Niemand ist niemand
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Als Brothers Osborne vor fast genau 3 Jahren (am 9. Oktober 2020) ihr drittes Studio-Album veröffentlichten, war kaum jemandem bewusst, wieviel persönliche Themen sich unter der Oberfläche verbargen. So bieten sich die Leichen im Keller aus dem Titelsong "Skeletons" rückblickend als Vorwegnahme des 6 Monate später öffentlich gemachten Coming-Out von TJ Osborne an, wenn dieser bereits in der ersten Strophe singt: es ist höchste Zeit, sich zu offenbaren.
Es ist nachvollziehbarerweise ein so schwieriges Thema, dass sich auf der Deluxe-Version des Projektes mit 'Younger Me' ein Titel befindet, der einem jüngeren Ich Mut zuspricht, aber zugleich die Unsicherheit und das Verlorensein beschreibt. Gleichzeitig macht der Text das so stilvoll, dass sich jegliche schwierige Jugend damit identifizieren lässt und nicht nur das konkrete Thema einer sexuellen Orientierung.
Ein Anderssein, dass das Brüderpaar auch musikalisch vom Mainstream wegschiebt
und ihnen bisher erst einen Top-10 Hit ('Stay A Little Longer', 2015)
beschert hat. Wovon sie sich aber nicht beirren lassen, wie sie es mit
wuchtigen Rock-Gitarren unmissverständlich betonen, wenn sie auf der
Deluxe-Version von "Skeltons" mit 'Headstone' verkünden, dass sich das auch nicht ändern wird:
schreibt das [gerne] auf meinen Grabstein!
Somit darf es nicht verwundern, dass das Duo für ihr viertes Studio Album --das einfach nur den Titel "Brothers Osborne" trägt und am 15. September 2023 veröffentlicht wurde-- Mike Elizondo als Produzenten ins Studio geholt hatte. Mike Elizondo kennt man bis dato nur abseits des Country als Songschreiber und Produzent durch seine Zusammenarbeiten mit Dr. Dre, Eminem, 50-Cent, Twenty-One Pilots, Maroon-5, Pink, Eric Clapton und anderen. Seit etwas mehr als 10 Jahren lebt er jedoch in Nashville und so lassen sich Berührungspunkte mit der dortigen Musikszene wohl nicht ganz vermeiden.
"John's Gitarre hatte der Musik des Duos immer eine Rock&Roll Basis gegeben, aber auf dem neuen Album erweitern sie diese Palette mit Piano, Synthesizer und Drum Machines", beschreibt Jeff Gage von rollingstone.com das neue Projekt. "Die Brüder waren bereit Elizondo auf jedem kreativen Weg zu folgen, egal wie fremd er auch schien."
"Es gab keinen Moment, wenn er etwas vorschlug, dass wir es nicht machen
wollten. Denn das ist nicht der Punkt", betonte John Osborne.
"Der Punkt ist, dass das Studio genau der Ort ist, wo man neue Dinge ausprobieren kann. Wir hatten das Gefühl, dass wir
diesmal alles nur erdenkliche auf dem Album machen durften."
Auch für Mike Elizondo war es eine neue Erfahrung. "Mit ihnen an Musik zu arbeiten, war völlig anders, als alles, was ich bisher gemacht hatte. Wir hatten den großartigen Vorteil, dass sie schon mit jeder Menge großartiger Songs ankamen", betonte er im Interview mit udiscovermusic.com.
Trotzdem beteiligte der Produzent sich auch selbst als Songschreiber an 2 der insgesamt 11 Titel auf dem neuen Album. Darunter die erste und aktuelle Single 'Nobody's Nobody', die eben erst die Top-30 der Radio (Billboard Country Airplay) Charts erreicht hat.
Songschreiber Marvel Kendell hatte die Idee für den Titel, der für ihn
aber nach einem traurigen Thema klang. TJ Osborne jedoch widersprach
ihm:
"Für mich war es das ganz und gar nicht. Ich hörte es als: [Wenn] niemand
ein Niemand ist, [dann] ist jeder ein Jemand! Da waren wir alle
begeistert."
Musikhistorisch noch einen Schritt weiter zurück macht die Produktion dann auf 'Ain't Nobody Got Time For That', das Erinnerungen an Disco zwischen Donna Summer und Bee Gees wachruft. Dem gegenüber steht die Umsetzung des traditionellen Themas bei 'Back Home': nichts in der Welt lässt einen sich mehr nach Hause sehnen, als fort zu sein.
Für kurze Momente klingt auch 'Love You Too' musikalisch ein wenig traditionell. Aber der Song überrascht nicht nur mit funkelnder E-Gitarre im zweiten Teil des Songs, sondern auch mit dem Du-mich-auch Thema:
Am Midtempo 'We Ain't Good At Beaking Up' hat Miranda Lambert mitgeschrieben und sie ist auch im Background zu hören. Während es in diesem Song um das Unvermögen geht, eine Beziehung beenden zu können, dämmert im leichten Funk von 'Goodbye's Kickin' In' immer mehr die Erkenntnis herauf, dass das Ende nahe ist. Es ist im übrigen der einzige Titel des Projekts, der keine positive oder selbstbewusste Grundstimmung trägt.
Entsprechend bietet das Album erst mit dem letzten Song einen ruhigen Moment. Es ist die schöne Klavierballade 'Rollercoaster (Forever And A Day)', die das Auf- und Ab in einer Beziehung nicht nur akzeptiert, sondern es als unverzichtbaren Teil des Lebens begreift.
Dem aufmerksamen Beobachter wird aufgefallen sein, dass auf dem Cover der
vorab veröffentlichten Songs das Duo nur von hinten zu sehen ist. Mit dem
vollständigen Album ist das Brüderpaar nun auch von vorne am Cover zu sehen,
wenngleich auch ohne Schriftzug.
"Zum ersten Mal sind John und ich in jeder Hinsicht frei", sagt
TJ Osborne zusammenfassend über das Projekt.
"Das zu nutzen und noch weiter auszubauen, war Grund genug, das Album nach
uns selbst zu benennen."
Brothers Osborne bleiben damit ihrem eingeschlagenen Weg mit einem Projekt treu, das sie weiterhin nichts ins traditionelle Herz des Country führt. Womit sie sich vermutlich bewusst sind, dass sie mehrheitlich ihren künstlerischen Lebensunterhalt mit Alben und Konzerten, aber nicht Hitparaden-Erfolgen bestreiten werden. Aber wie singen sie doch so schön in ''Nobody's Nobody':
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