Aus dem Kopf kriegen
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Vor genau 10 Jahren, im Juli 2013 veröffentlichte Mercury Records eine Single, auf derem Cover die stilisierte Zeichnung eines langhaarigen, bärtigen Gitarristen zu sehen war. Sie trug den Titel 'What Are You Listening To?' und stellte sich als melancholisch-soulige Mid-Tempo Ballade über die Gedanken an eine verflossene Liebe heraus, die einfühlsam von einer kraftvoll-rauhen Stimme präsentiert wurde. In der linken oberen Ecke des Covers fand sich der Name des kommerziell unbekannten Künsters, der den Song gemeinsam mit Lee Thomas Miller geschrieben hatte: Chris Stapleton.
Und wie es so üblich war, reiste der Künstler in den Wochen vor der
Single-Veröffentlichung von Radio-Station zu Radio-Station, um dort persönlich
seine Debüt-Single vorzustellen. Im Zuge dessen entschied die Radio Station
92.5XTU Philadelphia am 31. Mai 2013, den Auftritt des noch
unbekannten Sängers aufzunehmen und ihn ins Netz zu stellen. 10 Jahre später kann
dieser Auftritt bei YouTube über 54 Mio. Aufrufe verzeichnen und
ist zu einer Art historischem Musik-Dokument geworden.
Aber noch schien die Welt nicht bereit zu sein für Chris Stapleton, denn die Single floppte und erreichte nur Platz 46 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts. Es sollte weitere 2 Jahre dauern, bis Chris Stapleton schließlich mit dem Justin Timberlake-Duett zu dem Song 'Tennessee Whiskey' aus seinem ersten Album "Traveller" bei den CMA Awards 2015 in aller Munde war. Und der Rest ist Musikgeschichte!
Obwohl also 'What Are You Listening To?' 2013 kein Hit wurde, gibt es noch eine weitere Geschichte zu dem Song zu erzählen. Denn die junge College Studentin Kassi Ashton stolperte über den Song und war von seiner stilistischen Umsetzung so angetan, dass sie entschied, ihre eigene Musik danach auszurichten. Soul und Country: das, was Chris Stapleton mit seiner Stimme so sehr verkörpert.
Die inzwischen 29-jährige Künstlerin stammt quasi aus Kalifornien. Aber nicht aus dem US-Bundesstaat, sondern einer 4.000-Seelen Gemeinde mit dem Namen California im US-Bundesstaat Missouri. Obwohl sie sich im Interview mit people.com 2019 als Wunschkind bezeichnete, waren ihre Eltern nie verheiratet. Dadurch wuchs sie in zwei sehr gegensätzlichen Haushalten auf. Früh fand sie ihre Begeisterung für Musik und eigene Gesangsauftritte.
"Ich erinnere mich, als ich [zum ersten Mal] Amy Winehouse und Adele hört. Große, emotionale Stimmen. Das mag ich", beschreibt sie ihre Einflüsse und Vorlieben, die sie von ihrer Mutter erlernt hatte. "Mom hörte nur Frauen mit Power [in der Stimme], egal welches Genre. Loretta [Lynn], Reba [McEntire], Stevie Nicks und Aretha [Franklin]." Als Kassi Ashton schließlich über ein Stipendium an der Belmont University in Nashville Gesang und Music Business im Nebenfach studierte, stolperte sie über Chris Stapleton und seine erste Single 'What Are You Listening To?'.
Mobbing in der Schule und nicht zuletzt eine überstandene
Schilddrüsenkrebs-Diagnose 2014, halfen ihr eine neue und mutigere Sichtweise
auf das Leben zu finden:
"Ich kann nicht immer in Angst leben, dass etwas passieren könnte. Denn
wenn es passiert, dann passiert es eben. Vielleicht hilft es mir aber,
anderen dabei zu helfen, mit solchen Situationen klarzukommen."
Ich wurde am falschen Ort, zur falschen Zeit geboren, aber manchmal macht
dich viel Falsches erst richtig, singt sie in ihrem ersten veröffentlichten Song Anfang 2018. Es ist ein
Titel, den sie 2017 gemeinsam mit Luke Laird und
Shane McAnally über ihre Herkunft aus 'California, Missouri' geschrieben hatte und der zum Auslöser dafür wurde, dass sie
MCA Nashville/Interscope Records unter Vertrag nahm.
"Ihre Musik ist neu, einzigartig und voll textlicher Tiefe", jubelte Universal Music Group CEO Mike Dungan über die Künstlerin. Entsprechend sollte 'California, Missouri' die Vorab-Single aus dem kommenden Debüt-Album sein. Als sie dann auch noch Keith Urban für seinen Song 'Drop Top' auf dem Album "Graffiti U" (2018) engagierte und Maren Morris sie mit auf ihre GIRL: The World Tour nahm, schien alles in die richtige Richtung zu laufen.
Aber die kalte und nüchtern klingende Produktion von 'California, Missouri' mit seinen in Teilen zu emotionslosen Gesangsstellen platzierte das musikalische Ergebnis zu weit weg vom Country Genre. Wenig verwunderlich, gelang dem Song der Sprung auf die Radio Playlisten dann auch nicht. Hatte die Künstlerin sich auch wirklich für das richtige Genre entschieden?
"Mit ein wenig Rock, verdammt viel Soul und einem traditionellen R&B Groove" beschreibt sich die Künstlerin stilistisch auf ihrer Homepage. Von allem etwas, aber nicht wirklich country. So überrascht es, dass das Label MCA Nashville nach wie vor hinter Kassi Ashton steht. Denn Album ist nach wie vor keines erschienen und die bisher veröffentlichten 9 Singles zeigen alle eine Künstlerin auf der Suche und ohne notwendige Country-Kompromisse.
Einen solchen bringt sie zumindest textlich erstmals im vergangenen Jahr mit 'Dates In Pickup Trucks' und gelangt damit erstmals auf die Radio Playlisten, was ihr einen ersten
Eintrag (Platz 57) in den Radio (Billboard Country Airplay)
Charts beschert. Stilistisch ist es aber immer noch ein vom
Hip Hop Beat dominierter Song, für den die Streaming Zahlen auf
Spotify jedoch erstmals über 9 Mio. springen.
Im Februar 2023 schließlich erscheint ihre aktuelle Single. Und erstmals scheint sie ganz viel richtig zu machen. Gemeinsam mit Todd Clark und Travis Wood geschrieben, überrascht 'Drive You Out Of My Mind' von Anfang an mit einer eingängigen Melodie, die ohne Hip Hop Elemente auskommt. Die Produktion klingt nicht mechanisch sondern frisch und ansteckend. Und damit fällt es einem wirklich schwer, sich den Ohrwurmqualitäten des Titels zu entziehen.
Textlich ist es ein wenig spektakuläres Wortspiel daüber, jemanden aus dem
Kopf kriegen [drive smb. out of your mind] und das gleichzeitig auch
physisch zu machen, indem man aus der Stadt wegfährt.
Kassi Ashton steht damit knapp vor
ihrem ersten Top-40 Hit in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts
(Platz 45). Und die Chancen stehen gut, dass man den Song auch nicht
mehr aus dem Kopf kriegt, bevor das passiert ist.
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