2024: an der Kreuzung von Pop und Country

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"2024 demonstrierten Pop-Künstler ihr Liebe für Country Music, und die Wählerschaft der Grammy Awards honorierte das. Pop und R&B Stars dominierten die Country Grammy Nominierungen, darunter Beyoncé, die als einzige Künstlerin eine Nominierung in allen 4 Country Kategorien erhielt." (Melinda Newman / billboard.com, 8. November 2024)

Hals über Stiefel

"Ich möchte, dass es dich heute nacht umwirft.
Ich möchte dich lieben und festhalten,
dich über die Tanzfläche drehen und so tun,
als hätten wir uns noch nie gesehen."
(Head Over Boots / Jon Pardi, Luke Laird)

"Ich war mit meinem Vater in einer dieser Texas Dancehalls, in der jung und alt sich zu traditioneller Country Music über die Tanzfläche bewegen. Und alle schienen so glücklich zu sein. Ich sog dieses Gefühl in mich auf und spürte den ganz intensiven Wunsch, ein Lied zu dieser Situation zu schreiben."

So erklärt der 31 jährige Kalifornier Jon Pardi die Entstehung seines aktuellen Hit Songs 'Head Over Boots', einem Wortspiel zur Redewendung "Hals über Kopf", die da im Englischen "Head Over Heels" lautet. In den Billboard Hot Country Song Charts vom 23. Juli 2016 steigt der Song von Platz 7 auf Platz 5. Etwas, das für viele völlig unerwartet geschieht. Bereits im September 2015 wurde die Single veröffentlicht und ganze 39 Wochen benötigt, um dort anzukommen. Etwa doppelt so lange wie ein durchschnittlicher Top-10 Hit.

Aber das alleine macht es noch nicht so außergewöhnlich. Vielmehr ist es Sound und Stil, die so gar nicht in die aktuelle Country Charts Landschaften passen. Elektronik, Drum Loops oder andere Pop-Elemente, die seit wenigen Jahren fixe Elemente im Country geworden sind, fehlen. Handgemachte Gitarren Musik, in der sowohl Steel, als auch Fiddle präsent sind und ein Refrain, der mit seiner einfachen Melodie punktet, zeichnen den Titel aus. Wie kann das sein?

Bereits am 11. April war das zugehörige Video zu 'Head Over Boots' erschienen und auch dieses unterstreicht mit einer einfachen Geschichte die positive Stimmung, die Jon Pardi mit dem Lied einfangen wollte, als er mit seinem Vater in jener Texas Dancehall war. Was ja nun für einen Kalifornier -weit weg von Texas- nicht alltäglich ist und vielleicht auch deshalb so einen Eindruck hinterlassen hatte.

Wer ist nun eigentlich dieser Jon Pardi, der so aus dem Nichts aufzutauchen scheint und so erfolgreich gegen den Strom schwimmt? Bereits 2012 war seine erste Single 'Missin' You Crazy' erschienen, die bis auf Platz 29 in den Billboard Hot Country Song Charts stieg. Die Nachfolge-Single 'Up All Night' bescherte ihm 2013 nicht nur seinen Cowboy Hut als Markenzeichen, sondern auch seinen bis dahin größten Hit mit Platz 10 und einer Gold-Auszeichnung für mehr als 500.000 verkauften Stück.

Es folgte im Jänner 2014 das erste Album 'Write You a Song' auf dem Label Capitol Nashville. 2 weitere Singles verpufften jedoch auf Platz 33 und 36 und damit schien es wieder still zu werden um Jon Pardi. Wohl zu traditionell war sein Sound zu Zeiten als Bro-Country das Radio dominierte und Hitparaden-Dauerbrenner der alten Schule wie Alan Jackson oder George Strait plötzlich keine Platzierungen in den Charts mehr erreichten.

Dabei war Jon Pardi 2014 noch Vorgruppe erst für Alan Jackson und dann bei Dierks Bentleys "Riser-Tour". Mit dem Erscheinen der aktuellen Single im Herbst 2015 war er dann erstmals mit einer eigenständigen Tour unterwegs (der "All Time High Tour"). Als die Tour im Jänner 2016 endete, hatte Jon Pardi jedoch immer noch keinen neuen Hit vorzuweisen. 'Head Over Boots' gondelte vor sich hin, wenn auch mit konstant leichtem Trend nach oben.

Ein Momentum, das jedoch in den folgenden Wochen zusehends Fahrt aufnahm. Und als Anfang Juli 2016 endlich das zweite Album mit dem Titel "California Sunrise" erschien, schlug es mit unerwarteter Wucht ein. Von Null auf Platz 1 in den Billboard Country Album Charts! Damit konnte ja nun wirklich niemand rechnen. Und nun munkelt man schon hinter vorgehaltener Hand, ob das der Auslöser für eine Trendumkehr sein könnte.

Fast genau 30 Jahre ist es her, als das Album "Storms of Life" des damaligen Country Newcomers Randy Travis 1986 erschienen war. In einer ebenfalls sehr poplastigen Phase der Country Music wurde der traditionelle Hardcore Country Sound von Randy Travis mit etwas Verspätung (die erste Single 'On The Other Hand' schaffte es nur bis auf Platz 67) der Auslöser dafür, dass sich der Sound von Country wieder mehr auf seine Wurzeln besonn.

Jon Pardi ist kein neuer Randy Travis. Sein Sound hat durchaus auch moderne Elemente. Aber er setzt sie sehr dezent und sparsam ein. Im Vordergrund steht ein Stil, bei dem niemand Zweifel daran haben sollte, dass es sich um Country Music handelt. Und das ist längst nicht mehr selbstverständlich, wenn man sich die heutigen Charts anhört. Vielleicht ist es aber auch nur der Tatbestand, dass eine gewisse Sättigung eingetreten ist und der Musikhörer wieder etwas Neues vorgesetzt bekommen möchte.

Auch wenn das Neue in Wirklichkeit das Alte in den Vordergrund rückt. Aber so wird aus alt eben wieder neu. Und Abwechslung hat noch nie geschadet, denn es öffnet das Spektrum und holt wieder neue Hörer in das Boot. Ganz besonders wenn es gut gemachte, ehrliche Musik ist, die sich auf ihre Stärken besinnt: Geschichten erzählen in eingängigen Melodien.

Und wenn man die Live-Performance von 'Heartache on the Dance Floor' aus dem aktuellen Album mitverfolgt, dann passt dabei einfach alles. Solide Country Wurzeln, aber trotzdem modern und ansprechend, handgemacht auf echten Instrumenten gespielt. Und wenn man dann in die Gesichter des Publikums blickt, jung und alt, dann sieht man dort genau die Freude, die der Auslöser für das Schreiben des aktuellen Top-10 Hits 'Head Over Boots' war.

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