Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Amerikas Honky Tonk Band des 21. Jhd.

"Und die Räder drehen sich weiter und weiter
und ich höre den Klang eines einsamen Liedes.
Seitdem Hank zu mir gesungen hat, weiß ich,
ich bin geboren für Amerikas Honky Tonk Band des 21. Jahrhunderts."
(21st Century Honky Tonk American Band / J. Carsson, M. Wystrach, C. Duddy, R. Akins, B. Dipiero)

Am 23. August 2019 veröffentlichte Taylor Swift mit "Lover" ihr 7. Studio-Album. Es gibt aktuell wenige Künstler, die sich mit dem Erfolg der inzwischen 29-Jährigen messen können. Auch wenn sie mit den Dixie Chicks eine legendäre Country Formation als stimmliche Unterstützung für einen Song auf ihr Album geholt hat, hat sie das Genre, aus dem sie gekommen ist, längst hinter sich gelassen.

In genau diesem Genre ist am gleichen Tag ebenfalls ein neues Album erschienen, das für großes Fan- und Medienecho gesorgt hat. Die zweifellos schillerndste Gruppe der zunehmend breiter werdenden Neo-Traditionalisten Bewegung veröffentlichte mit "Let It Roll" ihr zweites Album. Und damit geht Midland aus Texas ganz konsequent den Weg weiter, den sie mit ihrem ersten Album "On the Rocks" (2017) eingeschlagen haben.

Während viele extreme Traditionalisten sie immer noch wegen angeblich fehlender Authentizität verweigern, hat die Gruppe das überwiegende Country Publikum (speziell dasjenige, das dem traditionellen Musikstil aus vergangenen Jahren nachtrauert) für sich gewonnen. Nicht zuletzt ihr eigenwilliger Kleidungsstil, der in den 1970ern mehr die Regel als die Ausnahme war, hat geholfen, sie aus dem unübersehbaren Heer von Konkurrenz hervorstechen zu lassen.

Gleich 14 Songs beinhaltet das neue Album. Und an jedem einzelnen war zumindest ein Mitglied des Trios als Songschreiber beteiligt. Intensive Unterstützung bekamen sie dabei von den beiden namhaften Songschreiber/Produzenten und leidenschaftlichen Midland-Unterstützern Shane McAnally und Josh Osborne. Letztere treten auch für dieses Album als Produzenten auf, zusammen mit Dann Huff.

Diesem Team ist es gelungen, einen Sound zu produzieren, der glatt und eingängig klingt, und dem überraschenderweise erst die traditionellen Instrumente wie die Steel Gitarre ihre leichten Ecken und Kanten gibt. Nicht verwunderlich erinnert der Harmoniegesang an vielen Stellen immer wieder an Westküstenklänge der Eagles aus den 1970er Jahren, während andere Elemente an Dwight Yoakam oder Brooks & Dunn denken lassen. Vor 30 Jahren wäre der Sound von "Let It Roll" kaum aufgefallen, weil er dem folgte, was alle anderen auch machten. 2019 wirkt das Altbackene jedoch erstaunlich frisch und neu!



Jemand, der mit dem Country Sound des ausklingenden 20. Jahrhunderts vertraut ist, wird sich möglicherweise bei der Hälfte des Albums langweilen. Das sind die berühmten 3 Töne (und ein bisschen Wahrheit), die man bereits nach den ersten Klängen kennt und die sich dann immer wiederholen. Songs wie 'Fourteen Gears' mögen zwar von Fans wegen des Textes über den Trucker, der auf dem Road Trip zu seiner Liebsten alle 14 Gänge seines Fahrzeuges nutzt, in hohenTönen gelobt werden, aber musikalisch bieten sie nur wenig, was man nicht schon kennt.

Auch textlich bleibt Midland konsequent bei den klassischen Country-Themen: Liebe und Rastlosigkeit, Fremdgehen und Alkohol. Trotzdem zahlt es sich aus, bei dem einen oder anderen Song genauer auf den Text zu hören, wenn man ein wenig Schmunzeln möchte. Denn auch das gehört zum klassischen Country-Stil: mit Worten und deren Doppeldeutigkeiten zu spielen.

So bekommt der plumpe Titel des Liedes 'Every Song's a Drinkin' Song' erst dann seine weiterreichende Bedeutung, wenn man den Rest des Refrains kennt. Der da im übertragenen Sinne lautet: wenn du dich ansaufen willst, dann geht das zu jedem Lied! Mit der Englischen Sprache lassen sich darauf zwar simple, aber überraschend humorvolle Reime bilden: You don't have to wait on Cash, if you're just here to get trashed.

Auch 'Playboys' handelt nicht von dem, was der kurze Titel suggeriert, sondern der Song teilt das Titel-Wort in seine beiden Teile und ermuntert damit die Jungs, auf die Bühne zu gehen und zu spielen. Oder im übertragenen Sinn, das Leben nicht nur Arbeit sein zu lassen, sondern auch Zeit für's Spielen zu finden. Und in 'Cheatin' by the Rules' bekommen wir sogar einen Handlungsleitfaden dafür präsentiert, wie man richtig fremdgeht.

Das spürbare Augenzwinkern bei diesen Texten deutet darauf hin, dass es sich nicht um authentisch gelebte Erahrungen handelt, die schon gar nicht toternst gemeint sind. Es gibt dem Album eine humorvolle und attraktive Leichtigkeit, auch wenn manche darin fehlende Ehrlichkeit sehen.



Wer nun glaubt, dass das Album musikalisch lediglich ein einfallsloses Aufwärmen alter Klänge ist, darf sich ebenfalls überraschen lassen. So knüpft die vergnügliche erste Single aus dem Album ('Mr. Lonely': aktuell auf Platz 29 in den Billboard Country Airplay Charts) an den klassischen Westcoast-Hillbilly Stil von Dwight Yoakam an. Bei 'Put The Hurt On Me' fällt einem 'Wicked Game', der Klassiker von Chris Isaak ein. Sowohl der Titelsong, als auch der Song mit dem Country-Buzz-Word-Titel 'Cheatin' Songs' verarbeiten eingängigsten Country-Pop.

Und auf dem melancholischen 'Lost in the Night' über einen One-Night-Stand ohne Forsetzung gibt es sogar ein Saxophon zu hören, während der Song mit dem längsten Titel auf dem Album ('21st Century Honky Tonk American Band') gar mit unerwarteten Southern Rock Klängen aufhorchen lässt.

Midland haben mit ihrem zweiten Album "Let It Roll" die Fans traditioneller Countryklänge nicht enttäuscht und gleichzeitig genug Anreize für Fans verarbeitet, für die es gerne moderner und aufgeschlossener sein darf. Damit (und nicht zuletzt ihrem Outfit) machen sie sich aktuell zur Galionsfigur der Neo-Traditionalisten, denen es damit doch tatsächlich gelingt, klassischen Country Sound wieder ins Radio und die Charts zu bringen und salonfähig zu machen.

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