Tagebuch einer Songschreiberin

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"Sei aufgeschlossen und höre es an einem ruhigen Ort. Lass dich mitnehmen. Höre es von Anfang bis zum Ende. Ich hoffe, du lernst ein bisschen über mich oder vielleicht auch über dich. Wir alle versuchen das [Leben] zu verstehen oder brauchen auch mal eine Pause davon. Lasst mich euch dabei helfen." (Lanie Gardner / sweetyhigh.com, 25. Oktober 2024)

Ich tanze nicht!

"Ich tanze nicht, es ist einfach nicht mein Ding. Und nun drehe ich mich doch mit Dir über die Tanzfläche, weil Du es bist ..."

Lee Brice ist einer der aussergewöhnlichsten Interpreten und Songschreiber in der heutigen Musikszene. Er hat dieses unglaubliche Talent, Texte und Melodien so zu verbinden, dass daraus unweigerlich Hits werden. Hits bei denen keines der beiden Elemente zu kurz kommt. Und dazu hat er noch das Gespür, in den Songs anderer Hits zu hören, wie es bei einem der erfolgreichsten Songs des vergangenen Jahres der Fall war: 'I Drive You Truck' aus seinem Album "Hard 2 Love".


Der Titel des Songs ist zweifellos irreführend, denn es geht ganz und gar nicht um das klassische Country Thema "Pick Up Trucks, Frauen und Parties". Basierend auf einer wahren Begebenheit geht es vielmehr um die ernüchternde Situation, in der ein Vater mit dem Verlust seines Sohnes (im Song ist es der Bruder) im Afghanistan-Krieg klar zu kommen versucht, indem er mit dem Truck des Sohnes fährt. Denn dieser ist voller Erinnerungen an den verlorenen Menschen und schafft so mehr Nähe als der kalte Grabstein am Friedhof.

'Love Like Crazy' aus seinem ersten Album war ein ähnlicher Fall, auch wenn das Thema des Liedes weniger anspruchsvoll ist. Nichtsdestotrotz wurde der Song zum populärsten des Jahre 2010 gekührt (ohne je den Spitzenplatz der Charts innegehabt zu haben) und brach gleichzeitig den Rekord aus dem Jahre 1948 für die längste Chart Präsenz: 'Love Like Crazy' war 55 Wochen in den Country Charts platziert.


Noch weiter zurück liegt sein erster kommerzieller Erfolg, damals nur als Autor. 'More Than A Memory' ist der bis heute einzige Song der Musikgeschichte der auf Platz 1 der Billboard Hot Country Song Charts einstieg. Zustande brachte das niemand geringerer als Garth Brooks (als Bonus Track auf seinem Album "The Ultimate Hits" 2007, als er sich noch im musikalischen Ruhestand befand). Das war zweifellos die Eintrittskarte in die Country Music Show Branche für Lee Brice. Und das Video zur Live-Performance des Songs von Lee Brice selbst zeigt, das gute Musik Emotion sein muß!


2014 schreibt Lee Brice erneut Geschichte mit der Vorab-Single zu seinem aktuellen Album 'I Don't Dance', das am 9. September 2014 erschien. Der Song, bereits veröffenlicht im Feber 2014, wurde in Rekordgeschwindigkeit mit Platin ausgezeichnet (kein anderer Country Song schaffte das so schnell 2014). Und 'Platin' heißt in den USA, 1 Million verkaufte Stück!

Der Song ist wieder eine Ballade, diesmal mit autobiographischem Hintergrund. Geschrieben von Lee Brice für den Hochzeitstanz mit seiner Frau, gibt er darin zu verstehen, dass das Tanzen eigentlich gar nicht sein Ding ist. Und niemand kann da was dagegen tun - bis zu dem kitschigen Moment, als eben seine Frau in sein Leben trat.


'I Don't Dance' vereint all die Stärken eines Lee Brice Hits: eingängige Melodie, einfühlsamer Text, eine angenehme Stimme und eine Produktion, die traditionell und gleichzeitig zeitgemäß modern ist. Ein Gesamtpaket dass sich immer wieder hören lässt und einen mit Spannung auf das neue Album warten ließ.

