2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Eine große Überraschung und eine unverdiente Auszeichnung?

"Für einen Moment wusste man nicht welcher Engel den Anfang von Chris Stapleton's 'Think I'm In Love With You' so mördergut sang. [...] Ihre Stimme passte zu dem sinnlich-bluesigen Song und Stapleton, ein wahrer Profi was Duette betrifft, wusste ihr auf der Bühne genug Raum zu lassen."
(Justin Curto / vulture.com, 17. Mai 2024)

Längst sind die Award-Shows im Country Genre nicht mehr die alles überstrahlenden Highlights des Jahres. Das liegt nicht nur daran, dass sie eine zeitlang geradezu inflationär veranstaltet wurden, sondern auch daran, dass in Zeiten des omnipräsenten Internets Auftritte von Stars quasi zum Alltag geworden sind.

So hatte der große Amerikanische Sender CBS seinen Vertrag für die exklusiven Übertragungsrechte der Academy of Country Music (ACM) Awards bereits 2021 wegen schwindendem Publikumsinteresse nicht mehr verlängert. Es waren also dringend neue Ideen und Konzepte gefragt.

Erste Erfolge davon waren am vergangenen Donnerstag, dem 16. Mai 2024, bei den 59. ACM-Awards zu sehen. So wurden diese bei Amazon Prime, das sich seit 2022 die exklusiven Übertragungsrechte gesichert hatte, endlich auch außerhalb der USA live übertragen. Auch wenn das eine Beginnzeit von 1 Uhr nachts für Mitteleuropa bedeutete. Aber im Gegensatz zum Stagecoach-Festival, das Ende April 2024 zum ersten Mal ebenfalls live auf Amazon Prime gestreamt worden war, sind die ACM-Awards auch im Nachgang weiterhin in voller Länge bei Amazon Prime abrufbar.

Auch ist man inzwischen fast(!) immer dazu übergangen, nur mehr neue Songs im Rahmen der Auftritte zu präsentieren. So war etwa von Jelly Roll mit 'Liar' ein noch gar nicht veröffentlichter Song zu hören und Lainey Wilson spielte erstmals das ansteckende, uptempo 'Hang Tight Honey' live, ihre vermutlich neue Single aus ihrem erst kürzlich für August 2024 angekündigtem neuen Album "Whirlwind".

Kane Brown präsentierte eine soulige Version des Ray Charles / Willie Nelson Klassikers 'Georgia On My Mind' und Moderatorin Reba McEntire stellte als Abschluss der Veranstaltung in ihrer unnachahmlichen Art und Weise den Song 'I Can't' im pulsierenden Gospel-Feeling vor. Abgesehen von Jelly Roll, dessen aktuellen Hit 'Halfway to Hell' (Platz 5 in den Billboard Country Airplay Charts) man vermutlich nicht auf dem Weg an die Spitze beeinträchtigen möchte, sind diese Songs inzwischen alle auch veröffentlicht und können offiziell gestreamt oder als Download gekauft werden.

Und wenn es dann doch aktuelle Hits sind, die performt werden, dann sind es noch nicht gehörte Versionen davon. So wie der Banger 'Bulletproof' von Nate Smith, der als Nachfolger zum Superhit 'World On Fire' nach nur 14 Wochen bereits auf Platz 12 in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts steht. Ihn gibt es seit den 59. ACM-Awards nun auch in einer Duett-Version mit der weltbekannten 39-jährigen Pop-Punk Sänger- und Songschreiberin Avril Lavigne.

Während Superstar Pop-Rapper Post Malone bei der Performance von 'I Had Some Help' -dem unweigerlich kommenden Sommerhit des Jahres- ohne Morgan Wallen auskam, sorgte Chris Stapleton mit seinem Auftritt ein weiteres Mal für musikalische Schlagzeilen!

Denn zu Beginn seiner selbst geschriebenen, aktuellen Single, des bluesig-pulsierenden 'Think I'm In Love', sieht das Publikum nicht Chris Stapleton auf der Bühne. Vielmehr ist es zur langsam dämmernden Überraschung aller, ein Englischer Pop-Weltstar mit albanischen Wurzeln: Dua Lipa. Erst kurz danach erscheint auch Chris Stapleton auf der Bühne und beide liefern eine gelungene Duett-Version der sinnlichen Liebeserklärung.

