney mit dem Titelsong aus seinem aktuellen Album "Here And Now" seinen bereits 31. Nummer-1 Hit in den Country Charts. Nur ganz knapp verfehlte die Nachfolge-Single 'Happy Does' die Chartspitze und musste sich am 30. Jänner 2021 mit Platz 2 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts begnügen. Und das ganz ohne ein Video zum Song veröffentlicht zu haben.

Dem wird nun bei der vierten Single 'Knowing You' aus dem aktuellen Album Abhilfe geschaffen. Das Thema des Songs ist die bittersüsse Erinnerung an gemeinsame Zeiten mit einem besonderen Menschen. Wobei die Betonung auf dem Bewusstsein für die schönen Erlebnissen liegt und nicht auf dem Schmerz des nachfolgenden Verlustes.
 
Wir haben es so genossen,
ich war wie ein Kind auf der Hochschaubahn,
den Atem anhaltend bis zu dem Moment,
als du mich viel zu früh verlassen hast.
Aber ich würde es wieder tun,
es war so gut, dich zu kennen.
(Knowing You / Adam James, Brett James, Kat Higgins)

In der zugehörigen Pressemitteilung betont Kenny Chesney: "Wir haben alle Menschen in unserem Leben gehabt, die uns begeisterten und mit denen jeder Moment und alles danach soviel mehr an Bedeutung gewonnen hat. Diese Momente waren so farbenfroh und leuchtend, als wir mittendrin waren. Und obwohl sie vorüber sind, bringen sie uns immer noch ein Lächeln, weil wir durch sie soviel gewonnen haben."


"Vielleicht hat uns dieser Mensch ja verlassen, weil er neue Träume verfolgt hat, oder weil die Umstände es so wollten. Vielleicht ist er gestorben. Aber wo auch immer dieser Menschen jetzt ist, weißt du, dass er diese positive Energie mitbringen wird - denn so sind diese Menschen einfach. Das haben sie jedenfalls bei uns ausgelöst und wir können nur dankbar für das gemeinsam Erlebte sein."

So macht das kleine Wortspiel im Titel aus der Erinnerung, diesen Menschen kennengelernt zu haben, die Gewissheit (wie ich dich kenne), dass er oder sie jetzt gerade auch anderswo im Leben für positive Momente sorgen wird. Und die schöne Erinnerung schiebt die leise Sehnsucht sachte in den Hintergrund (ich wünschte nur, dass du zu mir zurückkommen könntest).
 
Bereits im November 2020 dreht Shaun Silva mit Kenny Chesney das Video zum Song in 2 Episoden. Da ist zuerst das harte und graue Alltagsleben auf einem Fischkutter vor Gloucester, Massachusetts, wo schon der George Clooney Film Der Sturm (2000) gedreht wurde. Demgegenüber stehen die farbenprächtigen Erinnerungen an die Momente mit einem besonderen Menschen, gedreht an Bord des Segelschiffs Kai in den Gewässern vor St. Croix (Amerikanische Jungferninseln).
 
Das Unglück, bei dem Maria Rodriguez ums Leben kam, geschah erst zu einem Zeitpunkt, als das Video zwar noch nicht veröffentlicht, aber wohl schon fertiggestellt war. Vielleicht war das neben der romantischen Atmosphäre rund um die Szenen aus der Karibik, ein Mitgrund, warum das Video nicht ihr gewidmet ist. Jedenfalls nicht offiziell. Denn einen treffenderen Aufhänger könnte das Schicksal wohl kaum geliefert haben.
 
 

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