Tagebuch einer Songschreiberin

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"Sei aufgeschlossen und höre es an einem ruhigen Ort. Lass dich mitnehmen. Höre es von Anfang bis zum Ende. Ich hoffe, du lernst ein bisschen über mich oder vielleicht auch über dich. Wir alle versuchen das [Leben] zu verstehen oder brauchen auch mal eine Pause davon. Lasst mich euch dabei helfen." (Lanie Gardner / sweetyhigh.com, 25. Oktober 2024)

Weihnachten überall

"Vor ein paar Jahren war ich im Winter in Schottland. Es war nach Weihnachten, aber es fühlte sich immer noch so an. Ich hatte begonnen, mir Gedanken über ein Weihnachtsalbum zu machen und ich wusste, ich wollte nicht einfach all die traditionellen Weihnachtslieder covern, so wie es alle Künstler tun, die einen bestimmten Bekanntheitsgrad erlangt haben. Ich wollte meine eigenen Lieder einbringen."
(Billboard Magazine / Rodney Crowell, 18. Oktober 2018)

Hager und müde sieht er aus. Und wesentlich älter, als die 68 Jahre, die er hinter sich hat. Nur seiner Stimme hört man es nicht an. Sie klingt kaum älter, als zu Ende der 1980er Jahre, als er im kommerziellen Zenit seiner Karriere stand. 5 Nummer-1 Hits in Folge brachte ihm das hochgelobte Album "Diamonds & Dirt" ein. Wenige Jahre danach folgte die Scheidung von Rosanne Cash, der Tochter von Johnny Cash, die er mit dem eindrucksvollen Album "Life is Messy" dokumentierte.



Als Songschreiber hat er unter anderem Hits wie 'Shame on the Moon' (Bob Seger), 'Til I Gain Control Again' (Willie Nelson) oder 'Please Remember Me' (Tim McGraw) geliefert. Heute gilt Rodney Crowell als einer der anerkanntesten Singer-Songwriter in Nashville, der jedoch seit Jahren keine Musik für die Hitparaden mehr macht, sondern sich mit seinen Songs ganz auf das schmucklose Erzählen von teils autobiographischen Geschichten zurückgezogen hat. So rechnet man ihn inzwischen dem Americana Genre zu, wo seine Alben, die er immer noch regelmäßig produziert und veröffentlicht, entsprechenden Zuspruch finden.

Nach einem Akustik-Album im Sommer ("Accoustic Classics") veröffentlichte Rodney Crowell am 2. November 2018 bereits das zweite Album heuer, das insgesamt 17. seiner Karriere. Es trägt den Titel "Christmas Everywhere" und ist sein allererstes Weihnachts-Album. Als Songschreiber war es ihm ein Anliegen, nicht die ewig gleichen Lieder neu aufzunehmen, sondern eigenes Material zu verarbeiten. So wurde daraus die ganz persönliche Wahrnehmung auf Weihnachten, mit all ihren  hellen und dunklen Seiten, wie sie Rodney Crowell als Songschreiber und Geschichtenerzähler erlebt.

Im Interview mit Billboard Magazine erklärte er: "Den Großteil des Albums habe ich in ganz kurzer Zeit geschrieben, viel schneller als für gewöhnlich. Für 10 oder 12 Songs benötige ich normalerweise ein paar Jahre, aber die meisten Songs für dieses Album habe ich in vier oder fünf Monaten geschrieben."

Entstanden sind 12 Songs, mit Geschichten rund um Weihnachten, aber abseits der klassischen Weihnachtsklischees. "Als Songschreiber habe ich versucht, den schmalen Grat zu gehen, auf dem eine Geschichte real sein soll, ohne in einen weihnachtlich kommerziellen Zynismus abzugleiten. Denn es gibt jede Menge Einsamkeit und Isolation zu Weihnachten. So ist beispielsweise das melancholische "Merry Christmas From an Empty Bed" einer Kombination aus diesen Gefühlen."

Aber Rodney Crowell verarbeitet auch bewussten Zynismus in seinem Projekt, wenn er in 'Clement's Lament' darauf anspielt, dass die Weihnachtszeit im Einkaufszentrum inzwischen ja schon im August beginnt. Tristess und Depression findet sich in 'Christmas in Vidor' mit Textzeilen wie: "Kein Geld für Rechnungen, nimm ein paar Tabletten, unser Baby kommt demnächst, ich hoffe nur, es sieht dir nicht ähnlich." Den schwindenden Stellenwert von Weihnachten mit fortschreitendem Alter drückt er in 'Let’s Skip Christmas This Year' aus.

Auch stilistisch ist das Album nicht ganz leicht verdaulich, weil es erst gar nicht versucht kommerziell zu sein. Trotzdem gibt es fröhliche Momente, die einem ein Schmunzeln entlocken und die sich einen Platz im Radio verdient hätten. Dazu gehört zweifellos 'When the Fat Guy Tries the Chimney on for Size', das mit seinem R&B Sound ganz besonders hervorsticht, aber auch der Titelsong mit seiner ansteckenden und seiner vielleicht gar nicht so überzeichneten Hektik im Gypsie Jazz Stil unter der Mithilfe von John Jorgenson.


Im zugehörigen Video ist nicht nur Rodney Crowell zu sehen, sondern im völlig überraschenden Break mitten im Song, auch die Songwriterin Lera Lynn, die sich vom Weihnachtsmann nicht weniger überraschend eine Zeitmaschine wünscht:
Und solange ich auf deinen Knien sitze,
lieber Weihnachtsmann,
kannst du mir nicht eine Zeitmaschine bringen,
mit der ich an den Tag zurückreisen kann,
an dem John Lennon starb.
Ich weiß, ich könnte den Mann stoppen,
der die Pistole in seiner Hand hielt.

Gelassen sieht Rodney Crowell jedenfalls sein durchaus bemerkenswert ungewöhnliches, nicht einfaches Weihnachtsalbum, wenn er feststellt: "Ich mache mir nichts vor. Die Welt hat nicht auf ein Weihnachtsalbum von mir gewartet und hätte ich keines gemacht, hätte es mich auch nicht gestört. Aber da ich nun doch eines gemacht habe, bin ich doch froh darüber."




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