"Ich trage, was ich mag, ich singe was ich will,
und alles was ich brauche
ist mein Glaube, meine Fans, meine Freunde und meine Familie,
und im übrigen bin ich lieber ein alter Zaunpfahl in Texas,
als der König von Tennessee."
(A. Watson / Fence Post)
Wie der Vorbote einer heraufdämmernden Götterdämmerung ist mir in den letzten Wochen im Netz immer wieder das Porträtfoto eines Rodeo Clowns (jemand der beim Bull Riding die Stiere farbenfroh ablenkt, wenn der Reiter abgeworfen wurde) über den Weg gelaufen. Höchst gelungen spielt es mit Licht und Schatten und ist untertitelt mit "
Aaron Watson.
Der Aussenseiter."
Und damit hat es auch mich neugierig gemacht, auf die so angekündigte Veröffentlichung des neuen Albums von
Aaron Watson mit dem Titel "Der Aussenseiter" am 17.2.2015.
Und dass es auch viele andere neugierig gemacht hat, beweist der Tatbestand, dass das Album diese Woche auf
Platz 1 der Billboard
Country Album Chart einsteigt und in der erste Woche mit über 26.000 verkauften Einheiten auch gleich auf Platz 14 der
Pop Album Charts ("Billboard 200") gelistet wird!
Aber wer ist nun dieser
Aaron Watson? Ein junger neuer Interpret, frisch in Nashville angekommen? Jemand, der sogleich von einem Major Labels gepusht wird? Jemand, der sich seine Sporen erst verdienen muss?
Zur Verblüffung der meisten lautet die Antwort "
Nein!", "
Nein!" und nochmals "
Nein!".
Aaron Watson ist als Mitte-Dreißiger und mit 15 Jahren im Geschäft nicht unbedingt mehr als Newcomer zu bezeichnen. Auch hat er bereits 12 Alben veröffentlicht. Diese dafür auf keinem Major Label. Also wie passt das nun alles zusammen?
Es war einmal ... Texas. Und Texas war nicht nur, sondern ist auch noch immer sehr, sehr groß. So groß, dass es unter anderem auch eine eigene Musikszene hat, die völlig autark vom Rest der Welt lebt und floriert.
Texas Music hat ihre Wurzeln wohl in den 1970er Jahren, als
Willie Nelson Nashville den Rücken gekehrt hatte, weil er sich dort nicht verstanden gefühlt hatte und nach
Austin, Texas gezogen war, wo er auch heute noch zu Hause ist. Jedenfalls dann, wenn er nicht auf Tour ist - was eigentlich praktisch nie der Fall ist.
Texas Music ist stark an Country Music angelehnt, aber weniger kommerziell, mehr Roots-Musik, mal sehr traditionell, dann wieder sehr vom Rock beeinflusst. Es gibt eigene Charts und die Fixsterne am Texas Music Himmel sind u.a.
Jerry Jeff Walker,
Guy Clark,
Joe Ely,
Pat Green,
Robert Earl Keen und viele andere. Auch der Nachbarbundesstaat
Oklohoma liefert Einflüsse und Interpreten wie
Jason Boland,
Stoney LaRue,
Jimmy LaFave und
Cross Canadian Ragweed. Und damit spricht man man auch gerne von
Red Dirt Music, bezogen auf die rote Erde, die man in Oklohoma findet.
Aaron Watson ist nun in dieser Szene seit 15 Jahren tätig und kann vom Stil her dem traditionellen Country Music Camp zugeordnet werden. Und diesem Stil bleibt auch das neue Album treu, auch wenn es kleine Zugeständnisse gibt. Für die Produktion zeichnet der bekannte, aus Texas stammende ehemalige Musiker und jetzige in Nashville lebende Produzent
Keith Stegall verantwortlich. Bekannt ist dieser vorallem für seine Arbeit mit
Alan Jackson,
George Jones und
Zac Brown.
Umso voller sind zur Zeit die Insider-Medien darüber, dass ein Interpret ohne Major Label Support, ja ohne Radio Support (Texas Music wird ausserhalb Texas' praktisch nicht im Radio gespielt und Fans finden das auch gut so) das
meistverkaufte Country Album in den USA vorlegt. Und dass noch mit traditioneller Musik, die auch im Radio praktisch nicht mehr zu hören ist.
Aber wie ist die Musik nun? Sie geht erstaunlich ins Ohr. Ob es am Einfluss von
Keith Stegall liegt, jedenfalls erinnert sie sehr an die Country Music der
1990er Jahre. Das volle Spektrum der Country Instrumentierung ist da vorhanden, da fehlt weder die Steel Gitarre noch die Fiddle. Die angenehme Stimme des Sängers transportiert die Texte klar und verständlich, da gibt es keine bombastischen Refrains mit lauten E-Gitarren.
Und die Texte stehen ganz klar im Mittelpunkt. Da gibt es das berührende '
Bluebonnets (Julia's Song)' über die Vergänglichkeit des Lebens und den Tod seiner Tochter. Da gibt es '
Wildfire', ein Titel von Pop-Rock-Blues Gitarrist
John Mayer aus seinem aktuellen Americana-Album, das sich nahtlos einpasst in das Album von Aaron Watson. Der Titelsong '
The Underdog' unterstreicht die Eigenständigkeit, aber auch den in Texas wohl zwingend notwendigen Glauben an Gott.
Was wird da nicht darüber gestritten, dass Interpreten wie Aaron Watson eigentlich gar nichts von Nashville wollen und froh sind, nur in Texas Erfolg zu haben. Dass dem nicht wirklich so ist, sondern vielmehr aus der Not eine Tugend gemacht wurde, zeigt der Titel '
Fence Post' in dem Watson
autobiographisch beschreibt, wie er nach Nashville gekommen war um sein Glück zu versuchen, aber von den grossen Machern der Labels nur Ablehnung geerntet hatte.
Denn wer wünscht sich nicht Anerkennung für das was er macht? Und je mehr, desto besser fühlt es sich an. Es ist einfach nicht die Wahrheit, dass Künstler sich bewusst ins kleine Kämmerchen zurückziehen, weil sie dann zufriedener wären oder ihre Kunst, mit der sie ja meist etwas mitteilen wollen, nur einem ausgewählten Kreis zur Verfügung stellen wollen.
Er selbst zeigt sich auch gar nicht ablehnend gegenüber kommerzielleren Musikvarianten. In einem Interview gibt er zu verstehen, dass er das aktuelle Album von
Sam Hunt besitzt. "Es ist wahrscheinlich das am wenigsten nach Country klingende Album, das ich je in der Country Musik gehört habe. Aber gleichzeitig ist es ein grossartiges Album. Mein eigenes Album ist im Vergleich dazu extrem country. Aber das ist ok." Und er fügt hinzu, "Wäre es nicht schlimm, wenn es im Supermarkt nur eine Sorte Marmelade gäbe?"
'
That Look' ist die erste offizielle Single aus dem Album und ich bin gespannt, wie sie nach dem kleinen Medienrummel von den Radio Stationen im Rest der USA aufgenommen wird. Den Titel kann ich mir durchaus in den Charts vorstellen, speziell da der Titel ein wenig kommerzieller ist und auch ohne Fiddle auskommt. Als positive Abwechslung kann ich '
The Underdog' durchaus empfehlen.
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