Willkommen in Prairieville
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Wenn man auf der Landkarte ins Zentrum des Dreiecks schaut, das die 3 Amerikanischen Städte Denver, Kansas City und Oklahoma City bilden, dann wird man dort den US-Bundesstaat Kansas finden. Dieser stand während des Bürgerkrieges auf der Seite der Union -also der Nordstaaten- und versteht sich mit seinen von Öl-Bohrtürmen durchwirkten Prärien auch heute noch als Teil des Mittelwestens und nicht des Südens.
Dort ist Logan Mize aufgewachsen, und das Leben im 2.000 Einwohner Ort Clearwater, Kansas, umgeben von Weizenfeldern, die sich bis an den Horizont erstrecken, hat ihn bis heute geprägt. "Leute aus dem Mittelwesten sind anders [als die aus dem Süden]", betont Logan Mize im Interview mit entertainment-focus.com. "Irgendwie stoischer. Und sie sind in der Country Music auch kaum repräsentiert." Vielmehr ist es der Heartland Rock (etwa eines John Mellencamp), mit dem sich diese Region traditionell musikalisch mehr verbunden fühlt.
Vor 12 Jahren zog der Musiker und Songschreiber Logan Mize, wie so viele andere, die es schaffen wollten, nach Nashville, wo er primär für das kleine Label Big Yellow Dog Music Musik aufnahm. 4 Alben sind aus dieser Arbeit bis dato entstanden, darunter "Come Back Road" (2017), auf dem sich der unvergessliche Ohrwurm 'Better Off Gone' befindet.
Wenn auch angekündigt, so doch etwas überraschend, stellte er am 1. Oktober
2021 sein bereits fünftes Album mit dem Titel "Welcome To Prairieville" vor. Überraschend deshalb, weil es bereits sein zweites im heurigen Jahr
ist. Denn erst Ende Jänner 2021 war das Album "Still That Kid" mit 13
Titeln erschienen.
"[Songwriter] Blake Chaffin dachten uns [schon vor 10 Jahren] diesen fiktiven Ort aus und nannten ihn Prairieville", erzählt Logan Mize auf seiner Homepage über die Entstehung des neuesten Projektes. "Blake kommt wie ich aus Kansas und beide verwenden wir daher ähnliche Redewendungen. So schrieben wir über die Jahre hinweg rund 50 Songs über diesen Ort."
"Immer wenn wir uns trafen, fragten wir: Was gibt's Neues in Prairieville? Es inspirierte uns. Nach und nach waren es nicht nur Lieder über einen Ort, sondern wir entwickelten einen eigenen Schreibstil dabei. Die besten Songs daraus befinden sich jetzt auf dem [veröffentlichten] Projekt!"
11 Songs umfasst das Album und nur an einem war Logan Mize nicht als Songschreiber beteiligt. Mehrheitlich ist es ein Projekt, das über die letzten 10 Jahre hinweg gemeinsam mit Blake Chaffin entstanden ist. Seit vier Jahren lebt Logan Mize nun wieder im ländlichen Kansas, nachdem der große Erfolg in Nashville leider ausgeblieben war, was dem Projekt ein Gefühl des Heimkommens verleiht.
Für jeden Musiker ist die Reihenfolge der Songs auf einem Album ein oft schwieriges, jedenfalls aber sehr wichtiges Thema. Das gilt ganz besonders für ein Projekt wie "Welcome To Prairieville", dem ein zusammenfassendes Thema oder Konzept zugrunde liegt. So sagt Logan Mize über den ersten Titel ('George Strait Songs') im Interview mit countrynow.com: "Dieses Lied ist mehr eine Hymne über das Heartland und es fungiert als Eröffnungsszene für das Album. Ich weiß, dass die Leute Alben nicht mehr im herkömmlichen Sinne hören, aber ich wollte es so gestalten, als wäre es noch so."
Eine Steel Gitarre gibt dem Heartland-Rock des Songs das nötige Country-Element, während der Text eine Kleinestadt im Mittelwesten beschreibt, in der die Landwirtschaft, die Gemeinschaft und die Religion immer noch eine zentrale Rolle spielen. Und die Lieder von George Strait, die dort ebenfalls längst zu einem Teil des Lebens geworden sind.
Der titelgebende Song
Welcome To Prairieville" beschreibt als nächstes den fiktiven Ort mit seinen Menschen und
Geschäften oder das, was die Zeit davon übergelassen hat. Denn immer mehr
Menschen suchen ihre Zukungt woanders und an jedem zweiten Geschäft hängt
das Schild: Zu verkaufen! Trotzdem bleibt die Verbundenheit zum
Heimatort bestehen.
Das pulsierende 'River Road' windet sich als roter Erinnerungsfaden durch das Heranwachsen in dem kleinen Ort im Mittelwesten. Dort, wo man als Zehnjähriger seinen ersten Baseball geworfen hat, wo die erste Liebe Herzen gebrochen hat und wo man schließlich doch den einen Menschen gefunden hat. 'River Road' wird dabei zum Synonym für all die Orte schöner Erinnerungen, die die Zeit längst fortgerissen hat.