Am 9. September erschien es dann in den USA - in einer Standardausgabe mit 13 Titeln und einer Deluxe-Version mit drei zusätzlichen Nummern. Und obwohl Lee Brice in diversen Interviews schon angekündigt hatte, mit modernen Sounds zu traditioneller Country Music experimentieren zu wollen, war ich (und viele andere) dann doch etwas perplex über das vorgelegte Werk. Speziell diejenigen, die mehr im Stile von 'I Don't Dance' erwartet hatten, schienen dann doch sehr enttäuscht über die mutigen Sound Experimente auf dem Album.


Das Label hatte Lee Brice ziemliche Freiheiten gelassen und diese werden auf dem Album ausgiebig genutzt mit Klängen, die irgendwo zwischen Brit-Pop, Elektronik und Hip-Hop angesiedelt sind! Erst der letzte Song 'Panama City' kehrt als emotionale Klavierballade wieder zum gewohnten Sound von Lee Brice zurück.

Dazwischen ist 'I Don't Dance' für aufgeschlossene Hörer ein aufregendes Album. Die textlichen und melodischen Qualitäten von Lee Brice sind ungebrochen zu hören, aber sie sind eben mit Sound-Elementen unterlegt, die es so im Country Umfeld noch nicht zu hören gab.

Die zweite und aktuelle Single aus dem Album 'Drinking Class' zeigt bereits beide Facetten: traditioneller Country Text über das Ausgehen am Ende einer harten Arbeitswoche verbunden mit Rythmuswechseln, treibender Percussion und Echoeffekten. Und der Chorus ist so ansteckend, dass es eigentlich nur ein Hit sein kann, der speziell live ideal zum Mitsingen ist.

Ganz am anderen Ende der stilistischen Möglichkeiten liegt 'Sirens', mit seinen Chören, Elektronik-Sounds, elekrischen Gitarren und Stakkato-Hip Hop Gesang. Dazu der textliche Thriller über eine flüchtende Bankräuberin, die mit vorgehaltener Waffe die Flucht erzwingt und alles was bleibt, ist die Erinnerung an ... Sirenen.

Ähnlich eindringliche Bilder bringt 'Hard to Figure Out (The Airport Song)', wenn der Tod eines geliebten Menschen den Ärger über die Warterei am Flughafen in Perspektive setzt. Wenig agressiv und dem Thema angepasst ist der Sound poppiger.

Fast an Brit-Pop von Hurt erinnernd ist der bombastische, treibende Sound von 'Always The Only One', wären da nicht die dezenten R&B Elemente im Hintergrund.

Eine ruhige und melancholische Nummer ist 'Somebody's Been Drinking' über eine verlorene Beziehung und die einsamen Momente danach.

Ein zerbrechlich schöner Abschluss ist 'Panama City'. Es sind Balladen wie diese, in denen Lee Brice als Interpret unerreichbar ist und den Song zu seinem macht, auch wenn er ihn nicht geschrieben hat. Ein Lied, das Kinosequenzen mit Worten und Melodien malt, über jene Sommernächte mit 18 in Panama City, " ... mit der Gitarre in der Hand, auf der Motorhaube meines alten Autos, als wir den Mond im Meer versinken sahen, ich James Dean und Du Liz Taylor, mein Gott wie ich es vermisse ... wenn nur wenigstens Du noch hier wärst ...".

Viel steckt in diesem ungewöhnlichen Album von Lee Brice und es bedarf mehr als einmal gehört zu werden, um die Juwelen zu entdecken. Aber ich glaube man schafft es gar nicht, dieses Album NUR einmal zu hören.

P.S.: Und wer wirklich wissen will, welches Genie Lee Brice als Songschreiber und Interpret ist, der soll sich einfach einmal auf Text und Emotionen seines Songs 'That Way Again' vom Album "Hard 2 Love" einlassen.

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