Bei billboard.com erzählt die Sängerin dann, dass viele tief ins Gesicht gezogene Hoodies im Einsatz waren, um ihre Präsenz bis zuletzt geheim zu halten: "Wir wollten unbedingt sicherstellen, dass es eine Überraschung bleibt, um es noch mehr besonders zu machen. Ich weiß nicht, wie es uns gelungen ist, aber ich bin froh darüber, denn es war etwas ganz Besonderes auf der Bühne."

Wie auch schon seine vergangenen, legendären Duett-Auftritte (Justin Timberlake, Jennifer Hudson) ist das Duett mit Dua Lipa nicht veröffentlicht. Jedenfalls noch nicht. Denn Fans in den sozialen Medien rufen bereits vehement nach einer Veröffentlichung des Duetts, von dem sie bislang nicht gewusst hatten, dass sie es unbedingt hören wollten.

Aber es scheint fast, als wäre das Promotion-Team von Chris Stapleton nicht sehr engagiert. Und das obwohl die -zugegebenermaßen nicht sehr country klingende- Single in den Radio (Billboard Country Airplay) Charts mit Platz 49 nach 13 Wochen nicht gerade einen Erfolgslauf vorweisen kann.

Was zu dem Thema überleitet, das den Preisverleihungen ihren Spannungs- und Überraschungsfaktor wieder nimmt. So mag es noch dem Umstand geschuldet sein, dass Bands und Duos im Genre in den letzen Jahren nur wenig erfolgreich vertreten waren, dass Old Dominion und Dan+Shay (abwechselnd mit den Brothers Osborne) zum wiederholten Male ausgezeichnet wurden (und dass Little Big Town und Brooks & Dunn als längst nicht mehr aktuelle Künstler weiterhin nominiert werden). 

Aber dass Chris Stapleton ebenfalls zum wiederholten Mal als bester Sänger des Jahres, ebenso wie für das Album des Jahres ausgezeichnet wird, erweckt den Eindruck von Und täglich grüßt das Murmeltier. Schließlich liegt sein letzter Nummer-1 Hit bereits 3 Jahre zurück und das letzte offizielle Musik Video gar 4 Jahre. Darf das beim Male Artist of the Year wirklich so sein?

Selbstverständlich gibt es keine vergleichbare Stimme im Musikgeschäft! Aber trotzdem sollte der kommerzielle Erfolg bei derartigen Auszeichnungen eine Rolle spielen. Ansonsten müsste man den Preis wohl lebenslang für Chris Stapleton und seine Werke reservieren. Nicht ohne Grund hatte Garth Brooks 2020 nach 7 Verleihungen verlautbart, nicht mehr für die Auszeichnung Entertainer of the Year zur Verfügung zu stehen.

So aber scheint Chris Stapleton, dem 46-jährigen Familienvater von 5 Kindern, auch ohne große Bemühungen die weltweite Begeisterung aus allen Richtungen geradezu in den Schoß zu fallen. Seine Konzertauftritte für den Oktober 2024 in Großbritannien etwa (Manchester, Dublin, Birmingham, Glasgow und London) sind längst ausverkauft. Auftritte, die nicht in kleinen Clubs stattfinden, sondern vielmehr in Hallen wie dem O2 in London und der AO Arena in Manchester, die jeweils 20.000 Sitzplätze fassen.

Gleiches gilt für seine 8 Konzerte in Australien und Neuseeland Anfang 2025, für die es ebenfalls keine Karten mehr gibt.

Wer nun aber vielleicht vermutet, dass es zumindest für einen Country-Sänger und Songschreiber nicht so einfach sein kann, ein Duett mit einer Künstlerin zu arrangieren, die aktuell nicht nur zu den größten Pop-Stars der Welt gehört (laut Time Magazine sogar zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten 2024 weltweit), sondern auch schon 3 Grammies für ihre Musik erhalten hat und eigentlich auf Promotion für ihr eben erst erschienenes drittes Album "Radical Optimism" ist, der wird erneut überrascht sein und dann vielleicht doch einlenken, dass die Auszeichnung für Chris Stapleton als Male Artist of the Year nicht ganz unverdient ist.

Denn bei people.com wird Dua Lipa zitiert: "Ich bin ein Riesenfan von Chris und ich habe ihn kontaktiert und gefragt: Hey, wie wäre es, wenn wir gemeinsam etwas machen? Und das ist daraus entstanden."

Nachsatz: Inzwischen ist die Live-Version von den ACM-Awards offiziell veröffentlicht.

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