Mit dem feierlichen Klang einer Orgel beginnt 'Wine at the Church, Beer at the Bar'. Aber rasch nimmt der Song Fahrt auf und wandelt sich in einen alltagstauglichen und eingängigen Refrain. Selten wurde so treffend und
gelungen auf den Punkt gebracht, was das Lebens in so einer Kleinstadt
zusammenhält:
Der mächtige Refrain von 'Follow Your Heart' täuscht über die Melancholie des Songs hinweg, indem er der Liebe, die in die große Stadt aufgebrochen ist, die Richtung weisen möchte, wie ein mehrspuriger Highway. Ein Highway in Richtung zurück nach Hause, in die Kleinstadt, in der alles begonnen hat.
Der einzige Song, an dem Logan Mize nicht beteiligt war und der alleine von
Blake Chaffin geschrieben wurde, ist das tiefgehende Herzstück des
Albums, 'I Need Mike'. Es erzählt die Geschichte von jemandem, der mit seinen Problemen nicht
fertig wird und sich hoffnungslos alleine gelassen fühlt.
"Obwohl es ein sehr trauriges Lied ist, soll es Hoffnung geben", sagt
Logan Mize. Die Worte Ich brauche Dich sollen zeigen, dass
hoffentlich niemand wirklich alleine sein muss. Auch wenn im Song diese
Erkenntnis zu spät kommt. So endet das betroffen machende Video mit dem
Hinweis, sich bei Suizid-Themen an professionelle Hilfe zu wenden. Auch das
ist ein Thema in einer Kleinstadt.
Und auch wenn wir in keiner Kleinstadt leben, fragen wir uns doch alle zumindest einmal: Was bedeutet Glück im Leben? Was ist wichtig, was ist vielleicht doch nicht so schlimm? Damit setzt sich 'If You Get Lucky' auseinander und bringt es in der Bridge einfühlsam und doch verblüffend sachlich auf den Punkt:
Das alte Sprichwort "Ehrlich währt am längsten" findet sich als Thema
im Midtempo-Song 'Tell The Truth', während es im pop-rockigen 'We Ain't Broke' um das ein wenig zu sehr bemühte Wortspiel geht: wir haben zwar kein Geld
(we are broke), aber unsere Liebe ist intakt (not broken). Tempo
und Kraft des Titels lassen das jedoch schnell vergessen.
Man möchte fast meinen, es steckt ein bisschen Autobiographie im Titel 'I Still Miss You'. Eigentlich geht es um die Sehnsucht nach einer Liebe, die fortgegangen ist, aber die eine oder andere Zeile darin klingt dann doch vertraut:
Mit einem nachdenklichen Wortspiel endet das Album schließlich. Alleine von
Logan Mize geschrieben, sind es jetzt definitiv persönliche Betrachtungen, die
in den Song 'It's About Time' einfließen. Denn während der Titel sich auf den ersten Blick als
Es ist an der Zeit übersetzen lässt, findet sich die tiefere Bedeutung
im Text: es geht um die Zeit und wie man sie nutzt.
So wie Logan Mize aus 'It's About Time' ganz unerwartet eine einfühlsame Liebeserklärung an seine Frau macht, so ist auch dieses Herzensprojekt eine Liebeserklärung an das Umfeld, in dem der Künstler aufgewachsen ist und das eigentlich gar nicht im Amerikanischen Mittelwesten liegen muss, sondern irgendwo. Es lebt einfach weiter in unserer Erinnerung und in uns selbst, weil es uns bis heute geprägt hat.
Aber auch stilistisch ist es für Logan Mize ein Heimkommen, wenn er sagt: "Alles was ich bisher gemacht habe, war ein Kompromiss. Die Leute investieren in dich und wollen ein bestimmtes Ergebnis hören. Jetzt hatte ich die Chance, endlich ich selbst zu sein. Die Produktion, die Texte, all das ist wie ich es mir vorgestellt hatte, direkt aus meinem Herzen kommend."
Und so ist irgendwie alles stimmig, in und rund um Prairieville, dessen Geschichten nicht an der Oberfläche bleiben und deren Soundtrack von
unverkennbaren Einflüssen des Heartland Rocks aus den 80er Jahre getragen
wird. Jeff Lynne und Mutt Lange werden als produktionstechnische
Vorbilder und Einflüsse genannt, was sich unvoreingenommen an vielen Stellen
hören lässt.
James Daykin vom lyricmagazine.co.uk fasst es sehr treffend zusammen, wenn er schreibt: "Das hier ist kein Country Album, aber es ist auch kein Rock Album. Es besteht aus verschiedenen Stilrichtungen, eine Mischung aus allem, was dieses Heartland Gefühl vermittelt. Willkommen in Prairieville!"
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