Nichts als Lügen

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"[Studio Zwei] ist unser berühmtester Aufnahmeraum. Als der Ort, wo richtungsweisende Aufnahmen von den Beatles, Shirley Bassey, Kate Bush, Massive Attack, Oasis, Adele und vielen anderen stattfanden, war Studio Zwei seit seiner Eröffnung 1932 immer der Herzschlag populärer Musik." (abbeyroad.com/studio-two)

Dylan Jakobsen

"Wenn Du eine Stimme hast, dann hast du auch eine Wahl.
Geh hinaus und lass dich hören, worauf wartest du?
Die Welt ist eine offene Tür,
und wir werden in absehbarer Zeit nicht jünger."
(What Are You Waiting For / Dylan Jakobsen)

Er stammt aus dem nordwestlichsten Zipfel der USA, dem oft verregneten Seattle, das man musikalisch mehr mit den Anfängen des Grunge-Rock als mit Country Music in Verbindung bringt. So ist es wenig verwunderlich, wenn Dylan Jakobsen sich erinnert, mit Classic Rock aufgewachsen zu sein. Ein Einfluss, den man -wenn auch sehr dezent- auch aus seinem neuen Album heraushört. Genau wie bei den Einflüssen und Vorbildern, die er aufwirft, wenn er Künstlernamen wie Travis Tritt, Eric Church, Parmalee, Chris Stapleton, Tom Petty oder Lynyrd Skynyrd nennt.

Hinzu kommt, dass er sich schon in ganz jungen Jahren für das Schreiben von Songs begeistern konnte. "Ich habe bereits Lieder geschrieben als ich 11 oder 12 Jahre alt war", betonte er in einem Interview mit theboot.com. Das zeigte er dann auf seiner ersten gleichnamigen EP aus dem Jahre 2014. Mit Songs wie dem berührenden 'Can't Believe You're Gone', zeigte der ehemaligen Alternativ-Rock Fan, dass er sich längst die Country Tradition des Geschichtenerzählens erarbeitet hatte. "Ich schrieb den Song, als ich hörte, dass der Großvater eines Freundes gestorben war", beschreibt Dylan Jakobsen den Auslöser für das Lied.

Konsequenterweise schrieb er gleich alle 10 Songs für sein erstes Album in voller Länge, das 2016 unter dem Titel "From Where I Began" erschien. Darauf befindet sich mit 'Silverado' seine erste Radio-Single, ein Lied über eine Trennung und die Erinnerungen, die sich an den Chevrolet Pickup-Truck knüpfen. Geschickt überlässt der Songschreiber dabei dem Zuhörer, die genaueren Details mit seiner persönlichen Geschichte auszufüllen.

Dem Gesetz der Serie folgend, hätte man eigentlich 2018 ein neues Album erwarten können. Aber mit 'Lovers Ledge' wurde es nur eine weitere selbst veröffentlichte Single, die leider keinen weiteren Eindruck hinterließ. Quasi mit einem Jahr Verspätung folgt nun doch ein neues Album und im Interview mit popculture.com erklärte er warum: "Ich hatte schon begonnen, das Album aufzunehmen, war zur Hälfte durch, hatte die erste Single ausgesucht, die Band hatte begonnen die Songs einzustudieren und dann erkannte ich, dass das einfach nicht ich war. Wir verwarfen alle Songs bis auf einen und begannen von vorne."

Diese eine Song mit dem Titel 'I Am' wurde zum Herzstück und Titelsong des neuen Albums, das am 8. März 2019 erschienen ist.  Es ist so etwas wie ein Konzept-Album, wenn Dylan Jakobsen sagt: "Es ist ein Stück meiner Seele und es zeigt so authentisch wie nur möglich, wer ich bin. Ich kann das Gefühl kaum beschreiben, wie stolz ich darauf bin."

So beginnt das Album, wie das Intro zu einem Film, mit einem 1-minütigem Instrumentalstück, das den Titel 'Dawn' trägt. Es stimmt nicht nur für die morgendliche Dämmerung und damit einen Anfang, sondern mit den Geräuschen des erwachenden Tages im Hintergrund wagt sich Dylan Jakobsen auch an Studio-Technik heran, ohne jedoch den Fokus von der Musik zu nehmen. So leitet das ausklingende Intro mit verschwommenen Klängen auf das zweite Lied des Albums über. So als wären es unklare Erinnerungen aus einem nächtlichen Traum.

