Niemals (wieder) 23
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Als Chayce Beckham im Mai 2021 die Casting Show American Idol gewann, veröffentlichte er kurz darauf seine erste offizielle Single. Der selbst geschriebene Song sollte als Katalysator für einen neuen Lebensabschnitt dienen. Denn im Text des Liedes beschrieb der 24-jährige Kalifornier ganz unverblümt die schwierigen Jahre, die er eben erst überstanden hatte. Etwa die Hoffnungslosigkeit, die er mit 23 Jahren empfunden hatte. All das veranlasste ihn, daraus den Titel für seinen Song zu machen. Kurz und prägnant: '23'.
Fast 4 Monate später, am 9. September 2021 veröffentlicht Sam Hunt eine neue Single. Sie stammt nicht mehr aus seinem 2020 erschienenem zweiten Album "Southside" und schlägt damit ein neues Kapitel in der so erfolgreichen Karriere des oft so zögerlich wirkenden Superstars auf. Die Single trägt ebenfalls den Titel '23'. Aber es nicht der von Chayce Beckham geschriebene Song, auch wenn er sich genauso mit dem Lebensalter 23 befasst. Der Blick zurück ist bei Sam Hunt vielmehr ein verklärter, wenn auch leicht melancholischer.
Im Gegensatz zu Chayce Beckham blickt der gemeinsam mit Produzent
Chris La Corte und den namhaften Songschreibern
Shane McAnally und Josh Osborne geschriebene Song auf eine
glückliche Zeitspanne im Leben zurück. Einen Moment, irgendwo
zwischen der großen Liebe und dem echten Leben, wie es der Text
beschreibt. Und damit deutet er an, dass sich unter der auf den ersten Blick
so einfach wirkenden Oberfläche, Puzzle-Steine finden lassen, aus denen sich
eine Geschichte zusammensetzen lässt.
Also eine Liebesgeschichte aus den Südstaaten, wie kann es anders sein. Sie ist längst fortgezogen, in die große Stadt, in der sie wahrscheinlich in einem Büro in einem Hochhaus arbeitet. Dort fährt man mit dem Zug zur Arbeit und dort ist das Tragen von Jeans zur Arbeit verpönt. Entsprechend kreisen die Erinnerungen an die Zeit, bevor sie weggegangen ist, um Orte, die mit den Südstaaten verbunden sind:
Erst die dritte Strophe deutet an, was zwischen diesen beiden Situationsbeschreibungen geschehen ist.
Wie lässt sich eine Trennung dramatischer beschreiben, als im Regen eines Juli-Tages? Wenn ein unerwarteter Regen die Sonne und ihre wohlig warmen Temperaturen vertreibt, dann ist das wie die Tränen, die über eine plötzlich verlorene Liebe vergossen werden. In dem Moment bleibt die Zeit für einen der beiden stehen. Besonders dann, wenn sich die andere Person für eine materielle Beziehung zu entscheiden scheint.
Es ist eine besondere Kunst, mit wenigen Worten bildreiche Geschichten zu erzählen. Geschichten, deren Details sich automatisch in unseren Köpfen ergänzen. War es der Einfluss des Vaters? Ist sie nach Los Angeles gegangen oder doch an die Ostküste? Tauscht sie wirklich die große Liebe, in der man nicht immer ernst sein muss, gegen das echte Leben ein? Ein Leben, in dem der Status und das Geld plötzlich eine große Rolle spielen.
So schlummert unter der Oberfläche des Liedes der unbändige Wunsch, diese Zeit
zurückzuholen. Und obwohl genau das unmöglich ist, gelingt dem Text die
Bewusstmachung, dass beide Lebenserfahrungen durch den Lauf der Zeit
untrennbar miteinander verbunden bleiben werden. Denn so wie er nur einmal 23
Jahre alt sein kann, so mag die Erkenntnis beruhigen, dass auch ihr 23.
Lebensjahr für immer mit ihm verbunden bleiben wird:
denn du wirst nie wieder mit jemandem anderen 23 Jahre alt sein.
Rolling Stone Country beschreibt des Sound des Songs als "eine Geste an den Pop und Country der 80er Jahre, der weicher und sanfter klingt, als die überbetonten Gitarren so vieler Country Hits". In der Tat klingt '23' unaufdringlich und gleichzeitig eingängig. Eine dezent-moderne Produktion, in der Dobro und Steel Gitarre dem Song eine unerwartet elegant-akustische Note geben.
Tom Roland beschreibt die besondere Struktur des Songs in
Billboard Magazine: "Der große Septakkord ist eine Standardharmonie, mit einem dissonanten Ton
dazwischen. Daher ist '23' auf fröhlichen Kernklängen aufgebaut, hat aber
einen kleinen Moment widersprüchlicher, unaufgelöster Traurigkeit, der
manche an vergangene Zeiten erinnert."
Und Produzent Chris LaCorte ergänzt:
"Das Schöne an Musik ist, dass sie wie eine universelle Sprache ist, bei
der man gar keine Worte hören muss. Sie kann Gefühle auslösen und ihre
Kraft, diese Emotionen an jeden Menschen auf diesem Planeten zu
kommunizieren, egal welche Sprache er spricht, ist etwas ganz
Besonderes."
Und wie gut sich der Song auch in der Akustik-Version macht, beweist die in den Ocean Way Studios aufgenommene Video-Version, von der man sich wünscht, dass sie auch als Stream/Download verfügbar gemacht wird.
Zu guter letzt hat sogar das etwas schmucklos wirkende Cover -ganz ohne Text-
zu diesem so wohldurchdachten Song, der so einfühlsam mit Emotionen umzugehen
weiß, eine besondere Bedeutung. Ist es doch ein Jugendfoto von Verwandten
(Tante und Onkel) von Sam Hunts Frau Hannah.
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