Kaltes Bier & der King der Country Music

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"Das ist es, was gute Musik ausmacht. Sie fasst das in Worte und Melodien, was Menschen oft schwer fällt, mit eigenen Worten zu sagen. Aber wenn sie den richtigen Song hören, dann fühlen sie sich verstanden. Ich denke, das ist ganz entscheidend." (Zach Top / americansongwriter.com, 5. April 2024)

Thomas Gabriel

"Ich habe einige sehr finstere Songs geschrieben. Die einen davon musste ich über das Album verteilen, andere musste ich ganz weglassen, weil sie einfach zu finster waren. Sie halfen mir, all die Emotionen rauszulassen, meine Erfahrungen - gute und schlechte. Mir ging es nicht darum zu sagen, 'Hey, das ist kommerziell und wird sich verkaufen. Lass uns was machen, was jedem gefällt.' Darum ging es gar nicht."
(Thomas Gabriel / 18. August 2018, boomerocity.com)

Fast genau 15 Jahre ist es her, dass am 12. September 2003 einer der bekanntesten und einflussreichsten Musiker der Musikgeschichte im Alter von 71 Jahren verstorben war. Aber selbst eineinhalb Jahrzehnte nach seinem Tod hat das seiner weltweiten Bekanntheit keinen Abbruch getan. Immer noch fällt den meisten (oft gar nicht so Musikinteressierten) der Name Johnny Cash ein, wenn das Stichwort Country Muic fällt. Wie ich es selbst eben erst wieder sogar in Griechenland feststellen konnte.

Dabei hatte sich Johnny Cash in den 1950er Jahren aus einer Vielzahl musikalischer Elemente, darunter sehr prominent: der Rockabilly und der aufkeimende Rock'n'Roll der 1960er Jahre, seinen eigenen, unverkennbaren musikalischen Stil gezimmert. Die klassischen Country-Klänge einer Fiddle oder Steel Guitar wird man in seiner Musik kaum finden. Das was ihn jedoch immer ganz stark mit dem Country Genre verband, war, dass er mit seinen Liedern Geschichten erzählte.

Auch wenn seine Geschichten immer stärker sozialkritische Züge zu tragen begannen und er sich 1971 mit dem Song 'Man in Black' nicht nur sein eigenes, legendäres Pseudonym schuf, sondern damit auch unmissverständlich klarmachte, worum es ihm im Leben ging: "Ich trage Schwarz für all die Armen und Unterdrückten in dieser Welt"

So ist es irgendwie passend, dass nicht nur fast unbemerkt, sondern auch fast genau 15 Jahre nach dem Todestag von Johnny Cash ein Album mit dem Titel "Long Way Home" erscheint. Auf dem Cover findet sich in großen Lettern der Name des Künstlers und ein düsteres Bild, auf dem dieser grimmig und doch irgendwie mit verlorenem Blick zu sehen ist. 11 Songs befinden sich auf dem Album, das sein erstes ist.

Und wie, lautet nun die berechtigte Frage, lässt sich damit der Bogen zu Johnny Cash schlagen?

Es fällt einem wie Schuppen von den Augen, wenn man die ersten Klänge der Stimme auf dem ersten Lied hört. Und doch will man seinen Ohren nicht so recht trauen. Denn entweder hat da jemand in einem alten Archiv gestöbert und einen unveröffentlichten Song von Johnny Cash technisch aufpoliert und unter einem Synonym veröffentlicht, oder der Man in Black selbst ist wiederauferstanden!

Des Rätsels Lösung ist nicht ganz so dramatisch, die Geschichte dahinter schon eher. Denn der Künstler mit dem etwas ungewöhnlichen Namen Thomas Gabriel ist niemand geringerer als der älteste Enkel von Johnny Cash. "Ich komme eigentlich aus Kalifornien, wo mich meine Mutter in sehr jungen Jahren zur Welt brachte, bevor wir nach Nashville zogen und ich viel Zeit mit meinen Großeltern verbrachte. Wir waren viel unterwegs, auf Straßen, in Hotels, Motels, Bussen und Flugzeugen."

"Ich begann mich früh für Musik zu begeistern und hatte mir in den frühen 1990er Jahren eine erste EP zusammengestellt. Ich hatte sie meinem Großvater vorgespielt und es gefiel ihm. Aber er fand, dass ich mit 21 noch zu jung war, um mich ganz auf die Musik einzulassen. Ich sollte mir einen Rückhalt schaffen, falls es nicht klappt."
Und so begann Thomas Gabriel eine Ausbildung und Karriere als Polizist. 8 Jahre lang ging das gut, dann holte ihn die Vergangenheit seines legendären Großvaters ein, dessen Tablettenabhängigkeit in den späten 1960er Jahren berüchtigt war.

Die mehr oder weniger normale und freie Verfügbarkeit von Drogen begannen eine immer größere Rolle zu spielen und es kam, wie es kommen musste: Thomas Gabriel musste seinen Dienst quittieren und wanderte in Folge für über 7 Jahre ins Gefängnis. Dort begann er langsam wieder zu sich selbst zu finden und sich Gedanken darüber zu machen, was er mit seinem Leben wirklich machen wollte. Musik war dabei irgendwie immer im Hinterkopf geblieben.

Als er 2013 entlassen wurde, begann er unmittelbar an einem musikalischen Projekt zu arbeiten, für das er noch im Gefängnis die Wurzeln gelegt hatte. Aber erst nach einem endgültigen Entzug, war Musiker/Produzent Brian Oxley bereit, mit ihm an einem ersten Projekt zu arbeiten. "Das Album verarbeitet all die Themen, die zu meinen Problemen geführt hatten. Ich wollte das einfach alles loswerden. Das nächste Album wird dann vielleicht ein ganz fröhliches", sinniert Thomas Gabriel über sein Debüt-Album.

Gelungen ist den beiden damit ein eindrucksvolles Werk, das Aufmerksamkeit erregt. Nicht nur, weil es klingt, als wäre da die Reinkarnation von Johnny Cash zu Gange. Sondern auch, weil es mit seiner rauhen Produktion eine Brücke von den legendären Gefängnis-Konzerten seines Großvaters in eine moderne Welt schlägt, die sich musikalisch nicht mehr ganz so einfach einordnen lässt.

"Ich habe so viele Einflüsse in meiner Musik. Ich habe klarerweise den Country-Einfluss und ich habe den Folk-Einfluss. Großvater hat sich selbst gar nicht als Country Sänger bezeichnet, sondern als Folk-Sänger. So ist mein Album eine Mischung aus Rock und Alternative, vermischt mit Country und ... ich weiß eigentlich nicht so genau. Es ist einfach, was ich eben so fühle."

Wenn man sich auf "Long Way Home" einlässt, dann ist das stimmig und klingt wohl so, wie Johnny Cash heute klingen würde, wenn er in der Mitte seines Lebens ins Studio gehen und ein neues Album aufnehmen würde, das seine Ängste und Emotionen in dramatische Geschichten verarbeitet. Das alleine sollte bereits großes Lob für Thomas Gabriel und seinen späten Neubeginn im Leben sein.



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