Eine verlorene Beziehung scheint ihn zu beschäftigen. Denn 'I Hope You're Doing Fine' beginnt mit einem Telefonanruf, den er offenbar überlegt, der aber vorerst offen bleibt. Erst mit dem Ende des Songs meldet sich die Vermittlung am anderen Ende der Leitung mit dem ernüchterendem Hinweis, dass es unter dieser Nummer keinen Anschluss mehr gibt. Eine höchst gelungene Umsetzung, bei der Emotion und Geschichte bis ins Letzte stimmig sind.



Unbeschwerte Zeiten ruft 'Just Enough' in Erinnerung: wir waren jung, verrückt und verliebt, hatten alles was wir brauchten. Wer kann sich nicht daran erinnern? Dylan Jakobsen bringt es glaubhaft, auch wenn seine eigene Jugend mit 25 noch nicht wirklich so weit zurück liegt.

'In America' ist die erste Single aus dem Album. Mit seinen unterschwelligen Heartland Rock Elementen ist der Song schon vor einigen Jahren entstanden. "Unmittelbar nach meinem College-Abschluss fuhr ich mit 4 Freunden die Westküste ab, um meine erste Musik-Tournee zu erleben. Es war super cool und ich habe jede Menge verrückte Erinnerungen daran." Damit verbindet der Song die Lebensgeschichte von Dylan Jakobsen mit einer universellen  Aufbruchsstimmung und einem Optimismus für das, was da kommen mag.

Emotionale Wunden deutet er im enttäuschten 'You Brought It' an, wenn er singt: die Verletzungen, die du auf meiner Haut hinterlassen hast, wenn die Schnitte langsam bewusst werden, dann macht es sie nicht besser, macht sie nicht rechtens, du hattest das Messer mitgebracht. Die Sehnsucht des Verletzten nach Fairness und Regeln im Spiel der Liebe bringt 'You Brought It' unüberhörbar zum Ausdruck. Im spartanisch-nüchternen 'I'm a Sinner' zeigt er sich dann zutiefst menschlich und bekennt sich zu seinen Schwächen, in der Hoffnung, dass ihm vergeben wird.

Optimistisch wird es wieder im Blick nach vorne, den er in 'The Rally' macht. Alle Gleichgesinnten ruft er auf, zusammenzukommen und gemeinsam Dinge zu bewegen. Unüberhörbar ist jedoch der Titelsong das Herzstück dieses persönlichen Projekts, unmittelbar gefolgt von einem instrumentalen Zwischenstück mit dem Titel 'Row 30 Seat C'. Letzterer bleibt vorerst unaufgelöst und leitet über  zum farbenfrohen Liebesbekenntnis 'Color' an sie, die Farbe in ein farbloses Leben gebracht hat.

Das Album endet mit dem motivierenden 'What Are You Waiting For'. "Das ist für mich der zentrale Grundsatz, der mich auf meiner bisherigen Reise motiviert hat", erklärt Dylan Jakobsen. In der letzten Strophe des Liedes verarbeitet er schließlich noch die Beiträge von Fans, die er über Social Media aufgerufen hatte, den Refrain des Liedes mit ihm zu singen.



Die Optik macht Dylan Jakobsen wesentlich älter, als die 25 Jahre, die er eigentlich erst ist. Damit liegt potentiell noch ein langer Karriereweg vor ihm und mit dem Album "I Am" ist ein beeindruckender Anfang gemacht. Er ist darauf nicht nur Songschreiber, Sänger und Musiker, sondern auch Produzent und Techniker in seinem eigenen Studio.

Zurecht darf er also stolz darauf sein, wenn er auf seiner Homepage sagt: "Ich wollte, dass dieses Album etwas ganz Besonderes ist, mehr als nur eine weitere Veröffentlichung. Etwas auf das ich von Anfang bis zum Ende stolz sein kann. Und mein einziger Wunsch ist, dass du das Album zumindest einmal von Anfang bis zum Ende anhörst, bevor du es beurteilst. Spür meine Geschichte, höre meine Reise, lerne mich kennen, wie ich wirklich bin."

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