Balladen & Bangers: Handshakes in Heaven & Learn About Love

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"Was macht einen Banger? Das wichtigste ist der Hook, den man nicht mehr aus dem Kopf kriegt, nachdem man den Song nur einmal gehört hat. Außerdem hat er einen festen Beat, zu dem man sich einfach bewegen muss. Und Wiedererkennung ist ebenfalls ein Schlüssel." (DJ Rinehart / deepinthemix.com, 23. Juli 2023)

2022: Tradition oder Diversität, oder Tradition und Diversität?

"Als ich anfing, mit meinem Aussehen - Tatoos, gemischtrassig und all diese Dinge - wurde ich gleich als Rapper eingestuft, und das hat sich über die Jahre hinweg nicht geändert. Also dachte ich mir, was soll's, dann übernehme ich halt diese Rolle."
(Kane Brown / nytimes.com, 4. September 2022)

Auch in Nashville stand das Jahr 2022 unter dem Titel Diversität und Integration. Ein sozialpolitisches Thema, das seit dem Fall George Floyd im Jahr 2020 in den USA ganz nach vorne ins Bewusstsein gerückt ist. Und das gleichzeitig ein Thema ist, mit dem sich ein traditionell ausgerichtetes Format wie Country immer schwer getan hat.

Oder wie Journalist Billy Duke es auf tasteofcountry.com im Dezember 2022 formulierte: "Zur Zeit findet eine wichtige und fortführende Diskussion über die Diversität im Genre statt. Und auch wenn die Veränderung langsam vonstatten geht und man sie kritisieren kann, ist es ziemlich klar, dass über Jahrzehnte hinweg glatt rasierte, weiße und männliche Interpreten es am leichtesten hatten, Hits im Radio zu landen."

Während das Establishment der Award Shows sich noch besonders schwer damit zu tun scheint, ist die Industrie bereits einen Schritt weiter und dicht auf den Fersen des Publikums. Denn im Gegensatz zu vergangenen Jahren, in denen Social Media noch keine Rolle spielte, ist die Musikindustrie 2022 nicht mehr maßgeblich an der Formulierung eines öffentlichen Musikgeschmacks beteiligt.

Vielmehr ist es jetzt das Publikum, das vorlegt und es liegt an den Labels, möglichst schnell zu liefern. Unter diesem Aspekt drängen immer mehr Künstler auf das Spielfeld der Publikumsgunst, während gleichzeitig traditionelle Award Shows am anderen Ende des Spektrums immer mehr an Bedeutung verlieren. Das hat aber nicht zuletzt auch mit dem Auslaufen des traditionellen linearen Fernsehens zu tun, das bisher die Inftrastruktur dafür bereit gestellt hat.

So wechselten die ACM Awards im März 2022 erstmals vom TV Sender CBS exklusiv zu Amazon Prime und machten damit den Schritt in das Streaming Zeitalter. Ein Versuch, mit der Zeit zu gehen und neues Publikum zu gewinnen. Warum das Event auf Grund lizenzrechtlicher Einschränkungen dann jedoch nicht wie eigentlich zu erwarten, auf allen Amazon-Plattformen (sprich: auch außerhalb der USA) abrufbar ist, bleibt unbeantwortet. So stellt die Country Music Association (CMA) diese Überlegungen erst gar nicht an, sondern hält bis auf weiteres am bisherigen Übertragungsmodell für ihre Preisverleihungen fest und hat bereits im vergangen Jahr 2021 den Vertrag mit dem (linearen) Sender ABC bis 2026 verlängert.

Viel enttäuschender jedoch ist die Fantasielosigkeit der Nominierungen. Hier zählt die Tradition defnitiv am meisten. So scheint es seit Jahren eine Handvoll Künstler zu sein, die nominiert wird und immer wieder den Preis abholen darf. So wie Miranda Lambert, die seit rund 15 Jahren bei den beiden großen Preisverleihungen der ACM und CMA jedes Jahr nominiert wird (und meist dann auch den Preis erhält).

Oder ein Chris Stapleton, dessen Stimme ganz ohne Zweifel im gesamten Musikgeschäft einmalig ist. Aber entweder verleiht man ihm die Auszeichnung für den Sänger des Jahres auf Lebenszeit oder man lässt auch den künstlerischen Output und den kommerziellen Erfolg eine Rolle spielen. Denn eigentlich liegt sein letztes Album bereits 2 Jahre zurück (2020) und auch an Hits hat er in den letzten beiden Jahren mit 'You Should Probably Leave' nur einen einzigen vorzuweisen.

Aber kein Künstler steht nach wie vor mehr zwischen diesen Stühlen aus Tradition, Fortschritt und Inklusivität, als Kane Brown es tut. Als Sohn gemischtrassiger Eltern zählt der inzwischen 29-jährige Künstler längst zu den kommerziell erfolgreichsten im Format. Alleine auf Spotify hat die Anzahl seiner Streams die 2 Milliarden Marke überschritten und in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts kann er mittlerweile auf 8 Nummer-1 Hits zurückblicken.

Ein Erfolg, der nicht mehr auf die USA beschränkt ist, führt ihn doch seine aktuelle Drunk Or Dreaming Tour seit September 2022 durch Australien, Kanada und im Jänner 2023 auch nach Europa (Schottland, England, Holland, Deutschland und Schweden).

Lediglich wenn es um Preisverleihungen geht, entsteht der Eindruck, dass Kane Brown keine größere Rolle im Format spielt. Zwar kann er im abgelaufenen Jahr auf ACM- und CMA-Nominierungen für den Song 'Famous Friends' verweisen, aber das scheint mehr dem Umstand geschuldet, dass es sich dabei um einen Chris Young Song handelt, auf dem Kane Brown als Duett Partner mitwirkt. 

Gleichzeitig ist das Zögern des Establishments verständlich. Denn Kane Brown sieht nicht nur aus wie ein R&B Star, sondern häufig klingt auch seine Musik so. Niemand würde auf die Idee kommen, seine beiden erfolgreichsten Songs auf Spotify (das Duett 'One Thing Right' mit Marshmello und 'Be Like That' mit Khalid) in die Country Schublade zu stecken.

Anfang September 2022 hat Kane Brown sein bereits drittes Studio-Album in voller Länge ("Different Man") veröffentlicht. Auf ganzen 17 von Dann Huff produzierten Songs zeigt er sich als der zur Zeit wohl vielseitigste Künstler in der Musikbranche. Während er mit dem Pop Song 'Grand' bei den MTV Video Music Awards (VMAs) aufgetreten ist, mischt er Klänge von Gospel und Rock in Titel wie 'Bury Me in Georgia' und 'Riot'.

Auf seinem aktuellen Top-10 Hit, der Liebes-Ballade 'Thank God' begleitet ihn erstmals seine Frau und im kompromisslos autobiographischen 'Pop's Last Name' geht es um seinen Vater. Und neben den beiden Nummer-1 Radio (Billboard Country Airplay) Hits 'One Mississippi' und 'Like I Love Country Music', beweist Kane Brown, dass er mit 'Whiskey Sour' selbst zutiefst traditionelle Klänge authentisch zu vermitteln weiß. Es bleibt abzuwarten, ob ihm das im kommenden Jahr endlich mehr Anerkennung von seiten des traditionellen Establishments bringen wird.

Denn wie hat es schon Country Ikone Randy Travis so schön formuliert: "Ich bin nicht nur ein Fan seiner Stimme, seines Stils und Talents, sondern auch seiner Leidenschaft und seines Charakters. Wenn man sich die Geschichten anhörte, die seine Lieder erzählen, dann wird man auch seine Reise verstehen."

 

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